1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Kommentar: Kein Notenbanker wird sehenden Auges den Ruin seines Staates zulassen

KommentarKein Notenbanker wird sehenden Auges den Ruin seines Staates zulassen

Auf die EZB und die Fed kommen 2026 schwere Zeiten zu. Die Notenbanken werden künftig noch mehr die Probleme ausputzen müssen, die die Politik nicht lösen kann oder will.Frank Wiebe 18.12.2025 - 16:20 Uhr
Artikel anhören
Christine Lagarde, Kazuo Ueda, Jerome Powell: Die Notenbanken geraten immer stärker unter politischen Druck. Foto: Bloomberg

Wir erleben es täglich: Politiker sprechen von entschlossenem Handeln, doch umgesetzt wird nur wenig. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Länder wie Frankreich oder die USA. Die Gründe liegen nicht allein in persönlichen Unfähigkeiten.

Vielmehr offenbart sich hier ein Grunddilemma der Demokratie: Wenn viele erst zustimmen müssen und politische Kräfte sich im ständigen Machtkampf erschöpfen, läuft im Zweifel alles weiter wie bisher. Hinzu kommen Rahmenbedingungen, die kein Staat allein ändern kann, etwa Verschiebungen im Welthandel oder der Aufstieg aggressiver Droh- und Kriegspolitik.

Die Folge: Staatliche Ausgaben geraten außer Kontrolle, um Besitzstände wenigstens nominell zu sichern. Rentner wollen nicht auf Geld verzichten, Versicherte teure Medizin in Anspruch nehmen, ohne mehr zu zahlen, und Steuererhöhungen gelten meist als Wahlverlust-Risiko. Am Ende bleibt daher oft nur der Umweg über höhere Staatsverschuldung.

Das kann, wie das Beispiel Japan zeigt, ein langer Weg sein – aber er ist nicht unbegrenzt. Selbst in den USA, die über ihren Kapitalmarkt weltweit Kapital anziehen können, warnen immer mehr Stimmen davor, dass Schulden keine Dauerlösung sind.

Der einzige Ausweg aus dieser Lage besteht darin, wenigstens real Veränderungen herbeizuführen, wenn sie sich nominal nicht durchsetzen lassen. Das Schlüsselwort lautet „Inflation“.

Gemeint sind dabei nicht sprunghafte Preisschübe wie während der Coronazeit, die vor allem von der Europäischen Zentralbank (EZB) – gemessen an der Herausforderung – vergleichsweise rasch wieder unter Kontrolle gebracht wurden; zuletzt hat sie ihre Zinsen erneut stabil gehalten. Der Politik helfen würde vielmehr eine dauerhaft etwas höhere Geldentwertung, leicht oberhalb des Zweiprozentziels, das sich sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed gesetzt haben.

» Lesen Sie auch: Trump nennt zwei Kandidaten für Fed-Spitze – und will bei US-Zinsentscheiden künftig mitreden

Eine einfache Rechnung zeigt: Schon bei zwei Prozent Inflation verliert Geld innerhalb von zehn Jahren gut 18 Prozent an Wert, bei drei Prozent wäre es mehr als ein Viertel. Genau deshalb kann Inflation dazu beitragen, die reale Last der Staatsschulden zu senken oder politisch festgeschriebene Renten real schrumpfen zu lassen.

Was offiziell kaum durchsetzbar ist, wird so faktisch möglich: eine Entlastung der jüngeren Generation – zulasten der älteren. Geldpolitik geriete damit unter fiskalische Dominanz, also zunehmend unter den Einfluss der jeweiligen Regierung. Das ist unschön. Doch welche realistische Alternative gibt es? Ein Staatsbankrott zur Entschuldung kann es kaum sein.

Viele Konflikte gleichzeitig

Kann die Politik ihre eigenen Probleme doch noch lösen? Die Chancen sind begrenzt. Die deutsche Rentenpolitik ist nicht das einzige Beispiel, aber sie zeigt die Spannungen besonders deutlich. Mehrere Konfliktlinien greifen ineinander: links gegen rechts, Arm gegen Reich, Alt gegen Jung.

Schon heute wird das System zu einem erheblichen Teil, teils bis zu einem Drittel, mit Steuergeld gestützt, um diese Spannungen abzufedern. Die entscheidende Rahmenbedingung ist dabei nicht nur die steigende Lebenserwartung, sondern vor allem die niedrige Geburtenrate. Führt das zu einer wachsenden Belastung der nachfolgenden Generation, verschieben viele wiederum die Familiengründung. Auf diese Weise vererbt sich das Problem von einer Generation zur nächsten.

Hinzu kommen zunehmend komplexe handelspolitische Spannungen. Die USA sind nicht länger bereit, mit ihrem Konsum die Weltwirtschaft zu stützen, zugleich globale Sicherheit zu garantieren und all das über immer höhere Schulden zu finanzieren. Einen Teil dieses Problems verlagern sie nach Europa, wo in der Folge die Verschuldung steigt. Zugleich geraten das deutsche wie auch das chinesische Geschäftsmodell, beide stark auf Exportüberschüsse ausgerichtet, ins Wanken, wenn die USA nicht mehr in gewohntem Umfang als Abnehmer und Stabilitätsanker fungieren.

Das Paradox der Unabhängigkeit

China lenkt seine Exporte verstärkt nach Europa, was die Chancen für Deutschland zusätzlich schmälert. Der Effekt ist doppelt: Nicht nur steigen die staatlichen Ausgaben, zugleich wird es für den Staat schwieriger, ausreichende Einnahmen zu erzielen. Besonders in Europa verschärft sich die Lage dadurch, dass sich die USA militärisch und politisch zurückziehen und der alte Kontinent sich in einem komplexen, vor allem von den USA, Russland und China geprägten Kampf um globale Geltung behaupten muss.  Und das als ein Kontinent ohne wirklich dominierenden Staat.

Die Geldpolitik droht somit zum zentralen Problemlöser zu werden. Das Paradoxe: Gerade weil Notenbanken weitgehend unabhängig sind und Geldpolitik von Experten betrieben wird, können sie als demokratisch kaum kontrollierte Institutionen Hürden überwinden, die der politisch bestimmte Bereich kaum noch bewältigen kann.

Kein Notenbanker wird – Ordnungspolitik hin oder her – sehenden Auges den Ruin seines Staates zulassen. Schon der Druck faktischer Geldnot reicht aus, um die Geldpolitik für politische Zwecke einzuspannen, etwa durch das Zulassen höherer Inflation oder den direkten Ankauf von Staatsschulden.

Verwandte Themen
USA
EZB
Europa
China
Deutschland
Fed

Das ist eine schwere Last. Den Notenbankern bleibt kaum mehr, als zur Vernunft aufzurufen und sich auch unter fiskalischer Dominanz möglichst kontrolliert zu bewegen. Das ist wenig, aber schwierig genug.

Mehr: Die Vollkasko-Republik fliegt der Politik um die Ohren

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt