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Globale TrendsDoomscrolling – wenn schlechte News krank machen

Stress, Angst, Depressionen: Wer häufig Negativnews konsumiert, kann davon krank werden. Was hinter Doomscrolling steckt und welche Tipps Experten Betroffenen geben.Thomas Hanke 21.02.2025 - 13:13 Uhr Artikel anhören
Frau am Smartphone: Wer viele schlechte Nachrichten liest, kann davon krank werden. Foto: Helena Dolderer/dpa

Kriege in der Ukraine und in Gaza, der Klimawandel, Inflation, Donald Trumps Angriffe auf die westliche Weltordnung: Schnell verlieren sich Menschen in einer Spirale aus Negativnews. Doomscrolling heißt das Phänomen, wenn sie scheinbar endlos schlechte Nachrichten auf ihren Smartphones scannen. Das wird zunehmend zu einem Problem. Denn wer zu viele beängstigende News konsumiert, kann davon krank werden.

Yvon Ames ist Psychologin und berät Unternehmen, wie sie Belastungsstörungen bei ihren Mitarbeitern vorbeugen können. Die Zerstörung in Gaza etwa oder andere Themen, „die wir nicht beeinflussen können, führen zu Stress, dem wir hilflos ausgesetzt sind“, sagt sie. Negative News wirken im Körper wie andere Stresssituationen, die sich kaum bewältigen lassen. „Dauernde Alarmbereitschaft des Körpers, ständige Ausschüttung von Stresshormonen machen krank“, sagt Ames.

Das US-Medium Axios berichtet, dass die Zahl der Menschen zunehme, die mit den Meldungen über Kriege, Folgen der Erderwärmung oder Trumps Politik nicht mehr klarkämen. Müdigkeit, Angst, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen seien die Folge – der sogenannte „Worry Burn-out“.

Schwedische Forscher prägten in einer 2024 veröffentlichten Studie den Begriff „Scary World Syndrome“, dem Syndrom der beängstigenden Welt: Wer viele negative Nachrichten aufnehme, könne davon überwältigt werden.

Journalisten sind besonders häufig schlechten News ausgesetzt

Die französische Psychologin Emmanuelle Lépine ist Spezialistin für posttraumatische Belastungsstörungen. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit Soldaten und Polizisten, die in Antiterroreinsätzen waren. Seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 in Israel und der folgenden Zerstörung von Gaza durch die israelische Armee hat sie 270 neue Patienten bekommen. Fast alle sind Personen, für die es schwieriger ist, dem Doomscrolling zu entkommen, weil ihr Geschäft die Nachrichten sind: Journalisten.

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Sie wurden Zeugen von Gewalt, sahen sich Fotos und Videos darüber an oder mussten sich Sorgen um Familienangehörige machen. Andere litten unter dem Gefühl, sich im Gazakrieg auf eine Seite stellen zu müssen, die Linie ihrer Redaktion nicht vertreten zu können oder nicht mehr mit ihren Kollegen reden zu können.

„Journalisten sind rund um die Uhr der Belastung ausgesetzt, weil sie nicht so zwischen Arbeit und Privatleben trennen wie andere“, sagt Lépine. Es gebe Angstschleifen: Je größer die Beunruhigung, desto mehr wolle man sehen in der Hoffnung, es zu verstehen und die Kontrolle zurückzugewinnen. Diese Angstschleifen können nicht nur bei Journalisten, sondern bei allen Nachrichtenkonsumenten auftreten.

Auf Abstand gehen und reflektieren

Wie sollten sich Menschen verhalten, die merken, dass sie sich in der Spirale aus Negativnachrichten verlieren? „Ich rate dazu, sich zu informieren, aber nicht ständig Inhalten auszusetzen, die unsere Angst fördern“, empfiehlt Lépine. Man solle auf Abstand gehen: festlegen, wann der Arbeitstag endet, keine Fotos von getöteten Kindern ansehen, nach dem Abendessen keine News mehr anschauen.

Ihre deutsche Kollegin Ames rät zu einer anderen Strategie: selbst handeln. „Ich kann das Elend in Gaza nicht lösen, aber in meinem kleinen Universum wirksam werden, Bedingungen verbessern“, sagt sie.

Die Zahlen zeigen zudem, dass sich mehr und mehr Menschen seltener schlechten News aussetzen wollen. Die Zahl Verweigerer klassischer Nachrichten nimmt zu.

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt. Foto: Klawe Rzeczy

Österreichische Forscher haben 2024 die Gründe für Nachrichtenvermeidung untersucht und fanden Ermüdung durch ständige Wiederholungen, aber auch Wut und Mangel an Vertrauen in politische News als Ursachen.

Einige dieser Nachrichtenverweigerer nehmen Informationen nur noch aus sozialen Netzwerken auf. Und verabschieden sich vom öffentlichen Diskurs, der durch These und Gegenthese, Annahme und Falsifikation gekennzeichnet ist. Denn diese Merkmale fehlen in sozialen Netzwerken mit ihren Filterblasen und Echokammern.

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Für Medien bedeuten all diese Trends: Portale, die immer noch auf Erregung, Skandalisierung setzen, schaden sich selbst. Denn Nutzer suchen pragmatische Lösungen, keine Hysterisierung – gerade in Zeiten, in denen sich negative Nachrichten häufen.

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