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Social Media Facebook springt auf den Live-Audio-Trend auf: Wie der Konzern ins Ohr der Nutzer will

Facebook-Managerin Fidji Simo will die Plattform zum Ort für Live-Diskussionen machen. Dabei ist der Hype um das Vorbild Clubhouse längst verflogen. Kommt Facebook also zu spät?
22.04.2021 - 12:59 Uhr Kommentieren
Social-Media-Konzerne wollen nach dem Vorbild von Clubhouse in Audio-Formate investieren. Quelle: AFP
Soziale Netzwerke

Social-Media-Konzerne wollen nach dem Vorbild von Clubhouse in Audio-Formate investieren.

(Foto: AFP)

San Francisco Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hört Fidji Simo so viele Podcasts wie nie zuvor. Als Chefin des Facebook-Netzwerks ist die Französin quasi die Nachfolgerin von Konzerngründer Mark Zuckerberg.

Doch solange die strengen Ausgangssperren des Silicon Valley gelten, hat auch Simo mehr Zeit: „Mein Lieblingspodcast ist zur Zeit „Bio Eats World“ von der Risikokapitalfirma Andreessen Horowitz über Biologie“, sagt Simo im Interview mit dem Handelsblatt. „Ich versuche in meiner Freizeit Sachen zu hören, die wenig mit meinem Job zu tun haben und meinen Horizont erweitern.“

Podcasts werden künftig jedoch mehr mit Simos Job zu tun haben, denn auch das weltgrößte soziale Netzwerk will seinen Horizont erweitern.

In einem Blogbeitrag kündigte Simo am Montag an, ab dem Sommer neue Audio-Formate auf Facebook zu bringen. In Live-Audio-Räumen sollen Facebook-Gruppen diskutieren können und ihre Diskussionen als Podcasts verbreiten.

Das Prinzip des Live-Audio-Raums ähnelt Clubhouse – einer App aus San Francisco, die seit Mitte 2020 in den USA und im Januar auch in Deutschland Furore machte. Der Kampf ums Ohr der Nutzer verspricht die nächste Milliarden-Schlacht der Plattform-Konzerne zu werden.

Apple setzt auf Podcasts, Twitter auf Live-Diskussionen

Apple baut seine Podcast-App zu einer Art App Store für Premium-Inhalte aus. Vor Facebook haben bereits andere soziale Netzwerke wie Reddit und Linkedin eigene Audio-Produkte innerhalb ihrer Netzwerke angekündigt oder gestartet. Nachdem Clubhouse ein Vier-Milliarden-Dollar-Angebot von Twitter abgelehnt hatte, baute der Kurznachrichtendienst mit „Spaces“ ein eigenes Audio-Angebot in seiner Plattform ein.

Der schwedische Musik-Streamingdienst Spotify übernahm Ende März die Firma hinter Locker Room, einer bei Sportfans in den USA beliebten Livechat-App. Die größte Wette auf Audio-Inhalte versuchte aber Microsoft: Für die bei Gamern beliebte App Discord bot der Xbox-Mutterkonzern zwölf Milliarden Dollar und blitzte ab. Discord plant stattdessen seinen Börsengang.

Facebook ist bekannt dafür, erfolgreiche Funktionen anderer Plattformen zu kopieren. Snapchats „Stories“ gibt es inzwischen auf Instagram, Facebook und WhatsApp. An Tiktoks lustigen Kurzvideos versuchte sich der Zuckerberg-Konzern erst in der kurzlebigen „Lasso“-App, nun gibt es mit „Reels“ auf Instagram ein ähnliches Produkt.

„Es ist aktuell ein sehr fragmentierter Markt mit sehr unterschiedlichen Formaten“, sagt Facebook-Chefin Simo. „Wir bieten die ganze Breite von Audio-Funktionen: Kurz- und Langform, live und als Aufnahme.“

Die Facebook-Managerin ist verantwortlich für die App und will stärker auf Audio-Kanäle setzen. Quelle: Facebook
Fidji Simo

Die Facebook-Managerin ist verantwortlich für die App und will stärker auf Audio-Kanäle setzen.

(Foto: Facebook)

Dabei hat Facebook einen Vorteil: 2,8 Milliarden aktive Nutzer weltweit hat keine andere Plattform. 1,8 Milliarden davon nutzen Facebook-Gruppen. „Wir verfolgen, was Nutzer ohnehin auf der Plattform tun und versuchen, das einfacher zu machen – so entwickeln wir Produkte“, sagt Simo.

Gruppenanrufe auf Messenger und WhatsApp seien in der Corona-Pandemie viel mehr genutzt worden als zuvor. Zudem hätten 170 Millionen Nutzer die Facebook-Seiten von Podcasts geliket.

In die Audio-Strategie ist zumindest mehr Liebe und Innovationskraft geflossen, als in manche frühere Facebook-Kopie: Facebook-Nutzer können sogenannte „Soundbites“ teilen, entweder als Clips aus einem längeren Live-Raum oder als eigenständiges Format, als eine Art Audio-Version der Tiktok-Videos.

Mit Bearbeitungs-Funktionen in der App können Nutzer Nebengeräusche aus ihrer Aufnahme filtern und Audio-Clips mit Musik und Spezialeffekten wie Applaus oder Filtern für ihre Stimme versehen. In der Clubhouse-App kann man bislang nicht einmal Gespräche aufzeichnen, um sie danach zu verbreiten.

Clubhouse gerät unter Druck

Das dürfte ein Grund sein, warum das Interesse an dem Original bereits stark nachgelassen hat: Laut Zahlen der Analysefirma Sensor Tower, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen, sind die Downloads der App in Deutschland seit Februar massiv eingebrochen: Nach 380.000 Clubhouse-Downloads im Januar und 385.500 im Februar waren es im März nur noch 89.000 und bis zum 19. April nur noch 28.000.

Deutschland steht dabei für einen weltweiten Trend: Im Februar hatte Clubhouse mit global 9,6 Millionen Downloads seinen besten Monat überhaupt, im März waren es nur noch 2,7 Millionen und bis zum 18. April 643.000.

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Das Start-up aus San Francisco beschränkt sein Wachstum bisher absichtlich. Die App lässt neue Nutzer nur nach Einladung durch einen bisherigen Nutzer zu. Zudem gibt es sie nur auf Apples iOS-Betriebssystem, nicht auf dem weiter verbreiteten Android von Google.

In einem Beitrag auf dem eigenen Firmenblog begründet Clubhouse die Strategie, erst mal ihre Wachstumsschmerzen überwinden zu wollen: „Es ist kein Geheimnis, dass unsere Server in den vergangenen Monaten manchmal überlastet waren und das Wachstum hat die Empfehlungsalgorithmen für Räume, die unser kleines Team gebaut hat, überfordert.“ Inzwischen habe man die Infrastruktur stabilisiert, eine Bezahlfunktion eingebaut und stehe kurz vor dem Start auf Android.

Ob das noch einmal einen zweiten Clubhouse-Hype auslöst, ist fraglich. Seine Investoren glauben daran: Statt das Start-up zu verkaufen, steckten sie 200 Millionen Dollar in das Unternehmen – zu eben der Bewertung von vier Milliarden Dollar, die Twitter geboten hatte.

Im Februar hat Clubhouse global 9,6 Millionen Downloads verzeichnet. Quelle: Reuters
Clubhouse

Im Februar hat Clubhouse global 9,6 Millionen Downloads verzeichnet.

(Foto: Reuters)

Kurios dabei: Zu den Clubhouse-Investoren der ersten Stunde zählt Andreessen Horowitz, das mit Investitionen in die Newsletter-Plattform Substack, Clubhouse und hauseigene Inhalte wie etwa Fidji Simos Lieblings-Podcast in letzter Zeit eine Reihe von Alternativen zur aktuellen, von Verlagen geprägten Medienlandschaft fördert.

Ihre Meriten verdiente die 2009 gegründete Risikokapitalfirma mit einem frühen Investment in Facebook. Ihr Chef Marc Andreessen sitzt bis heute in Facebooks Board.

Anders als für den kleinen Konkurrenten ist Audio für den Social-Media-Konzern aber nur ein Feature unter vielen: „Wir haben eine wunderbare Funktion für Events in der Nähe, die Menschen dazu bringt, sich in der physischen Welt zu begegnen“, sagt die Facebook-Managerin. „Trotzdem wird Audio auch nach der Pandemie wichtig bleiben, weil es sich nahtlos in unseren Alltag einfügt. Man kann zuhören, während man seine Wäsche macht und muss sich nicht fragen, ob man gerade kameratauglich aussieht.“

Facebook kann mit seinen Audio-Funktionen an bestehende Nutzer-Profile und Interessen anknüpfen: Simo nennt als Beispiel eine Kochgruppe für philippinisches Essen mit 310.000 Mitgliedern, die von einem ehemaligen Teilnehmer einer TV-Kochshow moderiert wird. Oder der nach eigenen Angaben weltgrößte Oktopus-Fanclub „OctoNation“ mit 47.000 Mitgliedern weltweit.

Die Audio-Räume haben auch Risiken

Auch Comedians könnten dort ihren Fans begegnen: Jan Böhmermann hat auf Facebook mehr als eine Million Fans, Dieter Nuhr gut 500.000. Die Audio-Funktionen soll es Kreativen ermöglichen, Geld auf Facebook zu verdienen – so wie professionelle E-Sportler oder Musiker es mit Video-Livestreams bei Twitch schon seit 2019 können. Ein Unterstützungsfonds für Kreative soll helfen, eigene Formate zu finanzieren.

Zuhörer können dabei Pakete von „Sternen“ kaufen, mit denen sie Anbieter eines Streams belohnen können. Vom Verkauf jedes Pakets nimmt Facebook eine Provision, die von drei bis 30 Prozent reicht. Auch die Option, Eintritt zu verlangen, will Facebook „bald nach dem Start“ der Audio-Funktionen im Sommer einführen. Audio-Werbung, die nach Themen gezielt eingespielt wird, kann sich Simo im Gespräch mit dem Handelsblatt ebenfalls vorstellen. Bisher sei das aber nicht geplant.

Rentieren dürfte sich das Projekt für Facebook eher indirekt – über höhere Werbeeinnahmen in seiner App: „Facebooks Organisationsprinzip ist es, Nutzer möglichst lange in seinen Apps zu halten“, schreibt der US-Podcast-Experte Nick Quah. „Clubhouse ist gerade heiß? Dann lasst uns das machen. Podcasting ist heiß? Dann rein damit.“

Dass Facebook die Audio-Räume für alle Nutzer öffnet, birgt aber Risiken, die man im Konzern nur zu gut kennt. Seit Jahren kämpft Facebook mit Lügen, Verschwörungstheorien und Gewaltvideos, die sich auf der Plattform schneller verbreiten als die Algorithmen und menschlichen Moderatoren sie löschen können. Das Problem ist bei Live-Audio noch virulenter, weil es für Algorithmen schwerer zu analysieren ist, als geschriebener Text oder Bilder.

Simo gibt sich dennoch gelassen: „Wir haben viele Fortschritte in der Übertragung von Sprache in Text gemacht“, sagt die Managerin. Die Erfahrung, Live-Videos zu moderieren, helfe dabei – nachdem ein Neonazi im neuseeländischen Christchurch 2019 seinen Amoklauf live auf Facebook übertragen hatte, hat das Unternehmen in die Verbesserung dieser Algorithmen investiert. „Aber auch Künstliche Intelligenz macht Fehler, darum können Nutzer zusätzlich Räume melden, in denen gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen wird.“ Moderatoren könnten die Transkripte dann überprüfen und eine Entscheidung treffen.

Mehr: Augmented Reality: Der heiße Kampf um die nächste Plattform

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