Beyond the obvious: Auf einen Blackout wie in Spanien ist auch Deutschland nicht vorbereitet

Am 28. April 2025, exakt um 12.33 Uhr mittags, brach das Stromnetz in Spanien zusammen. Aufgrund der Berichterstattung hierzulande konnte man den Eindruck gewinnen, das Ganze sei zwar ärgerlich gewesen, zugleich aber auch ein großes Happening.
Bilder zeigten Menschen, die bei Kerzenschein an langen Tafeln saßen und aßen, was sonst bei den Wirten mangels Kühlung verdorben wäre. Die Botschaft, die so bei vielen Betrachtern angekommen sein dürfte, war klar: alles gar nicht so schlimm.
Experten verwiesen derweil auf die durchaus gegebenen Risiken, diese seien allerdings gering. Der deutsche Stromnetzverbund sei stabil, die Netzreserve ausreichend, die Sicherheitsmechanismen seien verlässlich.
Und in der Tat, verglichen mit Deutschland, macht die deutlich geringere Integration Spaniens in das europäische Stromnetz das Land anfälliger. Zwar hat Deutschland aufgrund von Atom- und Kohleausstieg selbst erheblich geringere Kapazitäten an sogenannten Schwungmassen, die für die Netzstabilität wichtig sind, profitiert aber von den französischen Kernkraftwerken, die genau diese Netzstabilität liefern. Spanien blieb nichts anderes übrig, als auf einen viel höheren Anteil an Gaskraftwerken zu setzen, um das System zu stabilisieren.
Damit stellt sich für Deutschland die Frage, ob wir uns auch in den kommenden Jahren, wenn der Anteil erneuerbarer Energien in Europa weiter steigt, darauf verlassen können, von unseren Nachbarn nicht nur mit Strom, sondern auch mit ausreichender Netzstabilität versorgt zu werden. Die Bundesnetzagentur fordert in ihren Berichten seit Jahren gezielte technologische Weiterentwicklungen und neue Systemarchitekturen, um das Problem der wegfallenden Schwungmassen zu lösen.
Gelöst ist das Problem bis jetzt nicht. Übersetzt heißt dies: Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts mag sehr gering sein, gleich null ist sie aber jetzt schon nicht, und sie dürfte in den kommenden Jahren zunehmen.
Zwar traurig genug, aber der spanische Blackout forderte „nur“ drei Todesopfer. Er fand kalendarisch im Frühjahr und zu einem Zeitpunkt statt, als es im Land bereits angenehm warm war.
Zudem gelang es innerhalb von 24 Stunden, das System wieder zum Laufen zu bringen. Es ist kaum auszudenken, welche Folgen ein Blackout in einem Winter oder für einen längeren Zeitraum haben würde.
Experten des Center for Security Studies (CSS) an der ETH Zürich erklären in einem Aufsatz, dass eine Gesellschaft im Allgemeinen nur drei Tage oder neun Mahlzeiten von der Anarchie entfernt ist. Abgesehen vom Zustand der Gesellschaft sind drei Tage auch der Zeitraum, für den die meisten Betreiber kritischer Infrastrukturen Vorkehrungen getroffen haben, um einen Notbetrieb zu gewährleisten. Dauert ein Blackout länger, dann verstärken sich die Ausfälle der voneinander abhängigen kritischen Infrastrukturen und können zu irreversiblen Schäden führen.

Tödliche Naivität
Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: „Das zu erwartende Schadensausmaß eines großflächigen und langanhaltenden Blackouts ist extrem und stellt ein unwahrscheinliches, aber mögliches Szenario dar. Gerade wegen dieser Möglichkeit sollten der Staat, die Betreiber kritischer Infrastrukturen, einzelne Bürgerinnen und Bürger und der Privatsektor darauf vorbereitet sein.“
Doch von guter Vorbereitung kann offenbar keine Rede sein. Seit Jahren klagen die für den Katastrophenschutz zuständigen Akteure wie Feuerwehren und Technisches Hilfswerk (THW) über eklatante Mängel in der Ausstattung. So forderten die Sprecher des THW Bayern in einer Erklärung deutlich höhere Ausgaben für den Katastrophenschutz angesichts einer völlig unzureichenden und veralteten Ausstattung nach über drei Jahrzehnten andauernder Investitionsvernachlässigung.
Die Bundesregierung will nun die Investitionen in den Katastrophenschutz deutlich erhöhen, zählen doch diese Ausgaben zum Bereich Verteidigung und können deshalb durch Schulden finanziert werden. Doch wie auch in anderen Bereichen wird es noch Jahre dauern, bis damit die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte korrigiert sein werden.





Damit stehen wir vor dem Szenario zunehmender Risiken bei gleichzeitig unzureichender Vorsorge. Vernünftig wäre es, die Resilienz des Stromsystems in den Fokus zu nehmen. Das widerspricht aber dem politischen Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien weiter zu erhöhen.
Es bleibt abzuwarten, wie das aufgelöst werden soll. Letztlich sollten Unternehmen und Private die Notwendigkeit erkennen und mehr für die eigene Resilienz im Katastrophenfall tun.
Mehr: War Spanien nur ein Unfall? So wahrscheinlich ist ein landesweiter Blackout in Deutschland







