Kommentar: KI braucht Hirn, nicht Größenwahn


Der Nvidia-Chef tourte in den vergangenen Tagen durch Europa, traf Emmanuel Macron, Keir Starmer und Friedrich Merz – und verkaufte dabei vor allem eines: das Versprechen, dass ohne seine Chips keine Zukunft denkbar ist. Es ist ein erfolgreiches Narrativ. Es ist aber überzogen.
Jensen Huang ist der perfekte Verkäufer. Aber es ist schon schräg, wenn sich Staatschefs dafür feiern lassen, weil ein US-Konzern in ihren Ländern Hardware verkauft – nicht umgekehrt. Europa will im globalen Wettrennen um die Rechenpower für Künstliche Intelligenz (KI) nicht völlig abgehängt werden. Die Euphorie droht die Realität zu überstrahlen.
Das fängt schon in den USA an. Der Ausbau der KI-Rechenzentren ist eines der größten Infrastrukturprojekte in der Geschichte. Allein Microsoft will in diesem Jahr 80 Milliarden Dollar in KI-Server stecken. Die Rivalen Amazon und Alphabet planen in ähnlichen Dimensionen.
Rechenzentren wachsen schneller als ihre Umsätze. Mitten im Milliardenrausch mahnt ausgerechnet der abgehängte IBM-Chef zur Vernunft – und hat damit mehr recht, als viele glauben wollen.
Ja, Arvind Krishna spricht aus der Defensive – aber nicht aus Unkenntnis. IBM ist selbst kein KI-Gigant mehr und könnte finanziell beim Wettrüsten der Hyperscaler vermutlich gar nicht mithalten. Seine Warnung vor der Blase ist vermutlich auch strategisch motiviert, aber technologisch begründet und damit so wichtig.
Deepseek hat alle überrascht
Große Sprachmodelle brauchen viel Rechenleistung. Wie viel genau ist jedoch offen. Das chinesische Start-up Deepseek hat gezeigt, dass sich leistungsfähige KI-Modelle mit viel weniger Rechenpower und damit auch Kosten trainieren und betreiben lassen, als viele im Silicon Valley bis dahin gedacht hatten. Das chinesische Start-up Minimax hat vor wenigen Tagen mit einem noch effizienteren Modell nachgelegt.






Im Silicon Valley ersetzt Investitionshöhe zunehmend die Innovationshöhe. KI braucht Strom, Speicher, Server – aber eben nicht unbegrenzt. Wer nur für heutige Modelle baut, riskiert, an der Zukunft vorbeizuplanen.
Europa darf nicht zum Trittbrettfahrer einer überhitzten Investitionslogik werden. Denn wenn die EU jetzt beginnt, Milliarden in KI-Rechenzentren zu stecken, ist das zwar prinzipiell sinnvoll – schon um sich unabhängiger von US-Konzernen zu machen. Aber es reicht nicht, nur mitzuziehen. Europa muss strategischer investieren. Digitale Souveränität heißt nicht, jede amerikanische Strategie zu kopieren – sondern eine bessere zu entwickeln.
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