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LeserdebatteWarum ist die Bereitschaft so gering, in Start-ups zu investieren?

Die Stimmung bei den Start-up-Investoren hat sich verschlechtert, zeigt das Investorenbarometer. Die Handelsblatt-Leserschaft debattiert über Gründe und Lösungen. 15.02.2024 - 15:00 Uhr
In den ersten Monaten nach der Gründung schreiben die meisten Start-ups keine Gewinne. Umso wichtiger sind daher Investoren. Foto: DigitalVision/Getty Images

Die Bereitschaft, in junge Unternehmen und Start-ups zu investieren, ist gesunken, analysieren die Förderbank KfW und der Branchenverband BVK in ihrer jüngsten Studie zur Geschäftsstimmung deutscher Investoren. Der entsprechende Indikator sank im vierten Quartal 2023 um 8,1 Zähler auf minus 27,4 Punkte.

Unabhängig davon hatte die Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche verkündet, junge Unternehmen mit weiteren 1,75 Milliarden Euro aus dem Zukunftsfonds zu unterstützen.

Wir haben die Handelsblatt-Leserschaft gefragt, ob staatliche Förderung ein richtiger Schritt ist und warum die Bereitschaft, in Start-ups zu investieren, in Deutschland derzeit so niedrig ist.

Viele Leser sehen den Grund in der mangelnden Attraktivität des Unternehmensstandorts Deutschland. Durch die „Bürokratieverliebtheit“ in Kombination mit der „Risiko-Aversion“ fällt Deutschland im „globalen Wettbewerb“ weit zurück, meint ein Leser und erhält Zustimmung: Hohe Hürden und eine niedrige Geschwindigkeit würden in Deutschland herrschen, fügt ein anderer Leser hinzu.

Statt einzelne Start-ups finanziell zu unterstützen, solle der Staat sich besser darum kümmern, „steuerliche Anreize“ für Privatinvestoren zu schaffen, und die „Allokation des Kapitals“ an Profis übergeben, meint ein Leser. Überhaupt sei die staatliche Förderung keine gute Idee: „Subventionen haben noch nie ein Geschäftsmodell nachhaltig profitabel gemacht“, argumentiert ein anderer Leser weiter.

Die Situation sei momentan für Jungunternehmen schwierig: „Viele Start-ups haben derzeit auch mit höheren Zinsen zu kämpfen und schrumpfen, um sich gesundzusparen“, erklärt ein Leser. Erschwerend komme hinzu, dass es für Geldgeber mit aktuell „drei bis fünf Prozent Rendite“ auf gewisse Anlageklassen eine attraktive Alternative zum Start-up-Investment gäbe, meint ein anderer Leser.

Apropos Geldgeber: Die Personen, die hinter den Investitionsentscheidungen stehen, seien „eher nicht so progressiv“ und denken bei dem „Wort Start-up an Hoverboard fahrende Jünglinge“, findet eine Leserin. Dabei sei das genaue Gegenteil der Fall: Start-ups sind „Bereicherungen unserer wirtschaftlichen Landschaft“ mit „hochinteressanten“ Geschäftsideen, schreibt ein Leser und sagt daher „Ja, bitte“ zu den staatlichen Förderungen.

Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.

Investieren, um den Anschluss nicht zu verlieren

„‚Ja, bitte‘, kann ich nur sagen. Junge Unternehmen und Start-ups haben in aller Regel eine hochinteressante Geschäftsidee, die es häufig in dieser Form woanders noch nicht gibt. Dies stellt also eine Bereicherung unserer wirtschaftlichen Landschaft dar und hilft, Neues anzugehen und nicht nur ausgetretene Wege zu gehen.

In Deutschland sind wir aufgrund unserer Bürokratieverliebtheit und unserer sehr weit verbreiteten Risiko-Aversion nicht gerade gut aufgestellt im globalen Wettbewerb. Und dazu kommen dann noch die Effekte unserer demografischen Entwicklung, verbunden mit einem Schulsystem, das mehr pampern als fordern soll. Daraus werden keine unternehmerischen Typen.

Überhaupt, wenn Sie nach Übersee schauen, dort werden Start-ups und junge Unternehmen mit frechen Ideen gewaltig gefördert, auch in den dann erforderlichen Entwicklungsphasen-Finanzierungen. Hier sollten wir als Land massiv gegenhalten.

Nicht nur um die Ideen und damit die Chancen im Land zu halten, sondern auch um in vielen Bereichen nicht den Anschluss zu verlieren und im weltwirtschaftlichen Vergleich nicht immer weiter nach unten gereicht zu werden – mit massiven Folgen für unseren Über-Sozialstaat und unser Rentnerheer.“
Manfred J. A. Wengert

Steine statt Beine

„Staatliche Start-up-Förderprogramme umfassen äußerst selten Risikokapital. Man investiert lieber in ‚Steine statt Beine‛. Zudem ist der Staat äußerst selten innovativ.

Die Allokation des Kapitals sollte er daher Profis überlassen. Seine Ordnungsaufgabe ist eindeutig: Steuerliche Anreize schaffen, die Risikokapitalinvestitionen für private Investoren in Deutschland attraktiv machen.“
Philipp Grau

Weniger Bedarf an Nischenlösungen durch KI

„Viele Start-ups haben derzeit auch mit höheren Zinsen zu kämpfen und schrumpfen, um sich gesundzusparen. Mittelfristig dürfte das dazu führen, dass erfahrenes Personal irreversibel verloren geht.

Dazu kommt, dass es seit dem KI-Sprung deutlich weniger Bedarf für bestimmte Nischenlösungen gibt. Diese wiederum sind oft Kern des Geschäfts eines Start-ups, können jetzt aber auch durch Large Language Models wie ChatGPT oder Llama abgebildet werden. Zusammen senken diese Faktoren die Erfolgsaussichten für eventuelle Investoren deutlich ab.“
Leo Kuboschek

Hohe Rendite als Konkurrenz zu den Investitionen

„Die wiedererstarkte Zinsanlage mit aktuellen jährlichen drei bis fünf Prozent Rendite ist der größte Einflussfaktor und neuer Konkurrent für die Investitionsbereitschaft für unternehmerische, wachstumsorientierte Beteiligungen, die die Start-ups darstellen.

Zudem ist die unterentwickelte Börsenkultur, insbesondere die der Börsengänge, ein Faktor. Sie sind der Exit für Start-up-Investitionen. Hier müssen die Regularien freundlicher gestaltet werden.

Die aufsichtsrechtliche Strangulierung der Banken ist ein weiterer Faktor, hier muss Freiraum für die Banken hergestellt werden. Dann kann sich das bessern.“
Martin Hecher

>> Lesen Sie auch: Stimmung der Start-up-Investoren bleibt mau.

Weniger selbst wagen

„Der Grund dafür, ‚immer weniger selbst zu wagen‛, ist auch ablesbar an der gesunkenen Zahl der neugeborenen deutschen Kinder. Es könnte ein waberndes Konvolut von Zukunftsängsten dafür verantwortlich sein.

Leider fehlen hierzulande die früheren Mutmacher und die Politiker versprühen derzeit absolut keinen Lockstoff.“
Gotthard Elsner

Geringe Investitionsbereitschaft ist keine Überraschung

„Ich glaube nicht, dass staatliche Hilfe hier der richtige Ansatz ist. Ein Blick in die Zukunft verrät warum: Was machen denn dann jene neu gegründeten Firmen, für die nichts mehr von den geplanten 1,75 Milliarden übrig blieb beziehungsweise wenn das Förderprogramm ausgelaufen ist?

Für angemessener hielte ich es, wenn Institute einer Branche bei möglichen Neugründungen in derselben Branche unterstützen, das wäre vielleicht auch ressourcensparsamer. Vielleicht die staatliche Hilfe eher als Anreiz für die Mutterinstitute nutzen, wenn sie einem Start-up erfolgreich auf die Beine geholfen haben?

Im Übrigen darf sich niemand über die gesunkenen Zahlen bezogen auf die Investitionsbereitschaft wundern. Deutschland hat sich in der letzten Zeit ja nicht gerade als attraktiver Wirtschaftsstandort profiliert.“
Mahmud Khalaf

Einige Entscheidungstreffer würden bei dem Wort ‚Start-up‘ fälschlicherweise an „Hoverboard-fahrende Jünglinge“ denken, schreibt eine Leserin.   Foto: dpa

Businessplan versus Idee

„Ich selbst bin Buchautor zum Thema ‚kompetenzorientierte Personalentwicklung‛ und in der Gründungsphase eines Start-up-Unternehmens. Ich erlebe derzeit diese von Ihnen geschilderte Problematik der mangelnden Investitionsbereitschaft.

Die eigentliche Frage stellt sich doch in dem Zusammenhang: Wer trifft hinter den Kulissen die Entscheidungen, ob in ein Start-up-Unternehmen investiert wird oder auch nicht?

Das sind in der Regel Analysten, Banker, ‚Zahlenmenschen‛, die komplett fachfremd lediglich Businesspläne analysieren und aufgrund eines einzigen Dokuments entscheiden, ob gegebenenfalls investiert wird oder nicht. Kaum ein Analyst spricht mit einem Start-up-Unternehmen.

Im Gegenteil: Das Start-up-Unternehmen mit dem besten Businessplan hat die Chance, Geld von Investoren zu erhalten, und nicht das Unternehmen mit der besten Idee. Hierzu gibt es keine Korrelation.
Die Zahlen eines Businessplans sind vergleichbar mit der genauen Vorhersage des Aktienkurses der nächsten fünf Jahre (Glaskugel lesen). Weder das Start-up-Unternehmen noch der Analyst kann das beurteilen. Daher braucht es neue Wege, wie zum Beispiel ein mehrstufiges Verfahren, bei dem fachlich Beteiligte eine viel größere Rolle spielen sollten.“
Uwe Schirrmacher

>> Lesen Sie auch: Der große Einhorn-Check: Wer steigt ab, wer steigt auf?

Der Begriff ist vorbelastet

„Viele Investoren werden in dieser komplizierten Zeit lieber auf Altbewährtes vertrauen als ein zu großes Risiko eingehen. Ob das gut ist, weiß ich nicht.

Auch glaube ich, dass millionenschwere Investment-Entscheidungen eben oftmals genau von den Menschen getroffen werden, die ohnehin eher nicht so progressiv sind und die bei dem Wort Start-up an Hoverboard fahrende Jünglinge denken, die Matcha-Tee schlürfen, über Sneaker reden und das Geld ihrer Eltern mit sinnlosen, hippen Ideen verbraten. Ich jedenfalls habe solche Kommentare öfter gehört.
Schade eigentlich.“
Magdalena Ritzen

Subventionen haben noch nie nachhaltig geholfen

„Subventionen haben noch nie ein Geschäftsmodell nachhaltig profitabel gemacht. Investments werden nur gemacht, wenn es sich für den Investor lohnt.

In Deutschland lohnen sich aus bekannten Gründen nur sehr wenig Investments, Start-ups machen da nicht wirklich einen Unterschied!“
Markus Schmitz

Im internationalen Vergleich habe Deutschland im Venture-Capital-Ökosystem noch Nachholbedarf, schlussfolgern die KfW und der Branchenverband BVK in ihrer jüngsten Studie. Foto: DigitalVision/Getty Images

Viele Oberbedenkenträger

„Fünf Sätze, warum das nicht gut in Deutschland funktioniert: Die großen Unternehmen zum Beispiel in den Bereichen Insurtech oder Legaltech unter anderem halten zäh an ihren analogen Strukturen fest. Es gibt da viele Oberbedenkenträger, die einem Wandel nichts abgewinnen können. Die staatlichen Behörden behindern mit bürokratischen Maßnahmen Innovationen aus Angst um ihre Bedeutung.

Das schwäbische Prinzip ‚Mache, nit schwätze‛ wird durch endlose Diskussionen über Planungen ausgehebelt. Privates Wagniskapital und Investitionen in junge Start-ups werden nicht so steuerlich begünstigt, dass diese ohne staatliche Subventionen sich ‚gesund‛ entwickeln können.“
Susanne Heitzler

High risk, high cost, slow motion

„Weil Deutschland unattraktiv für Start-ups ist (high risk, high cost, slow motion), soll es jetzt der Steuerzahler richten. Mit kluger Politik (high speed, low barriers, low regulation) würde ein Vielfaches an privatem Kapital in deutsche Start-ups fließen, einfach weil es sich rentiert. In Berlin versteht das nur niemand.“  
Kurt Kammerer

Wenn auch Sie sich im Forum zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.

Mehr: Wie die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden kann, darüber diskutierte die Handelsblatt-Leserschaft vergangene Woche. 

Johanna Müller
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