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KommentarWas der Ampelhass über die Deutschen aussagt

Die zumindest in Teilen irrationale Dauerkritik an der Regierungskoalition zeugt vor allem von einem: einem falschen Staatsverständnis. Sven Prange 13.02.2024 - 11:45 Uhr
Unbeliebtes Trio: Kanzler Scholz (rechts), Stellvertreter Habeck und Lindner. Foto: dpa

Nun ist es nicht so, dass CSU-Generalsekretäre bisher durch besondere inhaltliche Ambitionen aufgefallen wären. Martin Huber aber, der derzeit Amtierende auf diesem Posten, schafft in dieser Hinsicht noch einmal Herausragendes.

Mehrere Hundert Millionen Euro, ließ er seine Zielgruppen gerade wissen, verpulvere die Ampel für den Bau von Radwegen in Peru. Für die heimischen Bauern aber fehle das Geld. Das Tückische an dieser Pointe: Statt mehrerer 100 geht es um 44 Millionen Euro – und das Geld für jene Radwege hatte einst sein Parteikollege Gerd Müller im Amt des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit bewilligt.

Dass Huber sich diese Anekdote dennoch traut, zeigt eins: Das Ansehen der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ist mittlerweile republikweit auf einem derartigen Tiefpunkt angekommen – das sonntägliche Nachwahlergebnis in Berlin unterstreicht es angesichts der Verluste von SPD und FDP –, dass jeder glaubt, auf Kosten eben jener Koalition Profite erzielen zu können.

Wird schon niemand widersprechen, wenn man die Ampel schlägt. Nach demselben Prinzip verfahren gesellschaftliche Gruppen wie die Bauern, die Arbeitgeber, die Gewerkschaften, selbst viele Familienunternehmer.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz wenn vielleicht auch nicht geführte, so zumindest doch verantwortete Regierungskoalition ist ja auch kein wirkliches Erfolgsmodell, die Kritik an ihr kann also in der Sache gerechtfertigt sein. Die Frage muss aber erlaubt sein, ob sie in der Form nicht das Maß verloren hat.

Es ist das eine, dieser Ampel in Umfragen davonzulaufen, sodass alle drei Parteien zusammen derzeit weniger Zuspruch haben als die Union allein. Aber dieser regelrechte Ampelhass, der sich in Teilen des Landes breitmacht, sagt womöglich mehr über das Land und seine Leute aus als über diese Koalition.

Oder anders gefragt: Kann es sein, dass der Grund für den Ampelhass nicht nur schlechte Politik ist, sondern auch falsche Erwartungen der Menschen an den Staat?

Überzogene Erwartungen der Interessengruppen

Da sind die Landwirte, die einen Abbau von Subventionen einfach zu Steuererhöhungen umdeuten und dabei etwas aus dem Blick verlieren, dass die von ihnen entfachte Anspruchshaltung und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung so recht nicht zusammenpassen.

Da sind Teile der energieintensiven Industrie, die die Verantwortung für den Ersatz billigen russischen Gases als Grundstoff für die Chemie-, Stahl- oder Glasindustrie in der Politik sehen statt am Markt.

Da ist die Autoindustrie, die den Wegfall von Kaufprämien oder den fehlenden Bau von Stromtankstellen flugs zum Politikversagen erklärt, anstatt selbst die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sie ihre E-Auto-Ziele erreicht.

Da sind Gasheizungskunden, die die Versorgung mit billigem Gas aus Russland bis heute nicht als glücklichen, moralisch aber anrüchigen Zufall der Geschichte sehen, sondern als Grundrecht.

Und da ist insgesamt eine Wahlbevölkerung, die glaubt, sie habe ein Anrecht, dass sich ihr Alltagsleben weder ändert noch verteuert – unabhängig davon, was in der Welt gerade so passiert.

Die trügerische Sicherheit der GroKo-Jahre

So zeigt sich nun, dass die Deutschen in den vielen Jahren der Großen Koalition ein falsches Bild vom Staat als Alleskönner erhalten haben:

  • Versetzte die Finanzkrise die Wirtschaft in Schockstarre? Der deutsche Steuerzahler beruhigte mit seinem Geld zunächst die Banken und dann die Bankkunden.
  • Drohten während Corona Verdienstausfälle? Der deutsche Staat glich sie fast jedem aus.
  • Wurde das Gas nach Russlands Überfall auf die Ukraine teuer? Der deutsche Staat zahlte einen Zuschuss.
  • Selbst als die Inflation anzog, was auch an den niedrigen Zinsen lag, mit denen der Staat zuvor all jene Wohltaten finanzierte, bemühte sich der Staat um Ausgleich.

Nachdem nun das Bundesverfassungsgericht per Haushaltsurteil der allzu großzügigen Politik Einhalt geboten hat, liefert der Staat nicht mehr. Und ein nicht unerheblicher Teil der Wahlbevölkerung rastet regelmäßig aus. Im Internet, auf der Straße, vermutlich später im Jahr auch an der Wahlurne.

Was jetzt helfen könnte

Vielleicht würde statt Dauerbeschimpfen der Regierenden – so schlecht deren Performance auch sein mag – noch mal ein kurzes Geraderücken der Prämissen für ein freiheitlich, sozial-marktwirtschaftlich organisiertes Miteinander helfen. Dann würden wir feststellen, was dem Land vielleicht auch aus seiner derzeitigen Krise helfen würde: mehr Glaube an die Chancen des Marktes zum Beispiel.

Eine Politik, die wenig liefert, könnte ja auch Anreiz sein, die Probleme unternehmerisch und eigeninitiativ zu lösen. Und dann bei der nächsten Bundestagswahl entsprechend zu wählen.

Denn ein Stück weit hat sich der Wähler das Elend auch selbst zusammengewählt. Der Historiker Andreas Wirsching wies gerade darauf hin, dass flügelübergreifende Koalitionen in einer parlamentarischen Demokratie selten funktionieren. Selbige brauche ein Pendel, dass mal nach links und mal nach rechts schlägt. Eine dauerhafte Kooperation über diese Gräben hinweg – sei es zwischen CDU und SPD, sei es zwischen SPD, Grünen und FDP – schüre regelmäßig Unzufriedenheit der Wählerschaft.

Wenn wir das beherzigen und der Wettbewerbsgedanke sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik wieder Einzug hält, dann fällt es vielleicht auch wieder leichter, diese Ampelkoalition als das zu betrachten, was sie wirklich ist: Eine schlechte Bundesregierung, die Deutschland vier Jahre lang schon irgendwie erträgt. Nicht weniger und nicht mehr.

Erstpublikation: 12.02.2024, 15:15 Uhr.

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