Demonstrationen in Minsk Maria Kolesnikowa, die letzte Oppositionsführerin in Weißrussland

Die studierte Musikerin führt die Demonstrationen an.
Berlin Eigentlich ist Maria Kolesnikowa Flötistin und Dirigentin, die Weißrussin hat an der Musikhochschule Stuttgart studiert. Doch mit den feinen Künsten hat ihre derzeitige Aufgabe nur wenig zu tun. Die Bühne der 38-Jährigen, die insgesamt zwölf Jahre lang in Deutschland gelebt hat, ist die Politik. Kolesnikowa kämpft gegen den ihr verhassten weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko.
Sie ist es, die derzeit Hunderttausende Oppositionelle zusammenhält. Während ihre beiden Mitstreiterinnen Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo nach Vilnius und Moskau geflohen sind, ist Kolesnikowa als einzige der Oppositionsführerinnen in Minsk geblieben.
Zehntausende sammelten sich in der weißrussischen Hauptstadt auch an diesem Sonntag wieder, um gegen Langzeitdiktator Lukaschenko zu protestieren. Seit 26 Jahren herrscht er in dem Land, am 9. August wurde er wiedergewählt. Seitdem protestiert die Opposition wegen des Vorwurfs beispiellosen Betrugs. „Uchodi, uchodi!“, (hau ab) schreien Zehntausende Kehlen Lukaschenko entgegen – trotz der immensen Gefahr, dass nun wieder Tausende festgenommen und in Gefängnissen geprügelt und gefoltert werden.
Allen voran: Maria Kolesnikowa, die immer wieder mit dem Megafon dazu aufruft, friedlich zu bleiben. Denn sie will dem Machthaber keinen Vorwand liefern, erneut brutale Gewalt auszuüben. In Uniform hatte er am Samstag Truppen an der Außengrenze zu Polen besucht und zu „härtesten Maßnahmen zum Schutz von Weißrussland“ aufgerufen.
Die Opposition fürchtet eine Militärherrschaft. Oder einen russischen Einmarsch zum Schutz Lukaschenkos. Dabei hat Kolesnikowa immer wieder deutlich gemacht, dass „wir die Verträge mit Russland nicht infrage stellen“. Weißrussland bildet mit dem großen Nachbarn einen Unionsstaat.
Keine Polit-Karriere
Die beiden aus Angst vor Verfolgung geflohenen Oppositionsführerinnen vertraten ihre beiden vom Lukaschenko-Regime ins Gefängnis geworfenen Männer als Kandidatinnen gegen den Diktator. Kolesnikowa war nach Minsk zurückgekehrt, um für Viktor Babariko dessen „Kulturhub OK16“ zu leiten.
Babariko war Chef der zum Moskauer Staatskonzern Gazprom gehörenden Minsker Belgazprombank. Der aussichtsreiche Bewerber aber wurde kurz vor der Wahl mit seinem Sohn und Wahlkampfmanager verhaftet, Kolesnikowa vertritt ihn jetzt.
„Selbstachtung“ sei ihr das Wichtigste, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist genau das, was hier kein Wert ist.“ Mithilfe von zeitgenössischer Kunst habe sie „über die Probleme unserer Gesellschaft nachgedacht, über Geschlechterfragen, Gleichheit und Ungleichheit, Freiheit oder Nicht-Freiheit“. Statt der Flöte nutzt sie jetzt zeitweise das Megafon. Dauerhaft in die Politik wechseln will sie allerdings nicht.
Mehr: Zehntausende demonstrieren gegen Lukaschenko in Minsk.
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