Kommentar: Ohne kluge Digitalisierung steht Deutschland vor einem Impf-Desaster
Der Freistaat Bayern und das Bundesland Hessen wollen ab Mitte Dezember jeweils bis zu 30.000 Menschen pro Tag den Impfstoff verabreichen, in Berlin sind es 20.000. Das sind unvorstellbare Zahlen, die ohne digitale Hilfen gar nicht zu schaffen sind.
Foto: ReutersDie Bundesrepublik rüstet sich für die größte Massenimpfung ihrer Geschichte. Millionen Ampullen müssen in kürzester Zeit den Weg zu Risikopatienten, Krankenhaus- und Pflegepersonal und irgendwann jedem finden, der sich gegen das Coronavirus schützen möchte.
Diese Mammutaufgabe darf nicht zu einem digitalen Desaster wie die Kontaktnachverfolgung werden. Je weiter die Infektionszahlen anfangs stiegen, desto mehr waren die Gesundheitsämter damit überfordert – digitale Hilfen hin oder her. Vielerorts kann gar nicht mehr nachvollzogen werden, wer mit einem Coronapatienten Kontakt hatte. Da hilft auch die Corona-Warn-App wenig. Man stelle sich dieses Versagen in den Impfzentren vor – die Folgen wären dramatisch.
Der Freistaat Bayern und das Bundesland Hessen wollen ab Mitte Dezember jeweils bis zu 30.000 Menschen pro Tag den Impfstoff verabreichen, in Berlin sind es 20.000. Das sind unvorstellbare Zahlen, die ohne digitale Hilfen gar nicht zu schaffen sind. In der Hauptstadt klagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) etwa darüber, dass das elektronische Impfregister des Robert Koch-Instituts noch nicht da sei. Es brauche Vorlaufzeit, um das System auf die Computer zu spielen.
Was nach einer Kleinigkeit klingt, kann in einem Albtraum enden: Jeder Tag, an dem Risikogruppen wie ältere Menschen in Pflegeheimen dem Virus ungeimpft ausgesetzt sind, ist ein Tag zu viel. Die Quittung sind steigende Infektions- und Todeszahlen, auf die wir jeden Morgen blicken. Hinzu kommt ein Teil-Lockdown, der Jobs und Wohlstand vernichtet.
Impf-App ist Teil der Corona-Impfstrategie
Bund und Länder wollen mit aller Macht und auch digitalen Mitteln dagegen ankämpfen. Eine Impf-App soll Nebenwirkungen dokumentieren und damit die Akzeptanz der Impfungen in der Bevölkerung hoffentlich erhöhen. Das elektronische Impfregister ist auf einem guten Weg. Und Termine sollen nicht nur telefonisch, sondern auch digital vergeben werden.
Spahn rechnet mit Impfstoff-Zulassung „rund um den Jahreswechsel“
Foto: HandelsblattDas ist der Vorteil dieser Impfwelle, die so noch niemand erlebt hat. Wenn völlig neue Prozesse geschaffen werden müssen, kann niemand die Losung der Fortschrittsfeinde trommeln: „Das haben wir immer schon so gemacht, warum sollen wir es jetzt anders regeln?“ Digitale Lösungen können von Anfang an etabliert werden.
Sie müssen sich nicht erst in einem völlig verstaubten System durchkämpfen wie etwa in den Gesundheitsämtern, die schon vor der Pandemie Kontakte telefonisch nachverfolgten – und trotz mittlerweile besserer digitaler Lösungen immer noch zum Hörer greifen. Bei der Impfstrategie besteht tatsächlich noch die Chance, dass sie zu einem digitalen Vorzeigeprojekt werden kann. Hoffen wir, dass es klappt.