Lars Felds Ordnungsruf: Wir schaffen das! Wirklich?
Haben wir es geschafft? – Diese Frage wurde zum zehnten Jahrestag der prominenten Äußerung Angela Merkels zur Flüchtlingsmigration des Jahres 2015 in diesen Tagen häufig gestellt. Die Antworten auf die Frage hängen nicht mit üblichen Herangehensweisen zusammen – wie etwa, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist. Die Antworten sind stark politisiert, ideologisiert und emotionalisiert. Die Fakten sind hingegen oft weniger zugänglich, als man sich das wünscht. Zu oft geht es daher in der Debatte durcheinander.
Das Merkel’sche Wort „Wir schaffen das“ wurde von Beginn an auf die Themen Integration, Finanzen und Kriminalität bezogen. Integration beginnt mit dem Arbeitsmarkt. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeichnen dahingehend ein optimistisches Bild. Insgesamt sind derzeit 64 Prozent der in den Jahren 2015 und 2016 zugewanderten Schutzsuchenden beschäftigt.
Nach neun Jahren beträgt die Beschäftigungsquote der männlichen Geflüchteten aus den acht Hauptasylherkunftsländern – Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan, Somalia, Nigeria – 76 Prozent und diejenige der weiblichen Geflüchteten 35 Prozent. Etwas mehr als ein Viertel der aus den Asylstaaten Zugewanderten sind aktuell arbeitslos, verglichen mit rund sechs Prozent der deutschen Staatsangehörigen.
Die Erwerbstätigenquote geflüchteter Männer liegt damit höher als für deutsche Männer, diejenige geflüchteter Frauen deutlich niedriger. Letzteres mag sich mit unzureichender Kinderbetreuung, Bildungsunterschieden oder der Konzentration auf reglementierte Berufe erklären lassen. In der Tat suchen viele geflüchtete Frauen eine Beschäftigung.
Das IAB kann jedenfalls keine signifikanten Effekte geschlechtsspezifischer Einstellungen und Werte zur Erklärung der Unterschiede in den Beschäftigungsquoten feststellen. Gleichwohl lassen sich kulturelle Unterschiede, etwa hinsichtlich der im Herkunftsland gewährten gesellschaftlichen Teilhabe von Frauen und dem Zugang zu Bildung nicht ausschließen.
Hier besteht Handlungsbedarf
So positiv diese Entwicklung ist, so sehr muss auf bestehende Handlungsbedarfe hingewiesen werden. 47 Prozent der aus den Asylstaaten Geflüchteten im Jahr 2024 sind als Helferinnen und Helfer beschäftigt, im Vergleich zu 13 Prozent der deutschen Bevölkerung. Als Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten in der ersten Gruppe nur vier Prozent, verglichen mit 17 Prozent der Deutschen. Dies hat nicht zuletzt mit der Anerkennung von Abschlüssen zu tun. Verbesserungen sind dahingehend zuletzt geglückt. Gleichwohl sind weitere Verbesserungen notwendig, die für die Erwerbsmigration von ebenso großer Bedeutung sind.
Eine Verschlechterung für die Arbeitsmarktintegration bedeutet die wieder längere Dauer von Asylverfahren. Sank diese im Jahr 2016 im Durchschnitt auf sieben Monate, beträgt sie im Jahr 2024 knapp neun Monate und ist im ersten Halbjahr 2025 sogar auf 13 Monate gestiegen. Dies ist bedeutsam für die Arbeitsmarktintegration. Je früher der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet wird, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein.
Die finanziellen Folgen
Dies hat finanzielle Auswirkungen. Zu Beginn der Flüchtlingsmigration gab es große Unterschiede in der Einschätzung, wie sich diese auf die öffentlichen Haushalte auswirken würde. Während manche darin die Lösung der demografischen Probleme sahen, mahnten andere, dass die Belastung die Tragfähigkeitslücke des Staates weiter erhöhen würde. Für den Sachverständigenrat für Wirtschaft war eine der beiden Positionen so überzogen wie die andere.
Er errechnete einen geringfügigen finanziellen Vorteil der Flüchtlingsmigration für Deutschland – in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Arbeitsmarktintegration. Insofern ist es bedauerlich, dass die seit 2022 nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer erst zu knapp 40 Prozent in den Arbeitsmarkt integriert sind – verglichen mit über 80 Prozent in Dänemark oder knapp zwei Dritteln in der Schweiz.
Zum Thema Kriminalität ist zu berücksichtigen, dass die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik vielfach verzerrt ist. Als Hellfeldstatistik fließen nur jene Straftaten ein, die angezeigt werden. Viele Straftaten bleiben somit im Dunkeln, zugleich wirken sich das Anzeigeverhalten der Bevölkerung, die Kontrollintensität der Polizei und die rechtliche Einstufung aus.
Insgesamt lässt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Fluchtmigration und Kriminalität nicht eindeutig belegen. Dies mag angesichts deskriptiver Zahlen, die eine Überrepräsentation Zugewanderter in der Kriminalitätsstatistik ausweisen, überraschen. Deskriptive Zahlen können jedoch nicht für andere Erklärungen herhalten. Allerdings liegen bislang zu wenige gute Kausalstudien vor, um ein zuverlässiges Bild zu zeichnen.