Morning Briefing: Die vielen leeren Versprechen des reichsten Manns der Welt
Tesla: Geheime Unterlagen zum Autopiloten / EU: Gipfel ohne konkretes Ergebnis
Seine Teslas seien keine bloßen Fahrzeuge, sondern Computer auf Rädern, sagt Elon Musk. Jedes Auto sammele unablässig Daten, die gesamte Flotte sei vernetzt und lerne aus jedem Fehler. Musks Versprechen: Kritische Unfalldaten werden immer und unverzüglich veröffentlicht. Musk sagt dazu: „Alles andere wäre gefährlich.“
Anke Schuster, die eigentlich anders heißt, wartet seit vier Jahren darauf, dass der Tesla-Chef sein Versprechen einlöst. Ihr Mann war am 13. April 2021 um 12:50 Uhr auf der B194 in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs, als er von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Sein Model X ging sofort in Flammen auf. Schusters Mann verbrannte.
Warum? Die Straße verlief gerade, der Asphalt war trocken, die Sicht klar. Am 26. Mai 2021 forderte die Staatsanwaltschaft Tesla auf, alle Daten zu übermitteln, die Schusters Model X am Unglückstag aufgezeichnet hatte. 17 Tage später kam die Antwort von Tesla: Es gebe keine relevanten Daten. Die Ermittler fragten nicht nach, sie schlossen die Akte. Ihre Erfahrungen mit Tesla, der Polizei und der Staatsanwaltschaft seien die Hölle gewesen, sagt Schuster. Keiner habe sich mit Tesla anlegen wollen.
Die Geschichte, die meine Kollegen Sönke Iwersen und Michael Verfürden im heutigen Freitagstitel aus dem Innersten des wertvollsten Autokonzerns der Welt berichten, ist nichts für schwache Nerven. Es geht um Explosionen und kalte interne Anweisungen, wie mit Unfalldaten bei Tesla umzugehen sei.
Meine Kollegen recherchieren seit Jahren zu Tesla und haben ein Buch veröffentlicht, das die vielen nie eingehaltenen Versprechen von Elon Musk analysiert. Das Fazit nach mehr als zwei Jahren Recherche: Elon Musk ist ein großer Innovator. Aber seine Leistung verblasst im Vergleich zu dem, was er verspricht. Beschweren Sie sich aber nicht bei seinen Anwälten. Die sagen – das ist kein Witz –, man dürfe Elon Musk nicht glauben, was er sagt. Wenn Sie tief in das Unternehmen eintauchen möchten, empfehle ich Ihnen unseren Auszug aus dem Buch „Die Tesla-Files“ und natürlich das Buch selbst.
EU-Gipfel ohne konkrete Einigung
Mit der Einigkeit in einer Union, die aus 27 Einzelstaaten besteht, ist es so eine Sache. Gestern ging der EU-Gipfel in Brüssel ohne konkrete Ergebnisse und mit nur einer vagen Abschlusserklärung zu Ende. Und das, obwohl der Druck auf die EU, sich zusammenzuraufen und zu einigen, selten größer war. An die Initiative der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, der Ukraine „auf freiwilliger Basis“ Artilleriemunition und Raketen zu liefern, wird nur „erinnert“.
Kallas hatte ursprünglich ein Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 40 Milliarden Euro vorgeschlagen. Doch beim vorherigen Sondergipfel Anfang des Monats hatten die Regierungschefs dieses bereits abgelehnt. Insbesondere Italien, Spanien und Frankreich wollten sich nicht zu neuen hohen Hilfszusagen verpflichten.
Die Alpträume der Notenbänker
Den Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, dürften in der Nacht gerade zwei Alptraumszenarien wachhalten. Da ist erstens das Schreckgespenst einer drohenden Stagflation – das bedeutet, dass die Wirtschaft schwächelt und trotzdem die Preise stark steigen. Für Notenbänker ist so eine Stagflation extrem schwierig zu navigieren, denn sie schafft einen schwer auflösbaren Zielkonflikt: Gegen die Inflation müsste die Fed die Zinsen eigentlich erhöhen, für mehr Wachstum und gegen Arbeitslosigkeit müsste sie sie eigentlich senken.
Tiffany Wilding, Ökonomin bei der Allianz-Tochter Pimco, sagt: Auf die Fed komme jetzt die Herausforderung zu, „einen Kompromiss zwischen steigender Inflation und zunehmenden Rezessionsrisiken zu finden“.
Doch das ist gar nicht so einfach mit einem Präsidenten im Weißen Haus, der mit seiner Zollpolitik hantiert wie ein Betrunkener mit einer Schrotflinte. Entsprechend groß ist die Unsicherheit selbst bei der US-Notenbank. Und Fed-Chef Powell dürfte noch ein weiteres Alptraumszenario beschäftigen. Denn Trump stört sich schon länger an der Unabhängigkeit der Fed. Nachdem der Präsident am Dienstag zwei unliebsame Kommissare der Kartellbehörde FTC gefeuert hat, fürchten Experten, Trump könnte auch einen Tabubruch anderer Dimension begehen: Er könnte den Fed-Chef absetzen.
Deutschland tritt weltweitem Schuldenklub bei
Die Debatte um Chancen und Risiken von Staatsverschuldung gleicht unter Ökonomen oft einem Glaubenskrieg. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass der noch amtierende Bundesfinanzminister Jörg Kukies in manchen Kreisen gerade empfangen wird wie ein frisch Bekehrter auf dem Pfad der Erleuchtung. Endlich habe Europas größte Volkswirtschaft es begriffen – so oder ähnlich äußerten sich viele Ökonomen aber auch die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde.
Doch es gibt da auch das andere Lager. Jene, die warnen: Bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) gehe mit dem Schuldenpaket eine riskante Wette ein. Auf dem Spiel stehe Deutschlands Kreditwürdigkeit und womöglich sogar seine Rolle als Stabilitätsanker der Eurozone. Auf dem Spiel steht nicht nur der gute Ruf, sondern auch der Preis des Geldes und die Zinskosten der Zukunft. Der Bundesrechnungshof warnt: In zehn Jahren könnten diese Zinskosten 37 Milliarden Euro jährlich höher sein als heute. Das wäre fast eine Verdopplung.
Deutschland tritt als letztes großes Industrieland dem weltweiten Schuldenklub bei. Die globalen Staatsschulden summieren sich auf 100 Billionen Dollar – rund 93 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Doch zur Wahrheit gehört auch: Bisher gelten wir bei der Bruttostaatsschuldenquote mit 63 Prozent als globaler Musterschüler.
Wir haben dieses Briefing mit Elon Musk begonnen und wir werden es mit Elon Musk beenden. Doch diesmal geht es nicht um seine Autos, sondern um die Satelliten seines Unternehmens Space X. Die sind mittlerweile so zahlreich, dass sie sich immer wieder auf Fotos von Astronomen schieben und ihnen die Sicht verdecken. Die Umlaufbahn der Erde ist so voll mit Satelliten und Weltraumschrott, dass es auch für die größte jemals gebaute Kamera am Vera C. Rubin Observatorium in Chile schwierig wird, noch vernünftige Aufnahmen vom All zu machen.
Man kann sich das so vorstellen, als wolle man in Paris an einem Samstagnachmittag im Juli ein Foto vom menschenleeren Eifelturm machen. So oft man auch auf den Auslöser drückt, immer schiebt sich ein Arm, ein Kopf oder gleich ein ganzer Mensch ins Bild.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag voller gelungener Schnappschüsse.
Es grüßt Sie herzlich Ihre
Teresa Stiens