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AnalyseFünf Thesen zur neuen Rolle der Notenbanken

Geldpolitik und Finanzpolitik wachsen immer mehr zusammen. Das mildert Risiken, schafft aber auch neue. Die Kooperation ist auch nach der Krise nötig.Frank Wiebe 25.03.2020 - 04:16 Uhr

Die Rollen von Finanz- und Geldpolitik verschwimmen.

Foto: Bloomberg

Frankfurt. Das Aufsehen war fast so groß wie bei der Wahl eines neuen Papstes: Als Deutschland sein großes Hilfspaket schnürte, schrieb Allianz-Ökonomin Katharina Utermöhl: „Habemus monetary-fiscal coordination!“ Mit diesem Ausruf wollte Utermöhl klarmachen, dass jetzt Geld- und Finanzpolitik eng zusammenrücken.

Die Notenbankkreise selbst wissen ebenfalls, dass es sich hier um einen Paradigmenwechsel handelt, auch wenn sie nicht aussprechen, dass die Geldpolitik in ganz neue Dimensionen vorstößt. Daher hier fünf Thesen zur neuen Rolle der Notenbanken.

Erstens: Die Hauptaufgabe der Notenbanken ist jetzt, Liquidität bereitzustellen.

Das wird bei der Fed in den USA überdeutlich, die zurzeit in allen möglichen Märkten interveniert, damit sie weiter funktionieren - am Montag mit einem neuen Riesenprogramm. Sie ist bereits Staatsfinanzierer und wird nun zu einer Art Super-Geschäftsbank. Aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) mobilisiert die Finanzierung von Unternehmen und Staaten. Historisch gesehen haben Notenbanken so einmal angefangen - als primäre Geschäftsbanken und zugleich Staatsfinanzierer.

Zweitens: Diese Verschiebung hat in Europa größere Bedeutung als in den USA.

In Europa fehlt ein zentraler Haushalt, der nennenswerte Summen mobilisieren könnte. Vielleicht ändert sich das, und wir werden gemeinsam begebene Corona-Bonds sehen. Aber bisher arbeiten die Staaten im Euro-Raum weitgehend für sich allein, und die EZB ist die einzige Institution, die wenigstens einen gewissen Ausgleich schaffen kann.

Drittens: Die heutige Situation nähert sich sehr dem Konzept an, das als Modern Monetary Theory (MMT) bekannt ist.

MMT fasst Notenbanken und Regierungen zu einem öffentlichen Sektor zusammen. Dieser Sektor finanziert sich in erster Linie über die Notenbanken, die Geld bereitstellen. Damit das nicht in Inflation ausartet, schöpfen die Regierungen über Steuern Geld ab. Die Rollen von Finanz- und Geldpolitik sind also laut MMT genau andersherum als gewöhnlich unterstellt.

Was wir jetzt voraussichtlich sehen werden, ist eine Explosion der Staatsschulden, aber zugleich eine deutlich ausgeweitete Übernahme dieser Schulden durch die Notenbanken. Rechnet man beide Sphären zusammen wie bei MMT vorgesehen, dann verschwinden die von den Notenbanken gekauften Schulden, sie werden eine Art interner Saldo. Das ist ja auch realistisch: Für das Angebot auf dem Kapitalmarkt zählen sie nicht mit. Was aber deutlich zunimmt, ist die zur Verfügung gestellte Geldmenge. Anders gesagt: Die öffentliche Hand finanziert ihre Aufgaben, indem sie Geld produziert.

Viertens: Um aus der heutigen Situation herauszukommen, müssen Geld- und Finanzpolitik wieder eng zusammenarbeiten.

Zunächst ist es schwierig, sich vorzustellen, wann und wie die Coronakrise überwunden wird und wie die Welt danach aussieht. Aber mit ziemlicher Sicherheit dürften die ausgewiesenen Staatsschulden und die Bestände der Staatsschulden bei den Notenbanken deutlich höher sein als heute. Zugleich dürfte die Menge an Liquidität, die die Notenbanken ins Finanzsystem gepumpt haben, immens sein. Ob damit die Liquidität für die Endverbraucher, die ja letztlich auf der Geldschöpfung der Geschäftsbanken beruht, auch so viel höher ist, kann man heute kaum absehen. Auch die künftige Inflationsgefahr ist schwer abzuschätzen. Sie könnte auch davon abhängen, wie schnell sich die Wirtschaft dann erholt.

In jedem Fall kann es passieren, dass sich die gesamte Situation sehr schnell ändert. Und dann wird es darauf ankommen, dass Finanz- und Geldpolitik aufeinander abgestimmt handeln, um entweder eine Inflation zu verhindern oder umgekehrt zu vermeiden, dass eine drohende Deflation dazu führt, dass die Konjunktur gleich wieder abgewürgt wird.

Fünftens: Das Tabu einer engeren Abstimmung von Finanz- und Geldpolitik dürfte mit langfristiger Wirkung gefallen sein.

Dieses Tabu wackelte schon vor der Coronakrise. Die strikte Betonung einer unabhängigen Geldpolitik kam auf, um Inflation zu vermeiden. In Zeiten tendenziell hoher Inflation gibt es einen Zielkonflikt zwischen den Ausgabenwünschen der Regierung und dem Ziel der Preisstabilität. Damit in diesem Konflikt die Preisstabilität nicht jedes Mal untergeht, ist eine unabhängige Geldpolitik wichtig. Wenn wie in den letzten Jahren eher eine zu niedrige Inflation das Problem ist, dann ergänzen sich Geld- und Finanzpolitik eher, der Konflikt existiert nicht. Deswegen haben die Notenbanken ja schon lange Unterstützung von der Finanzpolitik gefordert.

Sollte es nach der Coronakrise wieder zu einem Anziehen der Inflation kommen, könnte der Konflikt erneut auftauchen. Aber wenn bis dahin Notenbanken und Regierungen aus der Not heraus eng zusammengearbeitet haben, dürfte von dieser Kooperation doch etwas übrigbleiben.

Was folgt aus alledem? Die Staatsverschuldung ist harmloser, als sie aussieht, weil sie durch die Notenbanken aufgefangen werden kann. Und wenn in der Not Tabus durch eine De-facto-Kooperation ersetzt werden, können wir aus der Situation auch wieder vernünftig herauskommen.

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