Gastbeitrag: Synthetische Kraftstoffe sind kein Allheilmittel für die Verkehrswende

Lange Zeit hatte die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie die Favoritenrolle inne.
Die Technik wird es schon richten. Der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen im Verkehr muss innerhalb der nächsten zehn Jahre um 40 Prozent reduziert werden. Also warum sollte man sich heute mit unbequemen Maßnahmen quälen, wenn sich die Klimaschutzziele morgen mit technischen Innovationen erreichen lassen?
Statt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich zu sein und zu erklären, dass Klimaschutz nicht ohne Veränderungen gelingen wird, preisen viele lieber bequeme technische Lösungen als Heilsbringer an. Die CSU geht mit Flugtaxis ins Rennen, die Junge Union glaubt an die Wiederbelebung des Transrapids aus den 80er-Jahren.
Der Favorit sind aber synthetische Kraftstoffe, die angeblich so ziemlich alles können, was herkömmlicher Sprit auch kann – aber klimafreundlich sind. Der E-Fuels-Fanklub wird von Verkehrsminister Andreas Scheuer und FDP-Chef Christian Lindner angeführt. Im Klimapaket der Bundesregierung spielen sie eine zentrale Rolle. Der künstliche Sprit soll Benzin und Diesel ersetzen und so ein Fünftel zur CO2-Reduktion im Verkehr bis 2030 beitragen.
Lange Zeit hatte die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie die Favoritenrolle inne. Vor fast 20 Jahren bei der Expo in Hannover wurde das Wasserstoff-Zeitalter für das Auto ausgerufen. Bis 2020, so die Prognose, seien 50 Prozent aller Neufahrzeuge Wasserstoffautos.

Stephan Kühn ist Sprecher für Verkehrspolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.
Aktuell sind beim Kraftfahrt-Bundesamt lediglich ein paar Hundert solcher Fahrzeuge registriert. Das liege aber natürlich nicht an der Technik, sondern an der fehlenden Technologieoffenheit der Bundesregierung, die stattdessen auf die batterieelektrische Mobilität setze, mutmaßen die Liberalen.
Die These hält allerdings keinem Faktencheck stand. Mit dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie investiert die Bundesregierung weit mehr als eine Milliarde Euro in Forschung und Anwendung. Kaufprämie, Steuervergünstigungen für Dienstwagen und eine Befreiung von der Lkw-Maut stehen auch Wasserstoff-Fahrzeugen zur Verfügung. Trotzdem ist die Wasserstoff-Mobilität bisher nicht in Fahrt gekommen.
Enorme Energieverluste
Wasserstoff ist auch die Basis für synthetische Kraftstoffe, mit denen Autos mit Verbrennungsmotor klimaneutral weiterfahren könnten. Mit Ökostrom wird Wasser zu Wasserstoff verarbeitet, um anschließend zusammen mit Kohlendioxid den Kraftstoff herzustellen.
Dabei entstehen enorme Energieverluste: Für das Fahren mit E-Fuels muss fünfmal so viel Strom eingesetzt werden, wie in reinen E-Fahrzeugen direkt genutzt werden kann. Die Kosten sind dementsprechend hoch und stellen frühere Fünf-D-Mark-Forderungen für den Liter Kraftstoff weit in den Schatten. Selbst die Auftragsstudien der Automobilhersteller zeigen, dass auch im Jahr 2030 die Produktionskosten noch deutlich höher liegen als bei Benzin und Diesel.
Klar ist deshalb: Wer auf synthetische Kraftstoffe setzt, plädiert für die teuerste Variante klimafreundlicher Mobilität. Aber die Befürworter sind ausgerechnet diejenigen, die zwischen Klimaschutz und bezahlbarer Mobilität einen Widerspruch zu konstruieren versuchen.
Die Parteien, die sich für strombasierte Kraftstoffe starkmachen, werden bei der Frage, woher der ganze Ökostrom für die Herstellung kommen soll und wer sich den Sprit leisten kann, ganz leise. Es sind jene, die sich gegen den Kohleausstieg stellen und die vor Ort den Ausbau erneuerbarer Energien blockieren, die jetzt von E-Fuels auf Ökostrombasis schwärmen.
Während Elektrofahrzeuge schon heute verfügbar sind und zum Klimaschutz beitragen können, gibt es bislang nur Pilotanlagen für die Produktion von E-Fuels. Selbst Hersteller von synthetischen Kraftstoffen gehen davon aus, dass die industrielle Produktion frühestens Mitte des nächsten Jahrzehnts starten kann.
Um die 2030er-Klimaziele zu erreichen, werden E-Fuels daher kaum einen Beitrag leisten. Sie sind eine reine Luftbuchung. An der Elektromobilität führt kein Weg vorbei, wenn individuelle Mobilität auch in Zukunft bezahlbar sein soll. Synthetische Kraftstoffe werden wir stattdessen dort brauchen, wo Elektromobilität an Grenzen stößt, zum Beispiel im Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr.
Doch allein mit anderen Antrieben und neuen Kraftstoffen werden wir die Klimaschutzziele nicht erreichen. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass wir unser Verkehrssystem und -verhalten ändern müssen. Nur mit mehr Schienen- statt Straßenverkehr, einem ausgebauten Nahverkehr und besserer Fahrradinfrastruktur wird die Verkehrswende gelingen. Das ist viel schwieriger, als fossile Kraftstoffe zu ersetzen.
Mehr: Hoffnung Wasserstoff – Was die Technik bringt und wer sie nutzt. Ein Dossier.





