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Gastkommentar – Homo oeconomicusDer Lobbyismus der Privilegierten nervt

Dass Gutverdiener das Elterngeld verlieren sollen, interessiert mehr als Belange unterbezahlter Leistungsträger, beklagt Uta Meier-Gräwe – ein Paradebeispiel des Lobbyismus Privilegierter. 29.08.2023 - 09:15 Uhr Artikel anhören

Im Zuge der Haushaltsberatungen hatten sich Finanz- und Familienministerium darauf verständigt, die Zahl der Empfänger von Elterngeld einzuschränken.

Foto: AP

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte mit Blick auf den Bundeshaushalt 2024 von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) massive Kürzungen von insgesamt 500 Millionen Euro. Per Brief gab er ihr die Empfehlung, beim Elterngeld zu sparen. Daraufhin entschied die Ministerin, die Grenze für den Bezug von Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen abzusenken.

Das würde knapp 300 Millionen Euro der geforderten Einsparungen bringen und lediglich die obere einkommensstarke Schicht, maximal fünf Prozent der Haushalte, betreffen.

Paus hätte alternativ den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende streichen können. Weil aber 43 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte armutsgefährdet sind, schied diese Überlegung für sie aus. Auch den Kinderzuschlag für einkommensarme Familien zu kürzen kam für die Ministerin in Zeiten von hoher Inflation und steigenden Miet- und Energiekosten nicht infrage.

Deshalb sei unter allen denkbaren Varianten die Kappung des Elterngelds die am wenigsten schmerzliche gewesen, rechtfertigte Paus ihre Entscheidung, räumte allerdings ein, dass dies kein Glanzstück für die Gleichstellung sei.

Ihr Vorschlag rief vehemente Reaktionen hervor. Die Onlinepetition „Nein zur Elterngeld-Streichung“, initiiert von der gut vernetzten Jungunternehmerin Verena Pausder, wurde in wenigen Tagen von fast 600.000 Leuten unterschrieben – das Zehnfache der Anzahl der betroffenen Familien. Inzwischen zeigt sich Finanzminister Lindner einsichtig: Man müsse über das Elterngeld noch einmal reden.

Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung. Ihr aktuelles Buch mit Ina Praetorius „Um-Care: Wie Sorgearbeit die Wirtschaft revolutioniert“ basiert teilweise auf den Homo-oeconomicus-Kolumnen der Autorinnen im Handelsblatt.

Foto: Gleichstellungsbüro Freiburg

Wir haben es hier mit einem Paradebeispiel von Lobbyismus privilegierter Gruppen zu tun, denen es gelingt, ihre Interessen medienwirksam und manipulativ zu vertreten.

Zum Vergleich: Eine Onlinepetition zur höheren Besteuerung von Millionären aus dem Jahr 2021 hat es nicht einmal auf 100.000 Unterschriften gebracht.

Veto gegen Wachstumschancengesetz war richtig

Vor diesem Hintergrund ist Paus’ Veto gegen das Wachstumschancengesetz der FDP ein richtiges Signal: Ausgaben für die Kindergrundsicherung sind keine Konsumausgaben, sondern müssen als Zukunftsinvestitionen in Humankapital begriffen werden.

Dafür lediglich zwei Milliarden Euro statt der von Paus veranschlagten zwölf Milliarden vorzusehen, würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland erheblich schaden.

Geradezu bizarr mutet an, dass in der Elterngeld-Petition betont wird, dass einkommensstarken Paaren, die sich hart nach oben gearbeitet hätten, nun Wohlstandsverluste drohten, sodass sie in Zukunft ihre Kinderwünsche aufgeben müssten.

Jammern auf höherem Niveau geht kaum: Was ist mit den Wünschen von Reinigungskräften, Krankenpflegerinnen im Schichtdienst, Altenpflegern und Verkäuferinnen? Arbeiten die etwa nicht hart? Sie waren es, die in der Coronapandemie den Laden am Laufen gehalten haben, aber nie in ihrem Leben auch nur in die Nähe eines Haushaltseinkommens von 150.000 Euro gelangen werden.

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Erstpublikation: 28.08.2023, 11:28 Uhr.

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