Untersuchung von Shareaction Nachhaltigkeitsstudie wirft deutschen Banken Bummelei bei Klimazielen vor

Klimaschützer fordern mehr Engagement der Finanzbranche bei der Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Nichtregierungsorganisationen kritisieren immer wieder die bisherigen Anstrengungen der Institute.
Frankfurt Die gemeinnützige Organisation Shareaction wirft großen europäischen Banken mangelnde Fortschritte bei der Einführung und Umsetzung wichtiger Nachhaltigkeitsziele vor. Die Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Großbritannien hatte die Aktivitäten der 25 größten Kreditinstitute mit Blick auf deren Klimaziele, deren Transparenz über ihre Kohlendioxid-Emissionen, den Ausschluss bestimmter Branchen wie Kohle und Öl aus Geschäftsbeziehungen sowie den Schutz der Biodiversität untersucht.
Der am Montag veröffentlichte Bericht untersucht auch die Maßnahmen der deutschen Institute Commerzbank, Deutsche Bank und DZ Bank. Zwar haben sich alle drei Institute über ihre Teilnahme an der Net-Zero Banking Alliance dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein. Allerdings haben sie der Studie zufolge noch keine konkreten Schritte unternommen, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien spielt in der Finanzwelt eine wachsende Rolle. Die Einführung einer Taxonomie – also einer Art Checkliste – durch die Europäische Union, welche Aktivitäten als nachhaltig gelten, sowie das wachsende Interesse von Regulierungsbehörden an dem Thema setzen die Branche unter Druck, nachvollziehbare und nachprüfbare Angaben zum eigenen Klima-Engagement zu machen. Zuletzt sorgten Ermittlungen der US-Wertpapierbehörde SEC gegen die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank, wegen des Verdachts irreführender Nachhaltigkeitsangaben für Aufregung.
An den drei deutschen Instituten Commerzbank, Deutsche Bank und DZ Bank kritisiert Shareaction unter anderem, dass sie sich noch kein konkretes Enddatum für die Finanzierung von Kohleförderung und -verstromung gesetzt haben. Außerdem haben sie noch nicht aufgezeigt, wie sie die von ihnen finanzierten Emissionen bis 2030 halbieren wollen, um bis 2050 klimaneutral zu sein. Einen Weg zur Emissionshalbierung haben der Studie zufolge europaweit bislang nur drei Institute skizziert: Lloyds, NatWest und Nordea.
Die deutschen Häuser haben sich bislang auch noch keine Zwischenziele für einzelne, besonders kohleintensive Branchen gesetzt. Damit stehen sie allerdings nicht allein: Nur acht der 25 Institute haben sich Etappenziele vorgenommen, etwa BBVA und BNP Paribas für Kohleerzeugung und -verstromung für den Zeitraum 2030 bis 2040. Gerade einmal drei Banken, nämlich Barclays, Crédit Agricole und Natwest, haben sich sogar auf absolute Zwischenziele für den Emissionsausstieg eingelassen – und nicht nur einen Höchstanteil am Gesamtportfolio festgelegt.
Barclays berücksichtigt auch Investmentbanking
Besonders ehrgeizig ist die britische Großbank Barclays: Sie berücksichtigt nicht nur die Emissionen, die sie durch Kredite an Unternehmen finanziert, sondern bezieht auch ihre Kapitalmarktaktivitäten wie etwa die Platzierung von Anleihen für solche Unternehmen in die Berechnungen ein.
Die deutschen Institute betonten, dass auch sie bald Zwischenziele nennen werden. „Mit unserem Beitritt zur Net-Zero Banking Alliance im April 2021 haben wir uns als eines der ersten Institute weltweit verpflichtet, unseren CO2-Ausstoß bis spätestens 2050 vollständig zu neutralisieren. Zu dieser Verpflichtung gehört auch, dass wir Zwischenziele formulieren, was wir selbstverständlich tun werden“, sagte ein Commerzbank-Sprecher. Derzeit arbeite die Bank „mit Hochdruck“ daran, Portfolios zu analysieren und klare Ziele zu definieren.
Die Deutsche Bank bekräftigte, sie habe sich dazu verpflichtet, „bis Ende 2022 den CO2-Fußabdruck unseres Kreditportfolios zu kommunizieren und uns Reduktionsziele zu setzen“. Daran arbeite das Institut „mit großer Intensität“. Die Berechnung der konkreten Emissionen des Kreditportfolios sei eine Herausforderung für die gesamte Branche. Gleichzeitig sei sie aber auch die Voraussetzung dafür, konkrete Reduktionsziele formulieren zu können.
Die Deutsche Bank versprach zudem, in der Zukunft transparenter zu berichten. „Deshalb haben wir uns sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene dazu verpflichtet, den Kohlendioxid-Fußabdruck unseres Kreditportfolios von rund 440 Milliarden Euro bis spätestens Ende 2022 zu veröffentlichen“, sagte ein Sprecher.
Die DZ Bank betonte, sie habe für das Ziel, die Kredit- und Investmentportfolios in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen auszurichten, „bereits wichtige Schritte unternommen“. Gemessen an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wiesen zwei Drittel des Kreditportfolios der Bank „bereits heute einen positiven Beitrag auf“.
Die Bank finanziere erneuerbare Energien mit einem Volumen von 5,7 Milliarden Euro. „Dieses Volumen wollen wir bis 2022 auf sechs Milliarden Euro erhöhen“, sagte eine Sprecherin des genossenschaftlichen Spitzeninstituts.
Urgewald hält Kohlerichtlinien für ungenügend
Auch wenn keines der drei Institute, wie von Shareaction gefordert, bereits konkrete und vollständige Ausstiegsszenarien aus der Kohlebranche aufgezeigt hat, so haben alle drei ihren Umgang mit dieser Energieform in den vergangenen Jahren zumindest verschärft. Die Nichtregierungsorganisation Urgewald hatte allerdings erst unlängst die Kohlerichtlinien vieler deutscher Institute, darunter auch die von Commerzbank, Deutscher Bank und DZ Bank, teils als zu vage oder lückenhaft kritisiert.
Die Deutsche Bank etwa betonte, dass sie seit 2020 keine neuen Finanzierungen für Öl- oder Gasprojekte in der Arktis oder Ölsandprojekte gestellt hat und dass sie nach 2025 keinen Abbau von Kraftwerkskohle mehr finanzieren will. Schon 2016 habe sie keine neuen kohlebefeuerten Anlagen oder neue Kohleminen und die damit verbundene Infrastruktur finanziert. Der Anteil der Kohlefinanzierung liege mittlerweile bei weniger als 0,1 Prozent ihres – allerdings recht großen – Kreditportfolios.
Die DZ Bank schließt mittlerweile die direkte Finanzierung thermischer Kohle in der gesamten Wertschöpfungskette – von der Förderung bis zur Kohleverstromung – aus. Das bedeutet, dass sie keine neuen oder bestehenden Kohlekraftwerke finanziert und auch nicht die in der Wertschöpfungskette für thermische Kohle vorgelagerten Aktivitäten, insbesondere Förderung und Handel. „Zudem erfolgt keine indirekte Finanzierung von Unternehmen mit erhöhtem Kohleanteil, außer ein Transformationswille ist ersichtlich oder die Mittelverwendung für Kohle kann ausgeschlossen werden“, heißt es seitens der DZ Bank.
Die Commerzbank bekräftigte, sie habe 2016 eine verbindliche Kohlerichtlinie verabschiedet, die bestimmte Ausschlusskriterien formuliere. So finanziere die Commerzbank keine neuen Kohlekraftwerke oder -minen. „Entsprechend verzeichnen wir seit Jahren eine fallende Tendenz unseres Kohleengagements“, sagte ein Sprecher. Trotzdem nehme man die Kritik sehr ernst und überarbeite derzeit die Kohlerichtlinie. Urgewald kritisiert unter anderem, dass sich die strengeren Vorschriften bei der Commerzbank bislang nur auf Neukunden beziehen.
Wesentlich konsequenter sind die Kohlebeschlüsse der italienischen Großbank Unicredit, zu der auch die Hypo-Vereinsbank gehört: Unicredit kündigte vor rund einem Jahr an, bis 2028 weltweit komplett aus der Finanzierung von Kohle auszusteigen. Damit gemeint ist die gesamte Wertschöpfungskette im Kohlebereich, vom Abbau bis zur Verstromung des Energieträgers. In der Übergangszeit bis zu diesem Zeitpunkt will das Institut nur noch solchen Unternehmen Finanzierungen anbieten, deren Kohleanteil am Umsatz unter der Schwelle von 25 Prozent liegt und die sich verpflichten, bis 2028 vollständig auszusteigen.
Mehr: Langsamer Ausstieg: Deutsche Banken finanzieren noch immer viele Klimasünder
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