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KommentarHelikopter-Geld der Notenbanken ist weniger abwegig als gedacht

Wenn die Wirtschaft einbricht und die Regierungen nichts dagegen tun, könnten radikale Schritte folgen. Einer wäre die Geldüberweisung an Bürger.Frank Wiebe 04.12.2019 - 12:10 Uhr

Helikoptergeld galt lange als theoretisches Konzept, doch inzwischen erwähnen Notenbanker das Konzept häufig.

Foto: IMAGO

Frankfurt. Hubschrauber-Geld: auf den ersten Blick ein verrücktes Konzept. Auf den zweiten Blick zeigt sich: Wir sind heute schon relativ nah daran. Man hört den Hubschrauber quasi schon über den Wolken kreisen.
Ben Bernanke, ehemaliger Chef der US-Notenbank (Fed), hat die Idee vor Jahren bekannt gemacht. „Helikopter-Ben“ wurde er deswegen manchmal genannt. Er sagte: Wenn gar nichts anderes mehr helfe, könne die Notenbank auch einfach Geld vom Hubschrauber aus in die Menschenmenge abwerfen.

Rein technisch würde „Helicopter-Money“ so nicht ablaufen. Aber das Konzept beinhaltet in der Tat, Geld so direkt wie möglich den Bürgern zur Verfügung zu stellen. Das klingt nach Gelddrucken, nach Bezahlung mit Kilo-Paketen von Banknoten, wie in der großen deutschen Inflation der 1920er Jahre. Es muss aber nicht so ausarten.

Das Konzept klingt so schräg, dass nur selten offen und ernsthaft darüber diskutiert wird. Aber es ist nicht schwer, sich ein Szenario vorzustellen, in dem die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Notenbanken ihr Arsenal an ausgefallenen Instrumenten doch noch um den Einsatz von Hubschrauber-Geld erweitern.

Denn was sonst sollten sie tun, wenn es zu einer deutlichen Rezession oder sogar Finanzkrise kommt, die Politik versagt und die bisher eingesetzten Mittel abgestumpft sind? Ein solches Szenario ist gerade in Europa nicht so unwahrscheinlich.

Denn in Krisensituationen besteht die Gefahr, dass jedes Land finanzpolitisch nur an sich denkt. Wenn die Investoren in einer Krise das Vertrauen in europäische Staatspapiere verlieren, besteht für die Regierungen der Anreiz, sich selbst möglichst weit oben auf der Bonitäts-Skala zu platzieren, also zu sparen und damit die Wirtschaft weiter zu schwächen. Abhilfe könnte ein starker europäischer Haushalt schaffen – aber den gibt es nicht.

Geld für die Staatskasse oder das Portemonnaie?

Es gibt zwei Varianten von Hubschrauber-Geld. Bei der ersten würde das Geld immer noch über die staatlichen Haushalte fließen, aber sollte möglichst direkt den Verbraucher erreichen. Davon sind wir gar nicht mehr so weit entfernt: Wenn Notenbanken Staatsanleihen kaufen, fließt ihr Geld in den Staatshaushalt.

Die radikale Variante wäre, das Geld direkt an die Bürger zu überweisen. Versetzen wir uns ein paar Jahre in die Zukunft, in der Notenbanken eigenes Krypto-Geld herausgeben und Bürger digitale Identitäten haben: Dann wäre es möglich, einfach jedem Erwachsenen einen bestimmten Betrag zuzuteilen.

Beide Varianten sind mit Problemen behaftet. Aber das gilt auch für die bisher genutzten geldpolitischen Instrumente. Hubschrauber-Geld hätte auch handfeste Vorteile: Es würde direkt bei den Konsumenten landen, statt im Finanzsystem die Kurse aufzublähen.

Damit könnte es die Verbraucherpreise relativ gut stützen – und auf deren Stabilität zielt Geldpolitik ja ab. Außerdem hätte „Helicopter-Money“ in der radikalen Variante nichts mit Staatsfinanzierung zu tun.
Das Konzept des Hubschrauber-Geldes zeigt gewisse Parallelen zu der vor allem in Amerika bekannten Modern Monetary Theory (MMT) – die auch als ziemlich verrückt gilt. MMT kann in der Forderung münden, die Rollen von Geld- und Finanzpolitik zu vertauschen: Die Notenbank finanziert staatliche Ausgaben, die Finanzpolitik saugt mit Steuern so viel Geld ab, dass keine Inflation entsteht.

In den USA, wo Geld- und Finanzpolitik enger zusammenarbeiten als in der Eurozone, klingt das nicht ganz so abwegig wie bei uns, trotzdem stößt MMT auch dort bei etablierten Ökonomen auf Ablehnung. Das Konzept kann aber auch rein analytisch genutzt werden.

Dann gewährt es einen Blick von oben – quasi aus dem Hubschrauber heraus – auf die ökonomische Welt. Und da sieht man einen staatlichen Sektor, der auch die Notenbanken umfasst, dann den privaten Finanzsektor und die so genannte reale Wirtschaft. Was zeigt sich aus dieser Perspektive?

Keine neuen Schulden, mehr Geld im Umlauf

Nach konventioneller Sichtweise hat die Verschuldung seit der Finanzkrise vor gut zehn Jahre deutlich zugenommen. Das gilt vor allem für die Staatsverschuldung, die am besten als Prozentsatz des Bruttoinlandprodukts (BIP) beschrieben wird.

Beim Blick aus dem MMT-Hubschrauber sieht es anders aus. Weil ein großer Teil der Staatsschulden von den Notenbanken gekauft wurde, ist die Verschuldung des zusammengefassten öffentlichen Sektors recht stabil geblieben.

Kein Wunder angesichts der Tatsache, dass die EZB ihre Bilanzsumme durch Anleihekäufe auf und 40 Prozent des BIP aufgepumpt hat. Zugenommen hat allerdings die Geldmenge, wenn auch weniger dramatisch als man meinen könnte, denn ein guter Teil der neu geschaffenen Liquidität bleibt im Finanzsystem stecken und erreicht gar nicht die Realwirtschaft.

Trotzdem zeigt sich: Wenig neue Verschuldung, mehr Geld im Umlauf. Das erklärt, warum die Nachfrage nach Staatsanleihen das Angebot übersteigt und die Zinsen drückt. Und es sieht sehr stark nach dem aus, was Hubschrauber-Geld bewirken würde: keine neuen Schulden, aber mehr Geld im Umlauf.

Mehr: Vier namhafte Ökonomen im Dienst von Blackrock, darunter Stanley Fischer, diskutieren einen radikalen Vorschlag: Geld drucken und es direkt den Bürgern zur Verfügung stellen.

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