Leserdebatte: Was gegen die hohen Strompreise in Deutschland hilft

Das Energiewende-Barometer der Deutschen Industrie- und Handelskammer ergab: Rund 45 Prozent der energieintensiven Industrieunternehmen in Deutschland planen ihre Produktion im Inland aufgrund der hohen Strompreise zu reduzieren. Einige Unternehmen wollen die Produktion sogar ins billigere Ausland verlagern.
Wir haben vor diesem Hintergrund die Leserschaft gefragt: Wie könnte die Bundesregierung gegen die hohen Strompreise und Abwanderung der Unternehmen vorgehen?
Deutschlands Industrie brauche vor allem „Planbarkeit, ein moderates Preisniveau und Stabilität des Energiesystems“, fasst ein Leser zusammen. Wie das gewährleistet werden kann, dazu haben die Leserinnen und Leser unterschiedliche Lösungsansätze.
Ein Leser schlägt vor, dass die Bundesregierung den Unternehmen beim Aufbau einer eigenen, zusätzlichen Energieversorgung zum Beispiel durch Windkraft oder Photovoltaikanlagen helfen könnte. Durch die eigene Energiegewinnung würden die Energiepreise der Unternehmen sinken. Die staatliche Unterstützung könnte dabei in Form von steuerlichen Entlastungen oder „geringen bürokratischen Auflagen“ erfolgen, führt er aus.
Auch ein anderer Leser findet, Unternehmen sollten sich mit der Energieversorgung unabhängiger machen. Er sieht dabei jedoch weniger den Staat in der Pflicht als die Unternehmensführung selbst. Unternehmen müssen sich „immer auf neue Veränderungen einstellen“ können, argumentiert er. Auf Unterstützung zu hoffen bezeichnet er als eine unternehmerische „Bankrotterklärung“.
Die Politik müsse vor allem für gleiche Bedingungen auf dem europäischen Energiemarkt sorgen, statt durch unterschiedliche Förderungen, Steuersätze und Vorschriften einen ungleichen Wettbewerb unter europäischen Ländern zu schaffen, findet ein weiterer Leser. Dadurch würde auch der Abwanderung der Unternehmen vorgebeugt.
Mehrfach nennen Leserinnen und Leser ganz konkrete Maßnahmen zur Strompreissenkung, wie zum Beispiel die Förderung von Gasgewinnung in Deutschland. Dadurch würde der Gaspreis und somit „indirekt der Strompreis“ sinken, wie ein Leser schreibt. Weiter schlagen einige Leserinnen und Leser vor, die Verlegung von Hochspannungsleitungen in der Erde einzustellen, da so hohe Kosten eingespart werden könnten, außerdem habe es dringende „ökologische Gründe“, wie ein Leser schreibt.
Ein Leser blickt pessimistisch in die Zukunft. Für die nachhaltige Senkung der Strompreise sei es zu spät, da die Energiewende „zu weit fortgeschritten“ sei. Es seien noch „gigantische Investitionen nötig“, zum Beispiel für den Ausbau der Übertragungsnetze, um die Versorgungsstabilität zu gewährleisten. Da sich die Investitionen auf die Höhe der Netzentgelte niederschlügen würden, würde der Preis bald „durch die Decke gehen“, so der Leser.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt:
Europäischer Markt braucht gleiche Bedingungen
„Die Politik will Investitionen, um den Energieverbrauch pro produzierte Einheit zu senken. Gut, aber der Anreiz über hohe Energiepreise nur in Deutschland führt zu Abwanderung.
Die Industrie braucht ein ‚level playing field‛, das heißt vergleichbare Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer, zumindest in Europa. ,Level playing field‘ heißt europäischer Energiemarkt mit gleichen Bedingungen und gleichen Vorschriften, die dann zu sinkendem Energieverbrauch führen.
Das heißt, die Lösung ist mehr Europa und nicht Förderungs-, Steuer-, Vorschriftenwettbewerb, um es Wettbewerbern in den jeweils anderen europäischen Ländern schwerer zu machen.“
Wolfgang Emmerich
Unternehmen müssen sich autark machen
„Unternehmen bedeutet, sich auf immer neue Veränderungen einstellen zu können. Energetisch bedeutet, sich autark zu machen mit Photovoltaik, Windkraft, Erdwärme und Speichern.
Nach Subventionen zu rufen ist unternehmerisch ebenso eine Bankrotterklärung, wie angesichts der Klimakatastrophe in fossilenergetische Billigkostenländer abzuwandern. Unternehmen ohne Unternehmerführung sind zu oft unfähig, sich rechtzeitig zu verändern. Sie müssen und werden ob notwendiger Disruption vom Markt verschwinden.“
Peter Kröger
Aufbau eigener Energieversorgung unterstützen
„Um die Energiepreise für Unternehmen zu senken, gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, den Unternehmen einen Aufbau einer eignen (zusätzlichen) Energieversorgung, zum Beispiel durch Windkraft, Photovoltaikanlagen und Brennstoffzellentechnik mit nur geringen bürokratischen Auflagen bei steuerlichen Entlastungen, zu ermöglichen.
Gegebenenfalls könnten die Investitionen über entsprechende Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert werden. Damit könnten die Kosten für die Unternehmen mittelfristig sinken und die Problematik der ‚Energie‧trassen‛ (die es bis jetzt nicht gibt) würde entschärft, da dort, wo er benötigt wird, der Strom, erzeugt wird.
Jetzt werden manche einwenden, dass viele Unternehmen mit Gas arbeiten. Meiner Beobachtung nach stellen aber Betriebe, die in Deutschland weiterhin planen, auch auf andere Energieträger um. Das lohnt sich jedoch nur, wenn der Strom kostengünstig ist. Überschüsse in der Energieproduktion (wie am Wochenende) könnten dann in das allgemeine Netz eingespeist werden.
Zusätzlich könnten Ladestationen für E-Autos in den Betrieben aufgebaut werden und damit zusätzliche Ladekapazitäten geschaffen werden. Wenn diese Ladestationen auch noch für die Öffentlichkeit zugänglich sind, wäre ein relevanter Schritt in Richtung flächendeckender Ladesäulen für die Allgemeinheit getan. Wichtig ist doch, dass die Unternehmen langfristige Perspektiven haben.“
Ralf W. Radtke
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Meine fünf Ansätze
„1. Die abgeschriebenen Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen und damit billigen Strom produzieren.
2. Keine Vergütung mehr bei angeordneter Abschaltung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen.
3. Keine Verlegung von Erdkabeln.
4. Kein Neubau von Gaskraftwerken, sondern vorhandene Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidesystemen ausrüsten und das CO2 auch bei uns unterirdisch deponieren.
5. Zulassung von Fracking-Methoden zur heimischen Gasförderung.“
Hans Joachim Spönemann
Endlich weg vom Zickzack-Kurs
„Ob Habeck oder andere, endlich weg vom Zickzack-Kurs der alten Politik und hin zu den ‚Erneuerbaren‛ nebst Netzausbau und Schaffung von Speicherkapazitäten.
Außerdem: den landwirtschaftlichen Biogas- und Photovoltaikkapazitäten die Anschlussförderung sichern!“
Michael Ruscher

Es ist längst zu spät für die Senkung der Strompreise
„Die Energiewende ist längst zu weit fortgeschritten, um die Strompreise nachhaltig senken zu können. Die Atomkraftwerke sind abgeschaltet, die verbliebenen Kohlemeiler uralt und die Belegschaften haben schon die Rente vor Augen.
Mit den vielen Gigawatt aus zum Beispiel Gasturbinen, die benötigt werden, um den Flatterstrom aus Wind oder Sonne auszugleichen, sind gigantische Investitionen nötig, ebenso für die Feuerwehr-Funktion dieser Turbinen.
Zudem werden die Netzentgelte durch die Decke gehen – nicht nur für die großen Übertragungsnetze, sondern auch für den Mittel- und Niederspannungsbereich, wo Rieseninvestitionen getätigt werden müssen, um die Netze stabil zu halten.“
Lothar Warscheid
Keine Verlegung von Hochspannungsleitungen in der Erde
„Ich schlage folgende Maßnahmen vor. Bezüglich der Netzentgelte: Keine Verlegung von Hochspannungsleitungen in der Erde (da hohe Kosteneinsparung), das ist auch aus ökologischen Gründen unbedingt geboten.
Bezüglich der Einspeisevergütung: nachrangige Förderung von regenerativen Anlagen dort, wo kein Strombedarf existiert. Das vermeidet unsinnige Investitionen in den Netzausbau auf Mittel- und Hochspannungsebene und reduziert die EEG-Kosten für nicht nötigen, aber trotzdem zu vergütenden regenerativen Strom. Windanlagen müssen dort gebaut werden, wo der Strom benötigt wird, und Photovoltaik-Anlagen am besten nur auf Dächern.
Schließlich haben wir bereits heute zu viele regenerativen Stromproduktionskapazitäten, weshalb die Anlagen abgeschaltet und trotzdem vergütet werden müssen. Außerdem sollte man Gas in Deutschland produzieren, das hilft mehrfach. Es reduziert den Gaspreis und damit indirekt auch den Strompreis.
Zudem die Abschaffung des Teils der Netzentgelte, die pro kWh-Stromverkauf erhoben werden, und dafür ausschließliche Erhebung pro Anschluss. Der Vorteil: Optimierung des lokalen Verbrauchs an regenerativem Strom und damit Beschleunigung des Erfolgs der Energiewende.“
Heinz-Werner Binzel
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Es braucht Planbarkeit, moderate Preise und Stabilität
„Für die energieintensive Industrie mit ihren hochwertigen, meist tarifgebundenen Arbeitsplätzen braucht es Planbarkeit, ein moderates Preisniveau und Stabilität des Energiesystems.
Mit einem (Energy) Contract for Difference, einer Zwischenfinanzierung der Energiepreise für die Industrie, bei der teure Energie heute vorfinanziert und bei sinkenden Preisen später refinanziert wird, kann Planbarkeit ohne Subventionen geschaffen werden.
Mit einer leichten Modifikation des Merit-Order-Systems, bei dem die Kosten für noch benötigte, importierte fossile Energieträger analog zur EEG-Umlage sozialisiert werden, könnte der Strompreis sofort gesenkt werden, ohne massive Übergewinne bei einzelnen Marktteilnehmern zu fördern.
Der unkontrollierte Zubau von nicht regelbarer oder verbrauchs- beziehungsweise speichergedeckter erneuerbarer Energie muss unterbunden werden, um den Netzausbau zu entlasten und Stabilität im System sicherzustellen, statt private Verluste über das EEG teuer zu sozialisieren.“
Georg Geier
Rückkehr zur Atomenergie ist keine Option
„Angesichts der hohen Energiepreise erwarte ich vor allem von der Bundesregierung, dass sie standhält gegen den lauter werdenden Ruf nach der Rückkehr zur Atomenergie. Das war und ist keine Lösung, selbst wenn es gerade den Anschein hat, dass Länder wie Frankreich große Vorteile durch die Gewinnung von Energie durch Kernkraftwerke haben.
Was die Bundesregierung hingegen tun könnte, um zumindest die Abwanderung der Unternehmen aufgrund der hohen Energiepreise zu verhindern, wäre ein deutliches Abspecken in Sachen Bürokratie.“ Magdalena Ritzen




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Erstpublikation: 07.08.2024, 15:42 Uhr





