Dax aktuell Dax behauptet kleines Plus zum Börsenschluss – Anlageprofis misstrauen der Rally

Die Frankfurter Benchmark hat in diesem Jahr bereits mehrfach eine neue Bestmarke erreicht.
Düsseldorf Am deutschen Aktienmarkt sind die Anleger aktuell unentschlossen: Am Donnerstag gab es den zweiten Handelstag in Folge wenig Bewegung. Der Dax schloss 0,2 Prozent im Plus bei 15.203 Punkten. Die Handelsspanne lag bei lediglich rund 100 Zählern – am Vortag waren waren sogar nur gut 80 Zähler gewesen.
Die Unentschlossenheit der Anleger lässt sich mit dem Popsong „Herz über Kopf“ erklären. Darin steht ein junger Mann am Ende einer Party vor seiner Ex-Freundin und damit vor der Entscheidung: gehen oder bleiben?
Der Kopf ist derzeit die technische Analyse. Die signalisiert aus kurzfristiger Sicht „gehen“, also verkaufen. Aus Sicht der Charttechniker ist der Markt eindeutig „überhitzt“ – er ist zu schnell zu stark gestiegen. Am Dienstag erreichte der Dax mit 15.312 Punkten ein Rekordhoch. Auch für die Analysten der Landesbank Helaba „scheint die Luft dünner zu werden“. Nach ihrer Ansicht wurde bereits sehr viel positive Erwartung eingepreist, heißt es in ihrem heutigen Morgenkommentar.
Zumindest einen Rückgang in den Bereich zwischen 14.800 und 15.000 Punkten soll es der Charttechnik zufolge geben. Von dort aus ist die „Osterrally“ in der vergangenen Woche gestartet. Durchaus möglich ist, dass der Index nach den fulminanten Kurssprüngen in der Vergangenheit noch eine Etage tiefer rutscht. Das wäre dann der Bereich zwischen 14.360 und 14.410 Zählern.
Dabei ist wichtig zu wissen: Das ist eine kurzfristige Sichtweise, die nichts mit der längerfristigen Perspektive zu tun hat. Der mittelfristige Aufwärtstrend beim Dax ist intakt, die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass der deutsche Leitindex in den kommenden Wochen die Marken von 15.500 Punkten und anschließend sogar von 16.000 Zählern überwindet.
Das Herz, das in dem Popsong für das „Bleiben“ bei der Party spricht, ist aktuell die Anlegerstimmung. Hinsichtlich der Gefühle und Stimmungen der Investoren sind – wie auch abseits der Börse im Alltag – weiterführende Erklärungen notwendig.
Fakt ist: Trotz der jüngsten Rekordhochs ist die Stimmung vor allem bei den Anlageprofis eher verhalten. Die Auswertung der aktuellen Umfrage der Börse Frankfurt zeigt: Die Stimmung der Profis ist insgesamt gesunken. „Die Mehrheit der befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Ausblick scheint der laufenden Dax-Rally zu misstrauen“, erläutert Verhaltensökonom Joachim Goldberg.
Im Gegensatz dazu hat sich die Stimmung der Privatanleger wenig verändert. Sie bleiben investiert, was Goldberg zu einer anderen Einschätzung veranlasst: Aus vielen mittelfristig handelnden Privatanlegern werden offenbar Langfristanleger.
Nach Ansicht des ehemaligen Devisenhändlers versucht eine Gruppe von professionellen Akteuren immer wieder mit dem Verkauf in der Nähe von Rekordhochs und dem Rückkauf bei Dax-Rücksetzern, ihre Performance zu verbessern – möglicherweise weil sie die „überhitzte“ Marktverfassung als einen Grund betrachten.
Doch die Realität an der Börse ist eine andere: Seit einem größeren Rückgang Ende Januar, als der Dax noch um rund 700 Punkte abrutschte, sind nennenswerte Rückschläge bislang ausgeblieben.
Das gesamte Szenario ist positiv für den Dax. Sollten die Kurse nachgeben, wird diese Gruppe von Profis schnell wieder kaufen, möglicherweise zwischen 14.900 und 14.950 Zählern. Das entspricht dem Ausgangspunkt der Osterrally.
Fraglich ist derweil, ob es überhaupt zu solch einem Rückgang kommt. Sollten die Kurse weiter steigen, weil möglicherweise ausländische Investoren zugreifen, würden diese Bären unter Druck geraten. Sie müssten dann den steigenden Kursen hinterlaufen, was wiederum eine Fortsetzung der Osterrally mit weiteren Kurssprüngen und neuen Rekordhochs zur Folge hat.
Blick auf die Einzelwerte
Infineon: Im Dax fielen die Aktien zuletzt um 0,7 Prozent. Vor dem Hintergrund der Übernahme des US-Konkurrenten Cypress erlöste der Chiphersteller mit einer Privatplatzierung von Anleihen 1,3 Milliarden US-Dollar. Damit werden nun weitere Bankdarlehen zur Finanzierung des Zukaufs abgelöst.
Nordex: Der Auftrag zur Lieferung von Windkraftanlagen in die Türkei ließ die Aktie um 2,4 Prozent steigen. Den Angaben zufolge liefert das Unternehmen 39 Turbinen mit einer Gesamtleistung von 187 Megawatt.
Gerresheimer: Angesichts florierender Geschäfte mit der Pharmaindustrie sieht sich der Spezialverpackungshersteller auf Kurs. „Die Auftragsbücher sind gefüllt. Wir sind ausgezeichnet unterwegs, um unsere Ziele für 2021 zu erreichen“, erklärte Firmenchef Dietmar Siemssen. Die Anleger hingegen nahmen Gewinne mit, das Papier verlor im MDax 2,1 Prozent.
Der Quartalsumsatz sei hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben, monierte Analyst Scott Bardo von der Berenberg Bank. Er gehe aber davon aus, dass sich das Wachstum im laufenden Quartal beschleunigen werde.
Goldpreis steigt weiter
Am Rohstoffmarkt waren die Konjunkturoptimisten in der Überzahl. Sie setzten vor allem auf die geplanten zusätzlichen billionenschweren Infrastruktur-Investitionen in den USA. Dies verhalf Kupfer zu einem Kursplus von 0,8 Prozent auf 8988 Dollar je Tonne.
Gold war ebenfalls gefragt und verteuerte sich um ein Prozent auf 1754 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Das geplante US-Konjunkturprogramm schüre Inflationssorgen, sagte Anlagestratege Michael McCarthy vom Brokerhaus CMC. Investoren bezweifelten, dass die Fed die Zinsen wie von ihr signalisiert frühestens Anfang 2024 anheben werde. Sie könne bereits im Januar 2022 dazu gezwungen sein, damit die Teuerung nicht außer Kontrolle gerate.
Die ungarische Zentralbank hat ihre Goldreserven auf 94,5 Tonnen erhöht. Seit der letzten Bekanntgabe vor knapp drei Jahren bedeutet dies eine Verdreifachung. Die Zentralbank verweist in ihrer Begründung auf neue Risiken im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der weltweite starke Anstieg der Staatsverschuldung und die Inflationssorgen hätten die Bedeutung von Gold in der nationalen Strategie als sicherer Hafen und wertstabile Anlage weiter erhöht.
Die ungarische Zentralbank steht mit ihren Goldkäufen in der Region nicht allein, rechnen die Rohstoffanalysten der Commerzbank vor. Im März hatte Polens Zentralbankchef angekündigt, dass seine Institution die Goldreserven in den nächsten Jahren um weitere 100 Tonnen erhöhen will. Dies zeigt die wachsende Bedeutung von Gold in den Überlegungen von Zentralbanken nicht nur in Ländern wie China, Russland und der Türkei, die ihre Goldreserven in den letzten Jahren bereits deutlich aufgestockt haben.
Was die Dax-Charttechnik sagt
Seit Beginn der Osterrally am Montag vergangener Woche hat der Dax drei Aufwärtskurslücken aufgerissen, die letzte am Dienstag. Das unterstreicht die hohe Dynamik, mit der sich die Frankfurter Benchmark aufwärtsbewegt. Solche Lücken entstehen, wenn die tiefste Notierung über dem höchsten Kurs des Vortages liegt.
Anleger sollten laut technischer Analyse einkalkulieren, dass diese Lücken allmählich geschlossen werden könnten. Am gestrigen Mittwoch hat der Dax damit angefangen, diese zu verkleinern. Angesichts des Tagestiefs von 15.160 Zählern ist aber eine kleine Lücke aufgeblieben. Das Tageshoch am Gründonnerstag lag bei 15.110 Punkten und ist damit die untere Kante dieser Lücke.
Als „richtig soliden“ Widerstand bewerten die technischen Analysten der Bank HSBC die Zone um 14.350/14.410 Punkte. Auf dem Niveau befinde sich der gut einjährige Aufwärtstrend, die mittelfristig bedeutende 38-Tage-Linie, die den kurzfristigen Trend vorgibt sowie das Vier-Wochen-Tief.
Dagegen würde der Ausbruch über das noch junge Allzeithoch von 15.311 Zählern direkt ein Potenzial Richtung 15.500er-Zone hervorrufen.
Hier geht es zur Seite mit dem Dax-Kurs, hier gibt es die aktuellen Tops & Flops im Dax.
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