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Prüfers KolumneWarum „twalken“ lebensgefährlich ist

Der Großteil unserer Generation wird im Straßenverkehr umkommen, weil alle nur noch auf ihr Handy starren. Erstaunlich, dass die Dinger noch an unter 18-Jährige verkauft werden dürfen.Tillmann Prüfer 19.12.2019 - 16:50 Uhr

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Foto: Handelsblatt

In der ganzen Stadt sehe ich Menschen, die in ihr Handy gucken, während sie durch die Straßen gehen. Es ist fast ein bisschen unangenehm, wenn man selbst nicht in sein Smartphone schaut, es wirkt dann, als habe man nichts Ernsthaftes zu tun. So, als habe man keine Freunde, denn mit denen würde man ja ansonsten chatten. Man fühlt sich wie ein Herumtreiber, wenn man nicht beim Gehen auf den Bildschirm blickt.

In den USA gibt es für dieses Verhalten „walking and texting“ schon ein Wort: „twalking“. Dort gibt es heute die höchste Zahl von tödlich verunglückten Fußgängern seit 1990. Auch in Deutschland steigt der Anteil der Fußgänger an den Verkehrstoten.
Die meisten Unfälle beim Twalken kommen allerdings durch Stürze. Menschen sehen auf das Display und nicht nach vorn und auf die Füße. Der Chatpartner kann einen Twalking-Unfall des anderen bislang leider nur erahnen, wenn der Dialog abrupt abreißt.

Es ist davon auszugehen, dass dafür bald Lösungen gefunden werden. Möglich wäre, dass das Handy, wenn es registriert, dass es mitsamt dem Besitzer zu Boden geht, automatisch „Aaaaaaaaaaaaaaaaa!“ in den Chat postet. Dann kann der andere Hilfe holen.

Der Neurowissenschaftler Adam Gazzaley beschreibt im Buch „The Distracted Mind“, warum wir Twalken: Wir streifen im Hunger nach Informationen umher wie unsere tierischen Vorfahren, die ständig Futter suchten. Im Gehirn mache sich ein Belohnungsgefühl breit, wenn wir Informationen empfangen, was uns nach noch mehr Informationen dürsten lässt.

Es gibt aber einen Unterschied: Das Futter für das Tier ist meist natürlich begrenzt, das Smartphone aber ist eine unerschöpfliche Informationsquelle. Und wenn wir uns langweilen, müssen wir uns damit überhaupt nicht auseinandersetzen, wir müssen nur von Twitter zu WhatsApp, und schon geht es weiter. Alles, was es da zu sehen gibt, ist interessanter als das, was man im Straßenbild so sehen kann. Andere Menschen zum Beispiel.

Steven Sussmann, Präventivmediziner an der University of South California, sagt in der „New York Times“, dass man von beginnendem Suchtverhalten ausgehen könnte, wenn jemand nicht mehr nach dem Smartphone greife, um etwas zu erfahren, sondern nur, um die eigene Stimmung aufzuhellen. Ein anderes Alarmsignal sei, wenn man lieber ins Smartphone schaue, anstatt Dinge zu tun, die wichtig seien. Oder wenn man es als Leiden empfinde, wenn man das Smartphone nicht benutzen könne.

Es scheint auch auf andere Weise nicht gesund zu sein. Bei Jugendlichen macht sich das Phänomen des Handy-Nackens breit, las ich: Durch die stundenlange gebeugte Haltung über dem Smartphone komme es zu chronischen Nackenschmerzen und Haltungsschäden.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass die Dinger noch an unter 18-Jährige verkauft werden dürfen. Man wird noch in 30 Jahren von der Smartphone-Generation sprechen, weil man die Menschen an den verbogenen Hälsen erkennt. Wenn es überhaupt so weit kommt und nicht der Großteil unserer Generation im Straßenverkehr umkommt, wo wir von Autos überrollt werden, die von Fahrern gesteuert werden, die ebenfalls ins Handy gucken.

Mehr: Männer sollten Kritik gelassener nehmen. Denn, es sei ohnehin besser, einfach so weiterzumachen wie bisher.

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