Kommentar: Die EU darf den Angriff auf den Rechtsstaat in Ungarn nicht tatenlos hinnehmen
FILE PHOTO: Hungarian Prime Minister Viktor Orban speaks during a business conference in Budapest, Hungary, March 10, 2020. REUTERS/Bernadett Szabo/File Photo
Foto: ReutersViktor Orban ist am Ziel. Der ungarische Ministerpräsident wird am Montag sein Notstandsgesetz im Kampf gegen die Coronakrise mit der Zweidrittelmehrheit seiner rechtspopulistischen Partei Fidesz im Budapester Parlament durchsetzen. Spätestens jetzt dürfte auch dem Letzten klar sein, dass der Premier sein Land Stück für Stück in eine Autokratie verwandeln will.
Denn das „Ermächtigungsgesetz“ schafft die Voraussetzung dafür, Ungarn per Dekret ohne die Kontrolle des Parlaments zu regieren. Zudem kann der Regierungschef Wahlen verhindern und die wenigen regierungskritischen Medien wegen angeblicher Falschnachrichten sanktionieren – bis hin zu Gefängnisstrafen.
Mit Demokratie hat all das nicht mehr viel zu tun. Und Europa ist derzeit kaum in der Lage zu intervenieren. Es befindet sich angesichts der Corona-Pandemie in einer politischen Schockstarre. Orban nutzt dies geschickt für seine Zwecke aus, um seinem Modell einer „illiberalen Demokratie“ zum Durchbruch zu verhelfen.
So schwer die derzeitige Lage für die EU in der Coronakrise ist, sie darf diesen klaren Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat in Ungarn nicht tatenlos hinnehmen. Tatsächlich ist die innenpolitische Machtbasis Orbans gar nicht so gefestigt, wie die Strategen in Brüssel annehmen.
Während der Flüchtlingskrise hatte es der Premier noch leicht, einen ausländischen Sündenbock für die teilweise schwierigen ökonomischen Verhältnisse im Inland zu finden. In der Coronakrise geht das nicht mehr. Die Wucht der Pandemie droht das ohnehin marode Gesundheitssystem zum Einsturz zu bringen.
Vor allem sind die hohen Wachstumsraten passé, welche Korruption und Klientelwirtschaft lange überdeckt haben. Auch ausländische Investitionen ziehen sich zunehmend zurück. Das wird zwangläufig zu Enttäuschungen und Protesten bei den Bürgern führen. Orban weiß das. Deshalb ist ihm der legislative Putsch als Notfallplan für den Machterhalt so wichtig.