Kommentar: Apple führt die Konkurrenz vor

Die Vorstandsvorsitzenden von Microsoft, SAP oder Google haben ihren Kunden in den vergangenen anderthalb Jahren nicht weniger als eine Revolution versprochen. Künstliche Intelligenz (KI), hieß es immer wieder, werde sie effizienter arbeiten lassen und von lästigen Aufgaben befreien. Mehr Muße und weniger Plackerei, lautete die Verheißung.
Einstweilen jedoch änderte sich im Alltag kaum etwas. Microsofts Assistent „Copilot“ konnte nun Konferenzen zusammenfassen und Texte kürzen. Die Bedienung wesentlicher Programme wie Outlook oder Teams blieb jedoch frustrierend. Standardfunktionen wie die Suche sind erstaunlich unzuverlässig. Googles KI-Werkzeuge fielen mit Fehlern auf – auch wenn die Technologie dahinter sehr leistungsfähig ist.
Ausgerechnet Apple, das lange so wirkte, als hätte es die Revolution verschlafen, könnte das KI-Versprechen nun wirklich einlösen.
Dabei sind die neuen KI-Funktionen, die Chef Tim Cook und sein Team am Montag vorstellten, auf den ersten Blick simpel. Texte korrigieren, E-Mails zusammenfassen, Fotos nach Inhalt durchsuchen – das können andere auch. „Apple Intelligence“ kann keine Anwaltsprüfungen bestehen oder fotorealistische Bilder generieren.
Die Stärke des Systems aber liegt in der intimen Beziehung, die der Konzern zu seinen Kunden pflegt. Und in der Fähigkeit, selbst komplexe Technologie so zu inszenieren, dass sie auch Laien nutzen wollen. Eine Disziplin, in der etwa Microsoft trotz aller KI-Rekorde versagt.
Enorme Kraft der Kleinigkeiten
Viele Nutzer vertrauen ihren Apple-Geräten und -Apps Kontakte, Termine, Fotos, Lieblingswebsites und Gesundheitsdaten an. Über eine vergleichbar breite wie dichte Datenbasis verfügt kein Konkurrent. Apple will diese Informationen nun verknüpfen und zueinander in Beziehung setzen. Darin steckt ein immenses Potenzial.
Gleichzeitig hat der Konzern KI offenbar dort integriert, wo sie besonders viel Sinn ergibt. An vielen Stellen im Betriebssystem iOS etwa, um die Suche genauso zu erleichtern wie das Ausfüllen von Formularen. Nutzer müssen nicht zwingend den Assistenten Siri um Hilfe bitten, um von den neuen KI-Funktionen zu profitieren. Sie sind einfach da, wo sie gerade gebraucht werden.
Zusammengenommen können diese scheinbaren Kleinigkeiten eine enorme Kraft entfalten. Vielen Nutzern dürfte so erstmals bewusst werden, was moderne KI leisten kann. Das Abstrakte würde konkret. Und moderne KI-Systeme damit zum Massenprodukt. Keine schlechte Voraussetzung dafür, dass es mit der Revolution bald richtig losgeht.
Erstpublikation: 11.06.2024, 09:20 Uhr.