Kommentar: Lidl und dm wollen auf Apotheke machen. Na und?

Die Drogeriemarktkette dm versendet künftig rezeptfreie Arzneimittel, auch Rossmann und Lidl könnten künftig als Online-Apotheken aktiv werden. Für die Vor-Ort-Apotheke wird es immer enger.
Denn klar ist: Der Strukturwandel im Apothekenmarkt ist noch lange nicht zu Ende. Das mag für die bisher durch den Staat beschützten Apotheker eine bittere Nachricht sein – für die Patienten aber eher das Gegenteil. Die Versorgung mit Medikamenten dürfte eher bezahlbarer und einfacher werden.
Allerdings sollte die Politik die gut 16.800 selbstständigen Apotheker auch nicht einfach in den Wettbewerb schubsen. Sollen diese dort eine faire Chance haben, brauchen auch sie eine Befreiung von über Jahrzehnte angesammelten Regeln.
Der Markt für Medikamente erlebt eher Evolution als Revolution
Lange Zeit galten Online-Versender wie Doc Morris und Shop-Apotheke für den stationären Apothekenbetrieb als größte Bedrohung. Tatsächlich hat der Apothekenversandhandel dank kräftiger Preisnachlässe inzwischen mit 3,5 Milliarden Euro Umsatz ein Viertel des Marktes für freiverkäufliche Gesundheitsprodukte erobert.
Angesichts der zwei Jahrzehnte, die dieses Wachstum gebraucht hat, ist das aber eher eine evolutionäre als eine revolutionäre Entwicklung. Würden nach dm und Rossmann auch Einzelhandelsriesen wie Lidl oder Aldi oder gar Amazon in den Markt eintreten, dürfte diese Entwicklung beschleunigt werden.
Den Apotheken bliebe immer noch ein mehr als 60 Milliarden Euro schwerer Markt für verschreibungspflichtige Medikamente. Zwar erobern ausländische Versender mithilfe des elektronischen Rezepts auch hier gerade Raum. Doch die nicht einmal zwei Prozent Marktanteil deuten auch hier auf eine eher evolutionäre Entwicklung hin.
Noch haben die stationären Apotheken in Deutschland also Zeit zu reagieren. Aber sie sind in ihrem Spielraum stark eingeschränkt. Über die Jahre ist ein Korsett an Regularien entstanden, das die Apotheker eigentlich vor ruinösem Wettbewerb schützen soll. Nun dürfte es sie aber bei der Verteidigung gegen neue Konkurrenten behindern.
Die drei größten Hemmnisse für Innovationen bei Apotheken
Beispiel Fremd- und Mehrbesitzverbot: Deutsche Apotheker dürfen keine Investoren in ihre Apotheke holen und nicht mehr als insgesamt vier Apotheken besitzen. Deshalb agieren Unternehmen und Kapitalgesellschaften wie dm und Doc Morris aus dem benachbarten Ausland. Findige Vor-Ort-Apotheken in Deutschland, die ihre Services gerne ausbauen wollen, sind bei der Suche nach frischem Kapital klar im Nachteil.
Beispiel Rabattverbot: Wer guten Kunden in seiner Apotheke einen Rabatt oder Bonus geben will, holt sich gleich die Klage der Konkurrenz ins Haus. Laut dem deutschen Arzneimittelgesetz dürfen Apotheken keine Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente geben. EU-Versandapotheken tun dies aktuell wieder.
Beispiel Vergütung: Die viel zitierten Apothekenpreise verhelfen vielen Pharmazeuten schon lange nicht mehr zu auskömmlichen Einnahmen. Seit mehr als zwölf Jahren ist der Festzuschlag, den der Apotheker für die Abgabe eines Medikaments bekommt, festgeschrieben – ungeachtet aller Kostensteigerungen.
Vielleicht ist es an der Zeit, einmal das große Bild zu zeichnen: Welche Versorgung mit Medikamenten in Deutschland wollen wir? Und was wollen wir dafür bezahlen?
Welche disruptiven Veränderungen den Markt der Medikamentenversorgung auch treffen können, zeigen derzeit die USA. Dort hat Amazon als Apotheke bereits eine Führungsrolle übernommen. Und was ist, wenn Hersteller hochpreisige Medikamente künftig gleich selbst über digitale Plattformen vertreiben? Oder über eine öffentliche, wie sie Präsident Trump mit seiner TrumpRX-Plattform etablieren will?
Vieles deutet darauf hin, dass der Vorstoß von Drogerien und Discountern in den deutschen Apothekenmarkt nur eine Randnotiz im Wandel ist. Oder der entscheidende Impuls für die Apotheker, sich dem Wandel zu stellen.