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Expertenrat – Klaus HansenDas sind die Chancen und Risiken des Prinzips New Work für Unternehmen

Noch vernetzter, kollaborativer, kreativer: Viele Firmen bauen ihre Büros komplett um. Zurück bleiben häufig verstörte Mitarbeiter. Wie geht es besser?Klaus Hansen 28.11.2018 - 14:38 Uhr Artikel anhören

Die Arbeitswelt ist im Wandel.

Foto: dpa

Am Ende jedes Arbeitstages werden bei einem Berliner Technologiekonzern alle persönlichen Habseligkeiten der Mitarbeiter weggeschlossen. Familienbilder, die Tischkakteen, der Teller mit den Süßigkeiten – all dies kommt bis zum nächsten Tag in die Spinde auf den Gängen. Es spiegelt die neue Arbeitswelt wider, die nach dem Umzug vor gut einem Jahr in die Firmenzentrale eingezogen ist.

Basierend auf neuen Erkenntnissen der Organisationspsychologie hatten Architekten eine moderne Bürowelt konzipiert, in denen das Prinzip des „New Work“ und flexible Arbeitsweisen Einzug halten sollte. Während es im ehemaligen Gebäude 200 Arbeitsplätze in Einzel- oder Zweierbüros gab, finden sich in der neuen Zentrale nur noch 120 Arbeitsplätze, eingebettet in die unterschiedlichsten Arbeitslandschaften, wenige Einzelbüros für das vertrauliche Arbeiten, die meisten Schreibtische sind in großraumähnlichen Gefilden zu finden.

Ähnlich wie bei dem Kinderspiel „Reise nach Jerusalem“ sucht sich jeder Mitarbeiter morgens einen freien Platz. Einen Anspruch auf einen eigenen Schreibtisch gibt es in diesem, neudeutsch als „Desk Sharing“ bezeichneten, Konzept nicht mehr. Die übrigen Arbeitsplätze wurden eingespart, die Initiatoren verweisen dabei auf großzügige Home-Office- und Gleitzeitlösungen.

Das Kalkül der Macher: Die Mitarbeiter können dadurch bestmöglich vernetzt, kollaborativ und kreativ zusammenarbeiten. Doch weit gefehlt. Das Ergebnis am Ende des ersten Jahres fiel ernüchternd aus: unzufriedene Mitarbeiter allenthalben.

Grund für die verheerende Stimmungslage war die ausufernde Anonymität, entstanden durch die neue Büroarchitektur. Jeder Schreibtisch sieht aufgrund der Wegschließkultur morgens und abends gleich aus, häufig hat man neue Kollegen um sich herum, manche Sitznachbarn aus früheren Tagen dagegen sieht man gar nicht mehr, weil sie just an den Tagen, an denen man selbst im Büro war, von zu Hause aus arbeiteten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hält Farbe Einzug in deutschen Büros, wie dieses Bild aus dem Jahr 1953 zeigt. Als Vorbild dienen bei der Gestaltung hierzulande laut Steelcase die USA.

Foto: Handelsblatt

Zehn Jahre später geht der Trend vor allem in den USA zum Gemeinschaftsbüro, um das Wirtschaftswachstum weiter voranzutreiben. „Wie keine andere Büroform steht es für Effektivität, Produktivität und Flächeneffizienz“, schreibt Steelcase. In Deutschland werden Großraumbüros erst einige Jahre später populär.

Foto: Handelsblatt

Anfang der 1970er-Jahre finden schon deutlich mehr Angestellte Platz in US-Büros – und auch in Deutschland verbreitet sich das Großraumbüro langsam. Bis heute hat sich nach Einschätzung des Fachportals der Trend zum Großraumbüro in den USA stärker durchgesetzt als hierzulande. Demnach arbeitet jeder zweite Amerikaner heute in „Open Spaces“, in Deutschland ist es nur jeder Vierte. Ein Grund dafür könnten laut Steelcase die Baustrukturen sein: Die klassischen Verwaltungsgebäude mit langen Fluren und Einzelbüros in Deutschland können erst nach und nach in Großraumbüros umgewandelt werden.

Foto: Handelsblatt

Obwohl es immer mehr Gemeinschaftsräume gibt, bleiben Einzelbüros – insbesondere klassische Chefbüros – bestehen. „Nach wie vor existiert in Unternehmen weltweit das Chefbüro, wobei der Status einer Führungskraft meist über die Größe des eigenen Büros definiert wird“, sagt Marc Nicolaisen, Director Customer Experience bei Steelcase.

Foto: Handelsblatt

Ende der 1980er-Jahre arbeiten in den Großraumbüros die ersten Mitarbeitern mithilfe von Computern. Die anfängliche Digitalisierung löst Jahre später eine neue Trendwelle aus.

Foto: Handelsblatt

Zur Jahrtausendwende ermöglichen Laptops und Handy mobiles Arbeiten – das Home-Office entsteht. Trendsetter dieser Entwicklung: die USA.

Foto: Handelsblatt

Nachdem Flächeneffizienz über Jahrzehnte als oberstes Maß gegolten haben, entsteht nach der Jahrtausendwende ein Gegentrend: Die Erkenntnis reift bei vielen Arbeitgebern, dass das Großraumbüro keine Pauschallösung ist. Arbeitnehmer nutzen deshalb verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung – und arbeiten von zu Hause aus. Auch die Teamarbeit gewinnt aufgrund des technologischen Wandels zunehmend an Bedeutung.

Foto: Handelsblatt

Der Trend wird laut Experten in den kommenden Jahren stärker in Richtung „Smart Office“ gehen. „Irgendwann ist das gesamte Unternehmen – vom Terminkalender über die Möbel, das Raumbuchungssystem, den einzelnen Mitarbeiter bis hin zum Konferenzraum – verknüpft und vernetzt“, prognostiziert Nicolaisen. Dadurch änderten sich auch zwischenmenschliche Beziehungen: „Die Führungskraft wird mehr zum Coach, weniger zum fachlich inhaltlichen Tonangeber.“

Foto: Handelsblatt

Bei der Umstellung auf New Work muss man sehr stark zwischen den Generationen unterscheiden und der Arbeitshistorie des Unternehmens Rechnung tragen. Während für die Generation der Babyboomer die Arbeitsstätte ein sozialer Mittelpunkt ist, in dem man in der Regel jahrelang bleibt, betrachten die jüngeren Generationen die Arbeit mehr als Mittel zum Zweck, um die Zeit außerhalb der Arbeit optimal gestalten zu können. Daraus folgen unterschiedliche Ansprüche an die Arbeitsumgebung.

Genauso wichtig: Wer die Arbeitswelt einer Firma ändern will, ja, komplett umwälzen möchte, muss zwingend alle Mitarbeiter mitnehmen. Das heißt idealerweise nichts anderes als jedem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, das Konzept mitzuentwickeln.

Dabei sollte die Geschäftsführung berücksichtigen, dass nicht jedermann in der Lage ist, im Home Office effizient zu arbeiten. Und auch nicht jede Organisationseinheit muss qua Aufgabenstellung ein Feuerwerk an Kreativität zünden, sondern schlicht ihre Ziele erfüllen. Diese Mitarbeiter in ein hochagiles Korsett zu zwingen ist kontraproduktiv.

Steht das Konzept einmal, bietet es sich an, dieses zunächst in einem kleinen Bereich schrittweise umzusetzen. Eventuelle Einwände und Kritiken können so behutsam analysiert, Vorurteile abgebaut und notwendige Verhaltensänderungen erreicht werden.

Und manchmal ist es auch gar nicht ratsam, das Pendel vollends in die andere Richtung ausschlagen zu lassen. So hat etwa ein weltweit tätiger Maschinen- und Anlagenbaukonzern in seiner süddeutschen Zentrale nur den Personalbereich auf New Work umgestellt und bewusst darauf geachtet, dass alle anderen Bereiche regelmäßig an dieser schrittweise vollzogenen Veränderung teilhaben, sie praktisch durch die „Glaswand“ miterleben können.

Durch regelmäßige Feedbackrunden, moderate Anpassungen und ein behutsames Tempo bei gleichzeitig unveränderten Anforderungen, agiler zu arbeiten, konnte das Unternehmen eine hohe Akzeptanz unter allen Personalmitarbeitern erzielen. Im Veränderungsprozess wurde auch auf relativ unflexible Mitarbeiter Rücksicht genommen. Ergebnis: Die gleiche Mannschaft schafft mehr Arbeit als vorher. Auch das kann New Work sein – vom Ende her denken, ohne in Aktionismus zu verfallen.

Klaus Hansen ist Partner der Personalberatung Odgers Berndtson und leitet die Practices „Board & Chair“ sowie „CEO“ in Deutschland. Für das Handelsblatt schreibt er über aktuelle Themen rund um Topmanager, Führung und Karriere. Foto: Handelsblatt

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