Reichtum: Was Weihnachtsrituale der Vermögenden über unsere Zeit aussagen
Weihnachten im Milieu der globalen Milliardäre ist nicht nur ein privates Schauspiel jenseits der Gesellschaft, sondern ein kultureller und religiöser Resonanzraum. Wer verstehen will, wie die reichsten Menschen der Welt feiern oder bewusst nicht feiern, erkennt darin ein Prisma von Gegenwart und Zukunft. Es zeigt sich, wie Traditionen belastbar bleiben, wie kulturelle Identitäten sich behaupten und wie sich neue Machtverhältnisse in Ritualen spiegeln.
Natürlich gibt es neben der hier vorgelegten Skizze zu allem Ausnahmen, Radikalitäten, Intensitäten, Normalitäten und Orthodoxien. Dennoch sind in keinem anderen Milieu religiöse Herkunft und ökonomische Reichweite so eng miteinander verflochten wie in der Ultra-Elite.
Im Zentrum stehen die mehrheitlich christlich geprägten Regionen Nordamerikas und Europas, die Weihnachten weiterhin als kulturelles Hochamt zelebrieren. Die Superreichen pflegen die Familie, doch der religiöse Bezug wird geringer. Der christliche Kern wie Geburt, Hoffnung, Demut verliert im Raum der absoluten materiellen Freiheit seine ursprüngliche Ergriffenheit. Weihnachten wird weniger ein Akt des Glaubens, sondern ein Akt der rituellen Kontinuität.
Aus dem besinnlichen Fest wird ein maßgeschneidertes Erlebnis, gesichert durch Privatjets, Inselresorts, abgeschirmte Oasen des Wohlstands oder hyperopulente Weihnachtsgeschenke. Und dennoch wirkt ein zweiter, starker philanthropischer Impuls, der besonders in den USA tief verwurzelt ist. In dieser Zeit werden Milliarden an Spenden und Zuwendungen vergeben. Diese Großzügigkeit ersetzt nicht den Glauben, aber sie schafft eine Art säkulare Spiritualität: Gutes tun wird zum Alternativritual einer moralischen Einbettung.
Bei jüdischen Milliardären wird das achttägige Lichterfest Chanukka gefeiert. Es ist kein jüdisches Pendant zum christlichen Weihnachten, sondern ein unerschütterlicher religiöser Kern, der Erinnerung, Widerstandskraft und Erneuerung zelebriert. Die Feierlichkeiten sind familiär und fröhlich.
Die jüdische Philanthropie hat eine lange Tradition, sodass große Spenden und systemische Wohltätigkeit ein integraler Bestandteil sind. Die Geschichte der jüdischen Diaspora, der Verfolgungen und der Resilienz hat die Bedeutung von Ritualen enorm verstärkt. Der mit Abstand größte Anteil jüdischer Milliardäre lebt in den USA.
Wie Milliardäre aus anderen Kulturkreisen feiern
Muslimische Milliardäre begehen kein Weihnachten. Die beiden wichtigsten Feste im Islam sind: das Fest des Fastenbrechens Eid al-Fitr und das Opferfest Eid al-Adha. Sie folgen dem islamischen Mondkalender und sind zyklisch.
Hier steht die religiöse Pflicht eindeutig im Mittelpunkt: Es heißt Zakat, das Geben an Bedürftige, weil Reichtum als Gabe betrachtet wird. Für die superreichen Familien sind diese Feste absolute Höhepunkte, in denen Tradition, Macht und Verantwortung verschmelzen. Gerade in diesen Kulturen zeigt sich, wie Religion selbst im Extremreichtum eine dominante Kraft bleibt.
Hinduistische Milliardäre feiern Diwali, das Siegesfest des Guten über das Böse. Es geht im religiösen Kern um die Vertreibung der Finsternis durch das Licht im Menschen und in der Welt. Für die schnell wachsende indische Vermögenselite sind die Feierlichkeiten religiöse und familiäre Höhepunkte sowie die Zeit für großzügige Spenden.
Gleichzeitig werden sie auch als Großereignisse orchestriert, die internationale Politik, Wirtschaft und Kultur anziehen. Indische Milliardäre sind Weltmeister der prachtvollen Inszenierung, aber ihre tiefe kulturelle Verwurzelung ist fundamental.
Wir sehen, auch die Milliardäre sind Wurzelwesen, die ohne ihre Herkunft nicht verstehbar sind. In den kommenden Jahrzehnten wird sich an ihrer Rolle für die Menschheit eine entscheidende Zukunftsfrage entzünden: Werden diese extremen Vermögens- und Machtträger zu Akteuren des Gemeinwohls oder zu einer parallel abgetrennten, zunehmend souveränen Eigenzivilisation?
Der Trend ist ambivalent, aber eindeutig: Der Abstand zwischen Mittelschichten und Superreichen wird immer gewaltiger. Die Superreichen werden für das Schicksal der Welt wichtiger und zugleich unberechenbarer.
Die zentrale Herausforderung liegt darin, dass ihr Handlungsspielraum global wächst, während ihre gesellschaftliche Einbettung schrumpft. Da die Milliardäre überall auf der Welt ihre philanthropische Verantwortung unter Beweis stellen, geht es nun um ihre ultimative Selbsterkenntnis: Stehen sie über der Menschheit, oder sind sie untrennbar mit ihr verbunden? Frohe Weihnachten.
Thomas Druyen ist Professor für Soziologie. An der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien leitet er das Institut für Vergleichende Vermögenskultur und Vermögenspsychologie sowie das Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement. Er schreibt an dieser Stelle alle 14 Tage die Kolumne „Der Vermögenspsychologe“.
Erstpublikation: 19.12.2025, 4 Uhr