Karl-Erivan Haub Retter sehen nur noch eine minimale Überlebenschance für den Tengelmann-Chef Haub
Zürich Karl-Erivan Haub ist ein großer Zermatt-Liebhaber: Jedes Jahr verbrachte der Tengelmann-Chef ein bis zwei Wochen in dem schweizerischen Alpendorf. So setzt das Verschwinden des Unternehmers den Rettern aus Zermatt merklich zu. „Viele von uns kannten ihn persönlich“, sagte Anjan Truffer, der Leiter des Rettungsdienstes, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Auch vier Tage nach dem Verschwinden des Managers fehlt jede Spur.
Der 58-Jährige war an der schweizerisch-italienischen Grenze auf 3800 Metern Höhe auf einer Skitour unterwegs. Als er zu einer Verabredung um 16 Uhr in Zermatt nicht erschien, begann die Familie sich Sorgen zu machen. Am Sonntagmorgen ging bei der Kantonspolizei Wallis eine Vermisstenmeldung ein. Sofort seien Suchtrupps zusammengestellt worden, sagte Rettungsdienstleiter Truffer. Doch die Bedingungen für die Suche in der Gletscherregion sind schwierig – und den Rettern läuft die Zeit davon.
Zuletzt wurde Haub am Samstagmorgen um 9.10 Uhr in der Bergstation des Skigebietes am Kleinen Matterhorn gesehen. Der Manager wollte für die „Patrouille des Glaciers“ trainieren, die als das härteste Skirennen der Welt gilt.
Weil Haub eine Tagestour geplant hatte, war er alleine unterwegs. Dabei trug er nur leichte Kleidung und einen Rucksack. Für den Manager sei die Unterkühlung deshalb die größte Bedrohung, sagte Axel Mann, leitender Rettungsarzt von Air Zermatt. Während der ersten zwei bis drei Tage stünden die Chancen für eine Rettung am besten. „Wir sehen im Moment noch eine minimale Chance.“
Das Problem: Das Gebiet rund um das kleine Matterhorn ist rund 240 Quadratkilometer groß und vergletschert. Der Manager könnte von einer Lawine erfasst oder in eine Gletscherspalte gefallen sein. Laut dem Walliser Staatsanwalt Dominic Lehner sei derzeit nicht klar, ob ein Unglück oder ein Verbrechen vorliege.
Haubs Handy wurde zuletzt in der Region Trockener Steg geortet. Von dort aus kann der Manager sich für viele Wege entschieden haben, so Rettungsdienstchef Truffer. Bis zu 60 Retter seien im Einsatz gewesen. Rund zwei Dutzend Retter und zwei Helikopter suchen weiter nach dem Vermissten. Man habe jede technische Möglichkeit eingesetzt, bislang aber keinen Erfolg erzielt. „Der Vermisste kann praktisch überall sein“.
Die Familie des Tengelmann-Chefs hatte für die Suche viel Geld zur Verfügung gestellt. „Aber das macht für uns keinen Unterschied“, sagte der Rettungsdienstchef. „Wir sind Helfer.“ Irgendwann müsse man aber entscheiden, ob die Suche noch einen Sinn macht.

Die Haubs zählen zu den reichsten Deutschen.
Haubs Bruder Christian wendete sich am Dienstagabend in einem Brief an die Mitarbeiter des Konzerns. „Mein Bruder ist ein sehr erfahrener Skitourengänger und Bergsteiger, so dass wir trotz der Zeit, die inzwischen verstrichen ist, die Hoffnung nicht aufgeben, ihn bald zu finden“. Dennoch stelle sich die Familie auf eine längere Abwesenheit von Karl-Erivan ein. Der Geschäftsbetrieb werde jedoch ganz ruhig und geordnet weiterlaufen.
Der Unternehmer hatte dem Familienimperium Tengelmann in den vergangenen Jahrzehnten seinen Stempel aufgedrückt. Der am 2. März 1960 in Tacoma im US-Bundesstaat Washington geborene Sohn des kürzlich verstorbenen Unternehmers Erivan Haub hatte Ende der 1990er Jahre die Führung übernommen und Tengelmann drastisch umgebaut.
Karl-Erivan Haub nahm harte Einschnitte vor. Schritt für Schritt zog er sich aus dem Lebensmittelhandel – der Keimzelle des Unternehmens – zurück. Den Abschluss bildete Ende 2016 der Verkauf der Supermarktkette Kaiser's-Tengelmann. Stattdessen investierte er in den boomenden Online-Handel.
Tengelmann ist eines der weltweit bedeutendsten Handelsunternehmen. Heute gehören zur Unternehmensgruppe 73 Beteiligungen, die einen Umsatz von etwa 30 Milliarden Euro erwirtschaften und mehr als 215.000 Mitarbeiter beschäftigen. Zum Firmenverbund zählen unter anderen der Textildiscounter Kik und die Obi-Baumärkte.