Luftfahrt Die Pandemie befeuert das Geschäft mit Privatjets

Die Pandemie hat die Nachfrage nach den Geschäftsflugzeugen nach oben getrieben.
Frankfurt Überflüssiger Luxus oder sinnvolle Ergänzung? Privatjets sorgen immer wieder für Aufregung. Etwa, als der Fußballer Cristiano Ronaldo kürzlich seine von einem Auto angefahrene Edelkatze mit dem Privatflieger für rund 3000 Euro zum Tierarzt seiner Wahl fliegen ließ. Oder im vergangenen Jahr, als Rainer Seele, Chef des österreichischen Ölkonzerns OMV, wegen seiner Reisen im Privatjet in den Fokus geriet.
Doch ungeachtet solcher emotionalen Debatten hat die Pandemie dem Geschäftsmodell Business Aviation frischen Schwung verliehen. Zwar mussten auch die Anbieter und Vermarkter der Geschäftsflugzeuge im vergangenen Jahr wegen Corona ihre Tätigkeit deutlich herunterfahren. Doch seit Monaten erholt sich die Nachfrage nach den kleinen Flitzern am Himmel.
Vor allem Manager und Unternehmer greifen in Zeiten der Pandemie wieder häufiger auf das private Flugzeug zurück. Besitzen müssen sie es dazu nicht. Das Angebot an Dienstleistern, die solche Flugzeuge zur Verfügung stellen, ist groß.
Ebenso wie die Vorteile in Zeiten der Pandemie: nur wenige und häufig auch persönlich bekannte Passagiere, die mitreisen, eine eigene Abfertigung jenseits der großen Schalter im Flughafenterminal, eine höhere Flexibilität – damit kann der Flug in einem Businessjet in diesen Tagen punkten. Erst recht auf Strecken, die von den Linienanbietern aktuell kaum oder gar nicht angeboten werden, weil die Nachfrage für die großen Linienflugzeuge hier noch zu gering ist.
„Die private Luftfahrt spielt seit Langem eine immer wichtigere Rolle bei Geschäftsreisen, und jetzt umso mehr“, sagt Thomas Flohr, Gründer und Chairman von Vistajet. Das Unternehmen bietet den Kunden Zugang zu insgesamt rund 70 Privatflugzeugen – entweder als Abo für eine bestimmte Zahl an Flugstunden oder gegen die Bezahlung jeder einzelnen Flugstunde. „Die Menschen sind aktuell mehr denn je auf der Suche nach einfachen, flexiblen, effizienten und zugleich sicheren Reiselösungen“, ist sich Flohr sicher.
Starke Nachfrage nach Privatjets in den USA
Der Unternehmer berichtet, dass mittlerweile gut 70 Prozent der neuen Anfragen, die Vistajet erreichen, von Passagieren stammen, die in der Vergangenheit nicht regelmäßig Geschäftsflieger-Angebote genutzt haben. Eine Entwicklung, die durch die Daten von Informationsdiensten wie WingX Advance aus Hamburg bestätigt wird.
Danach steuern die Businessjets aktuell rund 19 Prozent zu allen weltweiten Flugbewegungen bei, die von Flugzeugen durchgeführt werden. Ein Jahr zuvor lag der Anteil noch bei rund zwölf Prozent. Wer also die finanziellen und technischen Möglichkeiten hat, statt auf einen Linien- auf einen Privatjet zuzugreifen, macht das mittlerweile häufiger als vor einem Jahr und damit zu Beginn der Pandemie.
Das trifft vor allem auf die USA zu. Dort stieg die Nachfrage nach Flügen mit dem Geschäftsflugzeug im März gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresmonat um elf Prozent. In Europa lag der Wert im März zwar immer noch um zwölf Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahresmonat. Aber die Experten von WingX beobachteten zuletzt auch hier ein stark steigendes Interesse an Geschäftsfliegern. Im Januar und Februar sei das Minus mit 26 Prozent noch deutlich höher gewesen.
Der wachsende Bedarf an Businessjets zeigt sich auch an anderer Stelle: im Markt für Gebrauchtflugzeuge. Nach Berechnungen des Flugzeugbrokers Colibri Aircraft wurden in den USA – mit einem Anteil von 70 Prozent der größte Markt für gebrauchte Privatflugzeuge – im vergangenen Jahr 1637 Jets verkauft, ein Plus von 9,5 Prozent. In Europa, dem zweitgrößten Markt, waren es 154 Privatflugzeuge, nach 152 im Jahr 2019. Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr 2227 Geschäftsflugzeuge den Besitzer – im Wert von immerhin 14,5 Milliarden US-Dollar.

Häufig sieht es in den Kabinen der Geschäftsflugzeuge allerdings deutlich bescheidender aus.
Der Verkauf von gebrauchten Privatflugzeugen sei trotz der insgesamt selteneren Flugreisen in der Pandemie sehr stabil geblieben, so Oliver Stone, Managing Director von Colibri Aircraft: „Die Vorteile des Privatfliegens wurden während der Coronakrise noch einmal deutlich vor Augen geführt.“ Man habe viele neue Kunden begrüßen dürfen, die zuvor nie mit dem Privatflugzeug geflogen seien. In der Branche wird mittlerweile bei einigen Flugzeugmustern sogar schon von Engpässen berichtet.
Das mag auch daran liegen, dass die kleinen Flugzeuge immer häufiger auch für den Urlaub eingesetzt werden. So erlebten die Baleareninseln Mallorca und Ibiza über Ostern eine regelrechte Flut von Privatflugzeugen. Zwischen dem 28. März und dem 5. April landeten laut Daten des Charteranbieters Europair 387 Privatjets auf den beiden Inseln.
Mittlerweile werden um die Privatjets herum sogar ganze Pauschalreisen gebaut. Das erst im vergangenen Sommer gegründete Unternehmen Travelcoup Deluxe will mit seinem Angebot ab dem 6. Mai starten – mit Businessjets für acht Passagiere oder bei Bedarf auch etwas mehr Kunden. Ziele sind etwa Mallorca oder Ibiza, die Zielgruppe sind Kunden, die sich normalerweise auch für den Urlaubstrip ein Ticket in der Premium-Economy- oder der Businessklasse gönnen. Den Flug nach Mallorca und zurück, den Transfer von und zum Flughafen sowie sieben Hotelübernachtungen gibt es zum Beispiel für 2320 Euro pro Gast.
Wie lange der Privatfliegerei der aktuelle „Rückenwind“ erhalten bleibt, ist indessen offen. Vor der Pandemie sahen sich die Anbieter von Geschäftsflugzeugen einer zunehmenden Debatte über Umweltverschmutzung und Klimaschutz ausgesetzt. 2019 hatten zum Beispiel Aktivisten der Organisation „Extinction Rebellion“ das Terminal für Privatjets am Flughafen Genf und den Londoner City Airport blockiert, der stark von Businessflugzeugen angesteuert wird.
Diese Kritik ist nicht aus der Welt, sie wird aktuell nur stark durch die Pandemiefolgen überlagert. Wer als Manager oder Unternehmer in einen Privatjet steigt, muss sich das also sehr genau überlegen. Andererseits ist es wesentlich einfacher, einen kleinen Privatjet zu elektrifizieren oder mit nachhaltigem Sprit zu betreiben, als eine große Flotte von Großraum- und Mittelstreckenflugzeugen.
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Wenn man mal aus dem Corona-Blues raus will, zur Zeit, in der Tat, die beste Option, Daumen hoch, 5 Sterne.
PS: Wird auch nach Corona eine sinnvolle Variante bleiben. Die Neigung, seinen Mitmenschen mit Distanz zu begegnen, wird eine der wenigen guten Auswirkungen dieser Pandemie sein.