Kommentar: Ein Kanzler auf Abwegen: Wie Olaf Scholz Europa weiter schwächt
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trägt die EU, während Olaf Scholz andere Wege geht.
Foto: Kostas KoufogiorgosSelten wurde Europa seinem Anspruch gerecht, erstens auf internationaler Bühne souverän zu agieren und zweitens ein Hort demokratischer Kultur zu sein. Noch nie allerdings war der alte Kontinent so weit entfernt von seinen Ansprüchen wie in diesen Tagen.
Das Bild, das Europa in der wohl schwierigsten geopolitischen und ökonomischen Lage seit Ende des Zweiten Weltkriegs abgibt, könnte trister kaum sein:
Da tritt im EU-Gründungsland Italien mit Giorgia Meloni eine Postfaschistin als Ministerpräsidentin an. Sie inszeniert sich als eiserne Kämpferin gegen Brüssel und Berlin. Für Europa sei „der Spaß vorbei“, sagt sie: Italy first.
Da ist Großbritannien, das eine für einen reifen Industriestaat beispiellose Staatskrise erlebt. Die Schuld trägt eine radikalisierte konservative Partei, die in ihrem Brexit-Wahn („Wir wollen die Kontrolle zurück“) völlig die Kontrolle verloren und sich nun mit dem Rücktritt der libertären Liz Truss bis auf die Knochen blamiert hat.
Ausgerechnet die Kapitalmärkte setzten dem ebenso waghalsigen wie marktradikalen Experiment aus drastischen Steuersenkungen, grenzenloser Deregulierung und exzessiver Schuldenpolitik ein jähes Ende. 45 Tage dauerte das Interregnum – und nicht nur Großbritannien, auch Europa trägt den Schaden dieses Realitäts- und Kontrollverlustes in einem Land, dessen geo- und sicherheitspolitische Tradition in diesen Kriegszeiten mehr denn je gebraucht wird.