Kolumne „Inside America“: Der Widerstand wächst – die Amerikaner haben die Kriegsrhetorik satt

Da steht sie auf dem Dach, Kristi Noem, US-Heimatschutzministerin, und taxiert ein Huhn. Noem ist eine glühende Trump-Verehrerin und hat sich am Dienstag nach Portland aufgemacht, um die dortigen Proteste gegen die Regierung zu inspizieren und den eigenen Sicherheitskräften den Rücken zu stärken.
Portland, so muss man wissen, ist eine der liberalsten Städte der USA. Hier in Oregon, am grünen Teil der Westküste, wo es viel regnet und die Nadelwälder tief sind, die Craftbeer-Brauereien zu Hause und die Barristas und die Hippies, fahren die Einwohner Fahrrad oder Straßenbahn, und bei den Wahlen stimmen knapp 80 Prozent für die Demokraten. Für Präsident Trump: eine Alptraum-Stadt.
Kämpferisch also stand Noem mit Beamten im Flecktarn auf dem Dach der Einwanderungs- und Zollbehörde, wo es nachts zu Protesten gekommen war. Der konservative Influencer Benny Johnson, der Noem begleitete, beschwor in einem Video die „Armee der Antifa“ an der nächsten Straßenecke, die Noem böse beäuge. Trump hatte Portland zuvor als „kriegsgeschüttelt“ bezeichnet, als Stadt im Würgegriff gefährlicher Chaoten und „heimischer Terroristen“.
Anwesenden unabhängigen Reportern bot sich dann ein anderes Bild. Demnach bestand die „Armee der Antifa“, eine von Trump beschworene antifaschistische und angeblich gewaltbereite Truppe, aus gut zwei Dutzend Menschen, darunter hauptsächlich Fotojournalisten, einigen Demonstranten und einem jungen Mann im Hühnerkostüm mit Pappschild und Aufschrift: „Portland wird auch ihn überleben.“ Womit, vermutlich, Trump gemeint war.
Die Lacher hatten dessen Gegner sicher. Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom postete ein Foto der Szene mit dem Kommentar: „PORTLANDS KRIEGSGEBIET“. Anschließend erneuerte er seine Kritik an „ICE-Barbie“, wie er Noem nennt, die Hochglanz-Fototermine mit der Einwanderungsbehörde liebt.
„Kristi ist in Portland! Versteckt eure Hunde!“, twitterte Newsom – eine spöttische Anspielung auf Noems Geständnis in ihrer Autobiografie aus dem Jahr 2024, in der sie beschrieb, wie sie ihren 14 Monate alten Hund Cricket wegen angeblich aggressiven Verhaltens erschossen hatte. Im tierfreundlichen Amerika kostete sie das die Vizepräsidentschaftskandidatur.
Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass den Amerikanern auch das aktuelle Regierungshandeln sauer aufstößt. Laut einer neuen Umfrage für die Agentur Reuters sind Trumps Zustimmungswerte eingebrochen: Nur noch 40 Prozent der Befragten bewerten seine Amtsführung als positiv. Auch die Meta-Auswertung der „New York Times“ sieht so viele Amerikaner unzufrieden mit dem Präsidenten wie nie zuvor.
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Die Wähler tolerierten „diesen Diktator-Mist nicht“, so die wortstarke Erklärung der Geschichtsprofessorin Heather Cox Richardson vom Boston College. In einem Treffen mit Generälen hatte Trump Anfang Oktober erklärt, man müsse Truppen gegen die „inneren Feinde“ einsetzen – heißt: in demokratischen Städten wie Chicago, laut Trump ein „Höllenloch“. Der Präsident brachte sogar den Einsatz des Insurrection Act (Aufstandsgesetz) ins Spiel, nachdem Gerichte seine Mobilisierungen in Illinois und Oregon blockiert hatten. Nur 38 Prozent der Befragten befürworten sein Vorgehen.
In Portland hielt das juristische Tauziehen um einen Nationalgardeneinsatz zuletzt an. Und dort, wo die Truppen bereits stationiert wurden, fällt das Urteil nüchtern aus: In der Hauptstadt Washington beschwerten sich die Gastronomen über ausbleibende Gäste. Und in Los Angeles machten vor allem die Kosten für die Steuerzahler Schlagzeilen: 120 Millionen Dollar. Eine Steilvorlage für die Opposition.