Ebusco Dieses E-Bus-Start-up hängt Daimler und MAN ab

Die dritte Busgeneration ist aus Carbon hergestellt und vier Tonnen leichter als ein vergleichbares Modell.
Berlin Peter Bijvelds legt sich mit den Mächtigen der Busbranche an: Seine erst zehn Jahre junge Firma Ebusco hat bereits 200 Elektrobusse im Einsatz. Weitere 200 stehen im Orderbuch, während etablierte Branchenführer die Produktion gerade erst hochfahren oder mit ihrem elektrischen Erstling auf Roadshow gehen.
Daimler, MAN, die niederländische VDL und die polnische Firma Solaris dominierten lange das Geschäft mit Stadtbussen – bis die Klimakrise kam und mit ihr die Frage, ob dieselgetriebene Fahrzeuge eigentlich noch zeitgemäß sind. Allein in Deutschland sind 33.000 davon im öffentlichen Nahverkehr unterwegs. Ein gewaltiges Potenzial.
Das sehen auch Newcomer in der traditionsreichen Branche wie der Niederländer Bijvelds. In der Diesel-Ära gaben Daimler und Co. den Ton an. Jetzt fahren Unternehmen wie Ebusco vorneweg – technologisch jedenfalls. Konkurrenten und Marktexperten halten Bijvelds' noch relativ kleines Unternehmen aus Deurne nahe Eindhoven derzeit jedenfalls für einen der innovativsten Elektrobushersteller Westeuropas.
Ebusco fährt bei potenziellen Kunden in diesen Tagen mit der dritten Bus-Generation vor, hergestellt aus Carbon und vier Tonnen leichter als ein vergleichbares Modell. Die Reichweite beträgt 300 Kilometer. Batterien und Motoren werden in China zugekauft. Sonst ist alles „Made in Europe“. Die Liste der Zulieferer reicht von Continental bis ZF.
Der Einkauf von Batterien und Motoren in China hat es aber erst möglich gemacht, dass Ebusco schon 2012 mit seinem ersten Modell auf den Markt kam. Heute, acht Jahre später, schickt MAN gerade seinen ersten Elektrobus auf Deutschlandtournee und Daimler liefert seine erste Serie des eCitaro aus.
Dazu kommt: Die meisten Hersteller nehmen ihre klassischen Dieselbuskarossen, werfen den Motor raus und bauen den Elektroantrieb rein. Die dritte Ebusco-Generation dagegen ist komplett neu als Elektrofahrzeug mit einem vollständig ebenen Fahrgastraum konzipiert.
Vor allem Gewicht und Reichweite zählen im E-Bus-Geschäft. Je geringer das Gewicht, desto mehr Leistung lässt sich aus den Batterien herausholen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beklagt, dass die zurzeit angebotenen Fahrzeuge meist nur 150 Kilometer ohne Nachladen schafften. Es müssten aber mindestens 200, am besten 250 Kilometer für den typischen Nahverkehrsbetrieb sein. Ein Grund, warum die Umrüstung der Busflotte auf Elektromobilität nicht so recht vorankomme.
Größter E-Bus-Auftrag in Europa ging an chinesische Firma
Ebusco-Gründer und CEO Bijvelds hält das Argument für „kompletten Nonsens“. Schon seine zweite Busgeneration – noch als Stahlkarosse gebaut – schaffe mehr als 200 Kilometer, ohne an die Steckdose zu müssen. Trotzdem halten sich kommunale Verkehrsunternehmen aus Deutschland mit Bestellungen zurück. Borkum, Bocholt, Bonn und München orderten nur einzelne Fahrzeuge. „Kann der auch große Serien und Service?“, fragen sich potenzielle Einkäufer hinter vorgehaltener Hand.
Kann er. Landsleute schenken Bijvelds mehr Vertrauen. An Groningen hat Ebusco im Herbst 60 Stadtbusse geliefert. Und in diesem Jahr geht die Großbestellung über 156 Fahrzeuge für die Region Amsterdam/Haarlem in die Fertigung. Aber selbst in den Niederlanden schlägt einem Start-up wie Ebusco Skepsis entgegen.
Wim van der Leegte, Chef der familiengeführten VDL Groep, stellte kurz vor Weihnachten in einem offenen Brief die Frage, ob die niederländischen Verkehrsbetriebe keine Verantwortung gegenüber den heimischen Herstellern hätten. Stattdessen bestellten sie Busse aus China, kritisierte der Busbauer. Und gefährdeten heimische Arbeitsplätze.
Tatsächlich ist in Holland der größte bislang in Europa vergebene E-Busauftrag über 259 Fahrzeuge an den chinesischen Weltmarktführer BYD gegangen. In Großbritannien ist BYD ohnehin gut im Geschäft. Und als erste deutsche Kommune hat Bochum im August 20 E-Busse bei BYD geordert. Die Lieferung soll binnen zwölf Monaten erfolgen. Built Your Dreams (BYD) hat schon Tausende elektrisch angetriebene Busse vor allem für den chinesischen Markt gebaut.
Auch Ebusco hält der VDL-Chef für einen „Importeur chinesischer Busse“. Bijvelds versteht die Aufregung nicht. 70 Prozent der Wertschöpfung kämen aus Europa, versichert der Ebusco-Chef. In Wahrheit geht es natürlich darum, dass ein Neuling den Markt aufmischt.
Breite Unterstützung dürfte der Niederländer dagegen von Henning Kagermann bekommen. Der einstige SAP-Chef und Vorsitzender der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität beklagt ganz offen den Rückstand der heimischen Industrie. In Berlin sagte Kagermann vor Fachleuten in der vergangenen Woche, wenn man Europa mit China vergleiche „kommen einem Tränen in die Augen“. Die Umstellung auf emissionsarme oder -freie Antriebe gehe viel zu langsam voran. „Es ist uns nicht gelungen, genügend First-Mover zu finden.“ Damit meint Kagermann vor allem die Hersteller.
Marktführer bei Dieselbussen wie Daimler oder MAN waren viel zu spät auf den Elektrobus aufgesprungen. Ausländische Hersteller wie Solaris aus Polen oder VDL aus den Niederlanden sind längst dick im Geschäft.
Laut Umweltbundesamt verursachen Busse gerade mal vier Prozent der Stickoxide im gesamten Straßenverkehr. Pkw machen dagegen 55 Prozent aus. Das hindert die Europäische Kommission allerdings nicht daran, Druck zu machen. In ihrer Clean Vehicle Directive schreibt die Kommission ab August 2021 verbindliche Quoten für die Beschaffung von Fahrzeugen durch die städtischen Verkehrsbetriebe vor.
Mindestens 45 Prozent der neu beschafften Fahrzeuge sollen damit in gut anderthalb Jahren schon mit emissionsarmen Antrieben ausgestattet sein. Dazu zählen dann allerdings nicht nur elektrisch angetriebene oder mit einer Brennstoffzelle ausgerüstete Fahrzeuge, sondern auch Antriebe mit Biokraftstoffen oder Flüssiggas. Die Hälfte der neu zugelassenen Flotten soll nach den Vorstellungen Brüssels dann allerdings emissionsfrei sein. Ab 2026 steigt die Quote auf 65 Prozent.
Niederlande weiter als Deutschland
Umgesetzt ist diese Regelung in Deutschland bislang nicht. Aber die niederländischen Nachbarn preschen bereits vor: Ab 2025 darf dort kein Stadtbus mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen werden, ab 2030 müssen alle eingesetzten Busse emissionsfrei sein.
Deshalb ist die Elektrifizierung der Stadtbusflotten in den Niederlanden auch schon viel weiter als hierzulande. Mit 770 Fahrzeugen beträgt der Anteil emissionsfreier Busse schon 15 Prozent der gesamten Flotte. Dagegen sehen die 400 Elektrofahrzeuge deutscher Kommunalbetriebe eher bescheiden aus. Vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass bundesweit 33.000 Stadtbusse unterwegs sind. Ende dieses Jahres, so schätzt der Branchenverband VDV, dürften 1000 Elektrobusse zwischen Flensburg und München unterwegs sein.
Daimler war zwar spät in das neue Geschäft gestartet, buchte aber gleich den größten Auftrag, den ein kommunales Verkehrsunternehmen hierzulande zu vergeben hatte: Wiesbaden hat 120 Batteriebusse eCitaro bestellt. Die ersten 56 Fahrzeuge wurden bis zum Herbst vergangenen Jahres geliefert. Der Rest rollt bis 2021 an. Aus Hamburg, Hannover und Berlin liegen weitere Bestellungen vor. Eine Gesamtzahl will Daimler allerdings auch auf Nachfrage nicht nennen. Viele Städte warten nur darauf, dass neue Förderprogramme aufgelegt werden. Die alten Programme sind lange ausgebucht.
So nimmt die Umstellung auf Elektrobusse langsam Fahrt auf. Interessant für die Industrie wird es aber jetzt im Ausland. „Innenhalb Europas werden sich die Nachfragemärkte mittelfristig deutlich verschieben“, sagt Maria Leenen vom Beratungsunternehmen SCI Verkehr. Die Niederlande blieben nicht mehr die Nummer Eins, dafür würden Frankreich, Italien und Spanien wichtiger. Grund: Dort sind die E-Busflotten noch sehr klein.
SCI schätzt den Gesamtmarkt auf 5700 E-Busse bis 2023. Gemessen an heutigen Preisen sind das mindestens drei Milliarden Euro Umsatz. Die heimischen Hersteller sollten Anbieter wie BYD allerdings nicht unterschätzen, warnt Leenen. Dieses Unternehmen „drängt spürbar auf den europäischen Markt und versucht mit Kraft in Kontinentaleuropa Fuß zu fassen“.
Die Konkurrenz aus China könnte für die Busbranche noch dramatischer werden. Auf einer Fachausstellung in der vergangenen Woche blieb ein Ausstellungsplatz leer. Er war für CRRC reserviert. Der weltgrößte Bahntechnikhersteller aus China wollte dort seinen Elektrobus präsentieren. Der Corona-Virus verhinderte das. So ist die Botschaft untergegangen: CRRC will in Europa nicht nur Lokomotiven verkaufen.
Mehr: Vier Achsen, eine Länge von 27 Metern und Platz für 250 Passagiere. Der größte Elektrobus der Welt von BYD stellt neue Bestwerte auf.
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...Zeit des Umbruchs...gut so