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Pro und ContraNachgeben oder hart bleiben: Wie sollten Konzerne auf Klimaproteste reagieren?

Siemens hält trotz Protesten an umstrittenen Kohleprojekten fest. Ist das selbstbewusst oder ein Armutszeugnis für den Konzern? Ein Pro und Contra.Bert Fröndhoff und Dieter Fockenbrock 13.01.2020 - 16:43 Uhr

Siemens gerät bei seinen Projekten in Erklärungsnot.

Foto: dpa

Die Klimaschützer von „Fridays for future“ demonstrieren seit Wochen gegen die Kohleprojekte des Industriekonzerns Siemens.

Nach einem Treffen bot Siemens-Chef Joe Kaeser der Klimaschützerin Luisa Neubauer sogar einen Posten im Aufsichtsrat des Traditionskonzerns an, den sie aber ablehnte. Doch wichtige Projekte stoppte er nicht.

Wie ernst müssen die Manager die Proteste nehmen? Ein Pro und Contra.

Pro: Siemens hat eine Chance vertan

Unternehmen müssen klare Signale geben, wenn sie es mit dem Schutz von Klima und Umwelt ernst meinen – auch wenn dies wirtschaftlich unbequem ist, meint Bert Fröndhoff.

Keine Frage: Siemens-Chef Joe Kaeser hat in der Diskussion um die Beteiligung am Bau der umstrittenen Kohlemine in Australien einen geschickten Weg gewählt. Er tat die Vorwürfe der Klimaschützer nicht achselzuckend ab, sondern suchte das Gespräch mit ihnen, wollte sie einbinden. Der Umgang mit der Situation war gut, und die Entscheidung, an dem Projekt aus Gründen der Vertragstreue festzuhalten, ist nachvollziehbar. Aber sie ist falsch.

Siemens hätte die Chance gehabt, ein starkes Signal zu senden, wie wichtig der Konzern Klimaschutz nimmt. An solch klaren Statements fehlt es allerorts. Manager referieren in dieses Tagen gern auf Bühnen über die Notwendigkeit, die Welt zu retten. Sie erzählen von ihren Kindern, die bei „Fridays for Future“ mitmachen, finden die Jugendbewegung toll und bewundernswert. Bei ihren Entscheidungen entsteht aber oft der Eindruck, dass man es dann doch nicht so ernst meint.

Siemens wird nun dafür gefeiert, vor den „Grünschnäbeln“ nicht eingeknickt zu sein, schließlich sei man nicht den Aktivisten, sondern den Aktionären verpflichtet. Das aber ist eine überholte Sicht: Erstens legen die „Grünschnäbel“ den Finger in die Wunde, wenn sie Unternehmen an ihren Taten messen.

Zweitens machen es die Investoren genauso: Wer nicht nachgewiesenermaßen nachhaltig wirtschaftet, wird von den großen Fonds und Versicherungen zunehmend geschmäht. Warum sonst haben zig Unternehmen die Beteiligung an dem umstrittenen Kohleprojekt in Australien von vornherein abgelehnt? Sie wissen, dass sie sich daran die Finger verbrennen.

Drittens kann man den wachsenden gesellschaftlichen Druck auf die Unternehmen nicht den Aktivisten anlasten. Diesen Druck geben sich die Manager selbst, wenn sie über Verantwortung und Purpose ihres Unternehmens reden, also den übergeordneten Sinn, wie man zur Verbesserung der Welt beitragen will.

Unternehmen müssen sicher nicht sofort einknicken, wenn sie unter gesellschaftlichen Druck geraten. Aber sie müssen eben auch beweisen, dass sie für ihre Versprechen einstehen – selbst wenn dies wirtschaftlich unbequem ist. Siemens hätte dies in Australien tun können – in einem brennenden Land, das wie keines derzeit für die Kohle-Klimaproblematik steht.

Tief im Herzen hält selbst Joe Kaeser das Engagement dort für falsch, das zeigt seine Wortwahl. Eine starke Haltung hätte gutgetan. Nun festigt sich in der Öffentlichkeit der bittere Eindruck, dass für Unternehmen –  nicht nur Siemens  – am Ende nur das Geschäft zählt.

Contra: Kaeser muss klare Kante zeigen

Unternehmen dürfen nicht gleich bei jedem gesellschaftlichen Druck einknicken. Sie sind nicht nur einem Ziel verpflichtet, mahnt Dieter Fockenbrock.

Das Dilemma hätte sich für Siemens mit einem Griff in die Portokasse auflösen lassen. Einen 18-Millionen-Euro-Auftrag nachträglich zu streichen ist für den Milliardenkonzern kein ernsthafter Schaden. Trotzdem tut Siemens gut daran, an dem umstrittenen Auftrag aus Australien festzuhalten, auch wenn Klimaaktivisten jetzt Zeter und Mordio schreien.

Siemens steht vor einem vergleichbaren Problem wie RWE, als Umweltbewegte den Hambacher Forst besetzten und den sofortigen Stopp des angeschlossenen Braunkohletagebaus forderten. Oder Nestlé, die sich einmal dem Druck von Tierschützern ausgesetzt sahen, weil sie Palmöl in ihren Süßigkeiten verwendeten und der Raubbau mit Palmölplantagen Menschenaffen den Lebensraum nahm.

Beinahe täglich sind Unternehmen heute Forderungen von Aktivisten, Verbänden, aber auch Politikern ausgesetzt, die allesamt gerechtfertigt sein mögen. Diese Forderungen dürfen aber trotzdem nicht auf kurze Sicht die Unternehmenspolitik bestimmen.

Für eine klare Kante bei diesen wirklich schwierigen Fragen, in denen sich Unternehmen zwischen Geschäft und Gesellschaft entscheiden müssen, sprechen zwei Gründe. Erstens: Unternehmen sind den Stakeholdern verpflichtet. Das ist Plural und bedeutet, dass beispielsweise die Interessen der Beschäftigten, der Kunden und Geschäftspartner, der Anteilseigner und letztlich auch des Unternehmens selbst bedacht werden müssen.

Wenn sich herumspricht, dass man nur ordentlich Rabatz machen muss, um das Unternehmen zum Kippen von Verträgen zu bewegen, kann die Firma gleich zumachen. Eine andere Frage ist, ob sich ein Unternehmen nicht ein Frühwarnsystem installieren sollte. Wer mitten in der Gesellschaft stehen will, wie Siemens und Co. es für sich behaupten, der muss auch ein Gefühl für gesellschaftliche Strömungen entwickeln und darf nicht mit Dollars vor den Augen durch die Welt tapsen.

Zweiter Grund dafür, warum Unternehmen auch massiven Forderungen zuweilen standhalten sollten: Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Siemens müsse sich „für oder gegen das Klima“ entscheiden, „für oder gegen die Rechte zukünftiger Generationen“, heißt es bei den Aktivisten. Das ist die typische Lagerbildung der heutigen Zeit, geprägt auch durch die sozialen Medien. Unternehmen beuten Ressourcen aus, belasten die Umwelt – ja. Aber Unternehmen schaffen auch Jobs, finanzieren mit ihrer Wertschöpfung Staat und Gesellschaft.

Wir müssen Unternehmen an ihre Verantwortung erinnern. Aber es gibt nicht nur die eine Wahrheit. Selbst wenn sie in Australien auf der Hand zu liegen scheint.

Mehr: Siemens-CEO Kaeser bleibt auch nach dem Treffen mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer hart. Der Konzern müsse seine Vertragspflichten erfüllen.

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