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Morning Briefing„Kernkraft ist nicht die Lösung“ – „Die Nuklearenergie ist zurück“

Christian Rickens 23.01.2024 - 06:22 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Atomdebatte: Energieagentur-Chef sieht Comeback der Kernkraft

23.01.2024
Abspielen 08:22
    Atomdebatte: Energieagentur-Chef sieht Comeback der KernkraftAngriffe der Huthi: EU beschließt Militäreinsatz im Roten MeerOh, Lord: Britisches Oberhaus stoppt Ruanda-Pläne des Premiers

Liebe Leserinnen und Leser,

die Realität ist eine unangenehm komplexe Sache – weshalb es sehr entlastend sein kann, sich in Ideologiegebäuden zu verschanzen. Bei kaum einem Thema ist das offenbar so verlockend wie bei der Kernenergie. Ihre Befürworter treten bisweilen auf, als habe sich Deutschland mit dem Atomausstieg auf direktem Weg in die Steinzeit zurückgebeamt. Und für viele Atomkraftgegner kommt bereits die Frage, ob diese Energieform beim Kampf gegen den Klimawandel eine Rolle spielen könnte, einer Häresie gleich.

Wir trauen unseren Leserinnen und Lesern zu, mit der Komplexität der Wirklichkeit klarzukommen – weshalb wir Ihnen auch mal unterschiedliche Blickwinkel zumuten. Gestern haben wir das Interview mit dem Chef des Energiekonzerns EnBW, Andreas Schell, veröffentlicht. Der sagt auf die Frage nach einem möglichen Neubau von Atomkraftwerken: „Das ist doch nicht die Lösung der heutigen Energieversorgung.“

Der Zeitraum für Bau und Planung einer solchen Anlage liege bei 20 Jahren Minimum. Nur mit massiver Förderung könnten solche Anlagen überhaupt ans Netz gehen. Schell: „Wie damit jemals kostendeckend Strom erzeugt werden soll, ist mir schleierhaft.“

Im heutigen Handelsblatt nun äußert sich der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol. Er sagt:

Der Ausstieg aus der Kernenergie war ein historischer Fehler.
Fatih Birol
IEA-Chef

Deutschland hätte wenigstens die noch verbliebenen AKW am Netz lassen können, so Birol: „Wenn wir das globale Energiesystem betrachten, sehen wir, dass die Erneuerbaren einen Großteil ausmachen – aber die Nuklearenergie kommt wieder zurück.“

Wer hat recht? Oder liegt die Wahrheit womöglich in der Mitte? Diese Schlussfolgerung überlasse ich Ihnen.

Die EU-Staaten haben eine politische Grundsatzeinigung für einen Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer erzielt. Das teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Außenministertreffen in Brüssel mit. Der Einsatz soll nach Angaben von Diplomaten im Idealfall im kommenden Monat starten und die Angriffe von islamistischen Huthi aus dem Jemen beenden. Nach den derzeitigen Planungen werden europäische Kriegsschiffe und luftgestützte Frühwarnsysteme zum Schutz von Frachtschiffen in die Region entsendet. Eine Beteiligung an den US-Angriffen gegen Huthi-Stellungen im Jemen ist jedoch nicht geplant.

Diese Angriffe gingen gestern weiter. Die USA und Großbritannien hätten mit der Unterstützung weiterer Verbündeter acht Ziele der Huthi im Jemen attackiert, teilten die Verbündeten in einer gemeinsamen, vom Pentagon veröffentlichten Erklärung mit.

Mit einem ungewöhnlich düsteren Lagebild hat sich gestern der ukrainische Heereschef zu Wort gemeldet. „Die Lage ist extrem gespannt und von intensivem Feuer von Artillerie, Minenwerfern und Kampfdrohnen sowie Sturmhandlungen des Gegners gekennzeichnet“, schrieb Olexander Syrskyj am Montagabend auf seinem Telegram-Kanal. Insbesondere im Nordosten der Ukraine sind die Verteidiger seit Monaten in der Defensive. Dort hatte Russland in den vergangenen Wochen mehrfach kleinere Geländegewinne vermeldet.

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat mit seinem neuen Asylgesetz einen Rückschlag erlitten: Das House of Lords, die zweite Parlamentskammer im Vereinigten Königreich, beschloss am Montagabend, den Abschiebe-Plan mit Ruanda vorerst nicht zu ratifizieren. Der von der ersten Parlamentskammer bereits gebilligte Entwurf der konservativen Regierung sieht vor, alle Migranten, die irregulär nach Großbritannien kommen, nach Ruanda abzuschieben. Sie sollen dann in dem ostafrikanischen Land um Asyl bitten. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen.

Trotz des Votums wird allgemein erwartet, dass das House of Lords letztlich das Vorhaben nicht blockieren wird. Allerdings ist eine Umsetzung vor der nächsten Parlamentswahl nun schwierig. Die sozialdemokratische Labour-Partei, die in Umfragen deutlich führt, hat bereits angekündigt, den Ruanda-Plan im Falle eines Wahlsiegs nicht weiterzuverfolgen.

Das gestoppte KfW-Förderprogramm für Klimafreundlichen Neubau (KFN) soll ab Februar wieder anlaufen und zunächst 750 Millionen Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds umfassen. Das kündigte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im Handelsblatt-Interview an. Das Programm war Mitte Dezember ausgesetzt worden, weil der dafür vorgesehene Geldtopf leer war.

Auch anderthalb Jahre nach der ersten Leitzinsanhebung der Europäischen Zentralbank (EZB) zahlten Ende 2023 rund zehn Prozent der Genossenschaftsbanken noch immer keine Zinsen auf Tagesgeld, ermittelte das Vergleichsportal Verivox exklusiv für das Handelsblatt. Ähnlich war die Situation für die Sparkassenkunden: Bei sieben Prozent der öffentlich-rechtlichen Geldhäuser gab es keine Tagesgeldzinsen.

Selbst bei jenen Volksbanken und Sparkassen, die Tagesgeldzinsen zahlen, sind die Renditen gering. Die Zinssätze liegen Verivox zufolge im Schnitt bei nur 0,59 Prozent beziehungsweise 0,6 Prozent Zinsen pro Jahr. Bundesweit aktive Banken boten durchschnittlich 1,71 Prozent.

Der Zins, den Banken für bei der EZB geparkte Mittel bekommen, beträgt vier Prozent. Dass viele Kreditinstitute die gestiegenen Zinsen auch in Zeiten hoher Inflation so zögerlich an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben, hat sich bereits negativ auf die Einlagen ausgewirkt: Sie sind bei Sparkassen und Volksbanken von Januar bis Ende November 2023 gesunken – erstmals seit dem Jahr 2000, so eine Analyse der Beratungsfirma PwC.

Wer auch nach Abzug der Inflation eine reale Rendite sehen will, für den führt also weiterhin kein Weg am Aktienmarkt vorbei. Der breit gefasste US-Aktienindex S&P 500 verbesserte sich gestern um 0,2 Prozent auf einen neuen Rekordschluss von 4850 Stellen. Der technologielastige Nasdaq rückte 0,3 Prozent auf 15.360 Zähler vor.

Einen ergreifenden Moment gab es gestern bei der Trauerfeier für Wolfgang Schäuble im Deutschen Bundestag. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte in seiner Trauerrede auf Deutsch:

Deutschland hat einen Staatsmann verloren. Europa hat eine Säule verloren. Frankreich hat einen Freund verloren.
Emmanuel Macron
Präsident Frankreichs

Von Bundeskanzler Olaf Scholz erwarten wir selbstverständlich, dass er sich bei nächster Gelegenheit mit einer Rede in tadellosem Französisch revanchiert – zum Beispiel beim zunächst verschobenen Staatsbesuch von Macron in Deutschland, der nun vom 26. bis zum 28. Mai nachgeholt werden soll. Zum Üben hier schon einmal die wichtigsten Kanzler-Vokabeln:

wer = qui
Führung = conduite
bestellen = commander
bekommen = recevoir

Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem Sie das, was Sie bekommen, auch tatsächlich bestellt haben.

Herzliche Grüße,

Ihr

Christian Rickens

PS: Bundesweit demonstrierten vergangene Woche hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus und die AfD. Währenddessen wird in der Ampelkoalition über eine Sanktionierung der Partei unterhalb der Schwelle des Parteiverbots diskutiert. Was wäre Ihrer Meinung nach der richtige Umgang mit der AfD? Wo lägen die Vor- und Nachteile? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in fünf Sätzen an forum@handelsblatt.com. Ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung am Donnerstag gedruckt und online.

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