Morning Briefing: Abgesetzt: Republikaner im US-Parlament revoltieren gegen ihren Vorsitzenden

Abgesetzt: Republikaner im US-Parlament revoltieren gegen ihren Vorsitzenden
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
dem rechten Parteiflügel war er zu kompromissbereit: Das US-Repräsentantenhaus hat in einer historisch einmaligen Abstimmung am Dienstagabend deutscher Zeit seinen republikanischen Vorsitzenden Kevin McCarthy abgesetzt.
Die Mehrheit von 216 zu 210 Stimmen gegen McCarthy kam nur zustande, weil neben den Demokraten auch mehrere Republikaner gegen ihn votierten. Es ist das erste Mal in der fast 250-jährigen Geschichte der USA, dass der Vorsitzende des Repräsentantenhauses von seiner eigenen Partei abgewählt wird.
Den Antrag auf Absetzung McCarthys hatte sein ultrakonservativer Parteikollege Matt Gaetz am Montag gestellt. Nach einem Treffen mit seiner eigenen Fraktion hatte sich McCarthy noch zuversichtlich gegeben: „Wenn ich zählen würde, wie oft mich schon jemand ausknocken wollte, wäre ich schon lange weg.“
Zum Verhängnis wurde McCarthy, dass er sich vor wenigen Tagen mit den Demokraten auf einen Übergangshaushalt geeinigt und damit in letzter Minute einen Regierungsstillstand abgewendet hatte. Für die republikanischen Hardliner fällt das offenbar unter Kollaboration mit dem Feind. Kommissarisch hat nun der Republikaner Patrick McHenry den Vorsitz im Repräsentantenhaus übernommen, bis ein neuer Vorsitzender gewählt ist.
In der Luft hängen nun vor allem weitere Hilfszusagen der USA für die Ukraine, die aus dem Übergangshaushalt ausgeklammert worden waren. McCarthy hatte sich dafür verbürgt, dass man in den kommenden Wochen eine Einigung zwischen Republikanern und Demokraten über die US-Hilfsgelder erzielen werde. Doch diese politische Zusage ist nun nichts mehr wert.
Fazit: Der Ukraine-Krieg hat seit gestern eine neue Front, sie verläuft mitten durchs amerikanische Parlament.
Kevin McCarthy ist der erste Führer des Repräsentantenhauses, der von der eigenen Partei aus dem Amt entfernt wurde.
Foto: IMAGO/UPI PhotoIst Fliegen noch sicher? Seit Wochen kursieren Berichte über Qualitätsprobleme bei Flugzeugtriebwerken. Der US-Anbieter Pratt & Whitney hat fehlerhaftes Material verbaut, der Rivale CFM warnt vor dem Einsatz gefälschter Ersatzteile. Am Dienstag teilte die US-Fluggesellschaft Delta mit, dass ihre Jets teilweise mit den nicht-zertifizierten Teilen abgehoben seien.
Die Folge: Weltweit müssen Airlines Teile ihrer Flotte des Typs Airbus A320neo am Boden lassen. Allein Lufthansa geht davon aus, im Jahresschnitt auf rund 20 Flugzeuge verzichten zu müssen.
Was die Sicherheit angeht, gibt Luftfahrtberater Michael Santo im Handelsblatt jedoch Entwarnung: „Ich setzte mich ohne Sorgen in Europa und Nordamerika in jedes Flugzeug.“
Gerade die aktuellen Fälle, die von den Herstellern selbst gemeldet wurden, zeigten ja, dass Flugsicherheit an oberster Stelle stehe.
Und noch einmal Luftfahrt: Die angeschlagene skandinavische Fluggesellschaft SAS hat sich von einem Konsortium um Wettbewerber Air France-KLM und Finanzinvestor Castlelake eine Finanzspritze in Höhe von gut einer Milliarde Euro gesichert. SAS hatte im Juli 2022 Gläubigerschutz in den USA beantragt.
Die wichtigste Veränderung für die Passagiere: Air France-KLM erhält nach der angestrebten Restrukturierung nach eigenen Angaben bis zu 19,9 Prozent der Anteile an SAS. Die Skandinavier sollen dann zur Luftfahrt-Allianz Skyteam rund um Air France-KLM dazustoßen und dafür die Star Alliance rund um die Lufthansa verlassen.
Im Süden von Texas, nahe dem Golf von Mexiko, plant der US-Chemiekonzern Dow die Revolution seiner Energieversorgung. Das Unternehmen produziert dort in einem gut 30 Hektar großen Komplex namens Seadrift Kunststoffe. Weil dieser Prozess sehr viel Energie benötigt, sollen hier Mini-Atomkraftwerke entstehen. Gleich vier davon will der größte amerikanische Chemiekonzern bis 2030 in dem Areal südlich von Houston aufstellen. Mit der firmeneigenen Kernkraft, jubelt Dow-CEO James Fitterling, „werden wir den Standort auf einen Schlag CO2-frei machen können.“
In den USA ist die Atomenergie weniger stark umstritten als in Deutschland. Auch die Regierung von US-Präsident Joe Biden sieht diese Energieform als Teil der Lösung für den Klimawandel. Dabei spielen in der Debatte die sogenannten Small Modular Reactors (SMRs), also Mini-AKWs, eine immer wichtigere Rolle. In der energieintensiven US-Industrie ist Dow der erste Konzern, der auf die in der Praxis noch weitgehend unerprobte SMR-Technologie setzt und dabei mit dem Hersteller X-Energy Reactor kooperiert.
Pakistan hat nach einer Serie von Anschlägen alle illegal Eingewanderten – darunter mehr als 1,7 Millionen afghanische Staatsbürger – des Landes verwiesen. „Wir haben ihnen eine Frist bis zum 1. November gesetzt“, sagte Innenminister Sarfraz Bugti am Dienstag. Danach würden die Migranten gewaltsam ausgewiesen. Bugti bezifferte die Gesamtzahl der afghanischen Flüchtlinge in seinem Land auf 4,4 Millionen. Seinen Angaben zufolge wurden 14 der 24 Selbstmordattentate in Pakistan in diesem Jahr von Afghanen verübt.
Aus Sicherheitsgründen hat AfD-Chefin Alice Weidel einen Auftritt bei einer Parteikundgebung abgesagt. „Am vorletzten Wochenende gab es einen sicherheitsrelevanten Vorfall. Frau Weidel und ihre Familie wurden von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht, da sich Hinweise verdichtet hatten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten“, sagte ein Sprecher der Politikerin am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Aus Vorsichtsgründen habe sie daher auf öffentliche Auftritte verzichtet. Was den exakten Umgang mit der deutschen Geschichte angeht, musste zuletzt die CDU einigen Spott ertragen. In einem Imagevideo der Partei firmierte der ehemalige Präsidentenpalast in Georgien irrtümlich als Reichstagsgebäude, dafür wurde Angela Merkel in dem Video ganz vergessen.
In gelebter Solidarität zwischen den Volksparteien revanchierte sich gestern die SPD und veröffentlichte zum Tag der Deutschen Einheit ein Motiv von ebenso unfreiwilliger wie makabrer Komik: Unter dem Slogan „Die Deutsche Einheit ist vollzogen, aber noch nicht vollkommen“ prangt neben einer Deutschlandkarte ein Doppelpfeil in Richtung Osten.
„Königsberg, wir kommen!“, spottete ein Nutzer auf dem Netzwerk „X“ über das Motiv. Ganz genaue Beobachter monierten, dass auf der SPD-Deutschlandkarte Teile des heute tschechischen Sudetenlandes offenbar bereits annektiert worden seien.
Zum Glück ist die Sozialdemokratie revanchistischer Umtriebe unverdächtig, und man kann wohl von einem akuten Fall von Betriebsblindheit ausgehen. Ich werde das Beispiel gegenüber meinen Kindern als Argument dafür verwenden, dass sich Kenntnisse in Geographie und Geschichte eben doch nicht komplett an Google und ChatGPT auslagern lassen.
Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem Sie Ihre Grenzen kennen.
Herzliche Grüße
Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt