Kommentar: Der sicherheitspolitische Schwenk ist einer SPD unwürdig
Die neuen SPD-Vorsitzenden sprechen sich gegen weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr aus.
Foto: ReutersDie Große Koalition strebt nicht nur in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auseinander. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik steht die Bundesregierung vor einer Zerreißprobe. Denn die neuen Parteivorsitzenden inszenierten die SPD auf dem Parteitag als Anti-Militär-Partei.
Kaum eine Aussage zog so viel Applaus auf sich wie die Warnung von Norbert Walter-Borjans vor einer „Militarisierung der Außenpolitik“, mit der er Auslandseinsätze der Bundeswehr meinte, um im gleichen Atemzug Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu unterstellen, sie wolle die Bundeswehr an möglichst viele Orte in der Welt schicken.
Das Gefährliche daran: Bleibt es bei einer derart pauschalen Ablehnung jeglicher Bundeswehreinsätze, die in dieser Ausschließlichkeit nur die Linkspartei vertritt, wäre Deutschland nach außen gelähmt.
Bisher vertritt die Bundesregierung in Europa und in der Nato einen „vernetzten Ansatz“ in der Außen- und Sicherheitspolitik: Diplomatie und Entwicklungshilfe sollen Hand in Hand gehen, und wo nötig soll auch die Bundeswehr dieses Engagement gemeinsam mit europäischen Verbündeten absichern, zum Beispiel in den unter Staatszerfall und zunehmendem Terrorismus leidenden Ländern des Sahels.
Wenn jetzt ein Koalitionspartner mal eben die Bundeswehr aus dem Konzept streicht, ist gegenüber den europäischen Partnern, allen voran Frankreich, völlig unklar, ob diese sich auf die Bundesregierung noch verlassen können.
Ein wenig Hoffnung bleibt allerdings, dass die SPD möglicherweise doch nicht den Weg der leichten Zustimmung von links geht: Der Beschluss, dem der Parteitag zustimmte, fiel längst nicht so apodiktisch gegen Auslandseinsätze aus, wie es die Reden befürchten ließen. In der Analyse, dass die internationale Ordnung der Zeit nach dem Kalten Krieg schwankt, weicht die SPD nicht vom Konsens mit der Union ab.
Die Bundesregierung muss einheitlich auftreten
Sogar von „zivil-militärischer Verzahnung“ der Krisenpolitik für Afghanistan, Mali und den Nahen Osten ist die Rede. Konkret wird zwar auch der Beschluss immer nur, wenn es um Friedensvermittlung, Abrüstung und Entwicklungshilfe geht. Doch die verteidigungspolitische Zusammenarbeit in der EU immerhin will die SPD weiter unterstützen.
Heikel bleibt die SPD-Aufstellung trotzdem. Gegenüber anderen Staaten muss die Bundesregierung einheitlich auftreten. Die Fraktionen von Union und SPD müssen dringend klären, was die deutsche Position für Einsätze an den EU-Außengrenzen ist. Es wäre einer SPD unwürdig, sich darauf zurückzuziehen, dass doch Frankreichs Soldaten bereits gegen Islamisten kämpfen – und Deutschland künftig sogar die bisherige logistische Unterstützung infrage stellen soll.
Mehr: Die Gesellschaft braucht einen Kitt – und könnte ihn in einer allgemeinen Dienstpflicht finden, meint Handelsblatt-Redakteur Thomas Sigmund.