Verstoß gegen Corona-Regeln EU-Handelskommissar Hogan tritt nach umstrittenem Dinner zurück

Wegen eines umstrittenen Dinners war der EU-Handelskommissar unter Druck geraten.
Brüssel Der irische EU-Handelskommissar Phil Hogan ist wegen des Verstoßes gegen Corona-Regeln in seinem Heimatland zurücktreten. „Es wurde immer klarer, dass die Kontroverse wegen meines jüngsten Besuchs in Irland von meiner Arbeit als EU-Kommissar ablenkte und meine Arbeit in den wichtigen nächsten Monaten untergraben würde“, begründete Hogan am Mittwochabend seinen Schritt.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat damit neun Monate nach ihrem Amtsantritt die ersten großen Turbulenzen in ihrem Team. Sie reagierte am Mittwochabend nur sehr knapp auf Hogans Erklärung. „Ich respektiere seine Entscheidung“, erklärte von der Leyen. Er sei ein wertvolles und respektiertes Mitglied der Kommission gewesen. „Für seine Zukunft wünsche ich ihm alles Gute“, fügte sie hinzu.
„Ich bin selbst zurückgetreten“, sagte Hogan dem irischen Sender RTE. Er habe nicht auf Anordnung der Kommissionschefin gehandelt. „Das ist die richtige Entscheidung und ich bin damit glücklich.“ Er betonte jedoch in dem Interview: „Ich habe keine Gesetze gebrochen, ich habe keine Regeln gebrochen, aber ich habe die Richtlinien nicht befolgt.“
Trotz einer neuerlichen Entschuldigung stand Hogan zuletzt immer stärker unter Druck. Die Regierung in Dublin distanzierte sich am Mittwoch von ihm. Hogan habe klar gegen Pandemie-Maßnahmen verstoßen, teilten Premierminister Micheal Martin und andere Politiker mit. Bereits am Samstag hatte Ministerpräsident Martin Hogan den Rücktritt nahegelegt.
Hogan hatte an einem Abendessen mit mehr als 80 Gästen in einem Hotel teilgenommen, obwohl kurz zuvor in Irland die Höchstgrenze für Treffen in geschlossenen Räumen auf nur noch maximal sechs Personen reduziert worden war. Hogan entschuldigte sich zwar für seine Teilnahme an dem Event, betonte aber, er sei davon ausgegangen, dass die Veranstalter alle Vorschriften einhielten. Von der Leyen hatte von Hogan eine Erklärung zu seinem Verhalten in Irland verlangt und diese seit Dienstag akribisch geprüft.
Hogan erklärte dann am Mittwochabend, er bedaure den Wirbel um seine Irland-Reise zutiefst. Er habe versucht, sich an alle Covid-19-Auflagen zu halten. „Ich bekräftige meine tief empfundene Entschuldigung an das irische Volk wegen der Fehler, die ich während meines Besuchs gemacht habe“, schrieb Hogan. Er sei sich der Schwere der Pandemie bewusst und verstehe die Wut der Betroffenen, wenn Amtsträger die Standards nicht einhielten. Er bezeichnete es als Ehre seines Lebens, als EU-Kommissar gedient zu haben.
Die irische Regierung bezeichnete Hogans Rücktritt als „richtigen Kurs“, auch wenn es für ihn persönlich eine schwierige Entscheidung gewesen sein dürfte. „Wir alle haben die Verantwortung, die öffentliche Gesundheit zu unterstützen und Richtlinien und Vorschriften einzuhalten“, heißt es in einer Mitteilung, die unter anderem von Premierminister Martin unterzeichnet war.
Hogan missachtete auch Quarantäne-Vorschrift
Das Gesundheitsministerium in Dublin warf Hogan außerdem vor, dass er nach seiner Einreise mit Fahrten innerhalb Irlands gegen Pandemie-Maßnahmen verstoßen habe. „Ich war für niemanden ein Risiko“, argumentierte der EU-Handelskommissar. Er sei schließlich kurz zuvor negativ auf das Coronavirus getestet worden.
Das Ministerium wies seine Darstellung klar zurück: Ein Test könne nicht jede Infektion erkennen. Nachdem Hogan aus Belgien eingereist sei, hätte er zwei Wochen lang Quarantäne-Maßnahmen beachten müssen.
Landwirtschaftsminister Dara Calleary trat bereits zurück, weil er dieselbe Veranstaltung wie Hogan besucht hatte. Die Corona-Regeln in Irland gehören zu den striktesten in Europa.
Der Handelskommissar ist eine der wichtigsten Positionen in der Brüsseler Behörde, die dafür zuständig ist, Handelsabkommen im Namen aller 27 Mitgliedsstaaten mit Partnern in aller Welt zu vereinbaren. Wer Hogans Posten übernehmen soll und ob es größere Personaländerungen geben würde, war zunächst unklar. Irland kann einen neuen Kommissar vorschlagen, denn jedes der 27 EU-Länder ist in der Kommission vertreten. Vertreter verschiedener Parteien in Irland begrüßten am Mittwochabend Hogans Rücktritt.
Hogan von der Fine-Gael-Partei hatte sein Amt als EU-Handelskommissar am 1. Dezember angetreten. Zuvor war er in der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker für die EU-Agrarpolitik zuständig gewesen. Anfang der 1980er-Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später unter anderem Umweltminister wurde.
Hogan gilt als erfahrener und versierter Politiker und Verhandler. Zuletzt war der Ire sogar als möglicher neuer Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) gehandelt worden. Weil sich die Neubesetzung des WTO-Posten verzögerte, verzichtete er dann allerdings auf eine Kandidatur.
Als Handelskommissar hatte Hogan zuletzt vor allem viel Zeit in das Projekt gesteckt, den Handelsstreit mit den USA beizulegen. So handelte er mit Washington jüngst einen Deal über gegenseitige Zollerleichterungen aus. Kurz zuvor hatten die USA auf eine angedachte Verschärfung ihrer Strafzölle auf Produkte aus Deutschland und anderen EU-Staaten verzichtet.
Weiteres große Themen für Hogan waren das geplante Handelsabkommen der EU mit Großbritannien sowie eine grundlegende Überprüfung der aktuellen EU-Handelspolitik. Dabei sollte es auch um die Frage gehen, ob die EU die richtigen Instrumente hat, um sich vor unfairen Wettbewerbspraktiken zu schützen.
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