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InterviewDie Rückkehr der Hausbar

Ein Tresen, eine eigene Spirituosen-Auswahl und dann selbst den Gin-Tonic mixen: Die Hausbar galt lange als piefig, jetzt feiert sie ihr Comeback. Ein Bar-Trainer über edle Drinks, Einsteigerfehler und Tresen-TherapeutenTimo Steppat 18.02.2014 - 10:19 Uhr Artikel anhören

„Durch die Fußball-WM in Brasilien könnte *die Caipirinha zurückkehren“: Barkeeper und -trainer Matthias Knorr.

Foto: Handelsblatt

München. An Don Draper ist der Style der 60er abzulesen. Wenn der Titelheld aus der die TV-Serie „Mad Men“ abends nach Hause kommt, geht er zur kleinen Bar in seinem Wohnzimmer und mischt sich einen Old Fashioned. Der Drink war schon damals ein Klassiker: Angostura-Bitter, Whiskey, Zucker und eine Orangenscheibe.

In Mode und Inneneinrichtung ist der Retro-Trend der 60er längst wieder angesagt, nun feiert die längst vergessene Institution von Don Draper ihre Renaissance: die Hausbar. Zu den 1960er-Jahren gehören die selbst gemixten Drinks und Cocktails dazu wie Minirock und Zigarettenqualm.

2011 stellten Marktforscher bereits die steigende Begeisterung bei den Deutschen fest, selbst als Hobby-Barkeeper hinter den heimischen Tresen zu steigen und ganz im Sinne eines Don Drapers Martini, Whiskey Sour oder Pink Lady zu mixen. Experten vermuten nun, das Phänomen könnte sich zum Massentrend entwickeln.

Von gediegenem Flair verrauchter Bars ist bei der „Finest Spirits“, einem der größten Spirituosen-Festivals Deutschlands, wenig zu spüren. Die dreitägige Veranstaltung widmet sich schwerpunktmäßig der Hausbar und wie sich Laien in den eigenen vier Wänden einen guten Cocktail mixen. Über 8000 Interessierte schieben sich durch das Museum der Münchner Verkehrsbetriebe, in dem mehr als 100 nationale und internationale Aussteller ihre hochprozentigen Spirituosen präsentierten.

Handelsblatt Online sprach darüber mit Matthias Knorr. Er coacht Gastronomen, bildet Barkeeper aus und leitet auch Privatleute im Cocktails-Mixen an.

Seit zehn Jahren betreiben Sie eine Barschule in München, in der Sie professionelle Barkeeper ausbilden und gelegentlich Schnupperkurse für Privatleute anbieten. Wächst das Interesse am Cocktails-Mixen zuhause?
Matthias Knorr: Wir haben seit ein paar Jahren deutlich mehr Anfragen für Schnupperkurse. In der ersten Zeit haben wir das gemacht, um auch Anfängern unsere Leidenschaft weiterzugeben. Aber der Andrang ist so groß geworden, dass das Geschäftsfeld für uns deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Viele der Kursteilnehmer, die heute zu uns kommen, haben schon umfangreiche Vorkenntnisse, die sie einbringen können. Vor allem aber ist das Bewusstsein für Qualität gewachsen.

Was meinen Sie damit?
Die ganze Branche hat diese Entwicklung vollzogen. Hochwertige Spirituosen und Zutaten stehen heute im Mittelpunkt, was sich auch darin ausdrückt, dass stärker auf Herkunft und Herstellung geachtet wird. Es geht um die Verfeinerung von Drinks und Cocktails und weniger um Massenabfertigung. Das hat sich auf die Gäste übertragen: Genießer wollen nicht nur beim Essen einen hohen Standard, sie wollen auch einen sehr guten Drink danach zu sich nehmen.

Überlebt oder noch in? Die Trendcocktails von 2013
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Aber wieso will man Edel-Drinks jetzt auch zu Hause mixen?
Die Hausbar hat für viele eine besondere Faszination. Sie wollen gerne Gastgeber sein und ähnlich wie beim Essen selbst experimentieren. Wer gerne auf hohem Niveau isst und genießt, will sich auch am heimischen Herd ausprobieren. Hinzu kommt, dass die Nichtraucher-Schutzgesetze vieles verändert haben. Ein Drink und eine gute Zigarre gehören für viele zusammen, das höre ich bei unseren Kursen sehr oft. Das ist aus meiner Sicht auch ein Grund dafür, wieso es einen Trend in die eigenen vier Wände gibt.

Wozu dann aber einen Cocktail-Kurs? Es gibt doch eine Vielzahl von soliden Büchern über das Drink-Mixen.
Gerade bei der Technik des Mixens gibt es viele Dinge, die man nur schwer mit Worten ausdrücken kann. Wie schüttele ich zum Beispiel richtig? Wie rühre ich einen Cocktail optimal? Das sind Dinge, die wir leicht weitergeben können. So wie es auch beim Wein Verkostungen gibt, machen wir Sensorik-Tests, bei denen Teilnehmer lernen, das Verhältnis zwischen Säure, Süße und Stärke des Getränks genau einzuschätzen und auszutarieren.

Gibt es denn aus Ihrer Sicht auch die viel beschworene Renaissance der Hausbar?
Ob so viele Leute direkt eine Bar mit Tresen zuhause haben, bezweifele ich. Aber die Zahl der Leute, die sich eine gewisse Auswahl von Spirituosen zuhause haben, ist über die Jahre gewachsen.

Ich möchte mir also selbst eine Hausbar zusammenstellen. Was brauche ich auf jeden Fall?
Ich empfehle jedem, dass man sich überlegt, welche Drinks man selbst gerne mag und sich entsprechend raussucht, was man dafür braucht. Viele mögen keinen Gin, wieso sollte er dann im Regal stehen? Mit wenigen Zutaten lässt sich schon viel kombinieren und große Auswahl herstellen. Im Internet gibt es beispielsweise Cocktail-Generatoren, mit denen man leicht herausfindet, was man sich mit den Zutaten, die man schon zuhause hat, mixen kann. Das ist auch ein Punkt, den ich in der Gastronomie-Beratung immer wieder empfehle: Lieber eine gute, aber überschaubare Karte haben.

So groß muss die eigene Hausbar gar nicht sein: Der Profi-Barkeeper empfiehlt, nur kleine Mengen von hoher Qualität vorzuhalten.

Foto: dpa
Der Weg zur Arbeit: Alkohol und Fahrtüchtigkeit
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Gut, ich habe mir jetzt eine Minibar zusammengestellt. Welchen klassischen Einsteiger-Fehler gibt es beim Cocktails-Mixen?
Der erste Fehler ist sicherlich, zu viel zu trinken (lacht). Ansonsten spielt besonders die Temperatur des Eises eine wichtige Rolle. Das Kühlschrank-Eis, das die meisten zuhause nutzen, ist einfach zu warm. Dadurch verwässert der Drink zu schnell und verliert an Güte. Eine gute Eistemperatur liegt bei minus 15 Grad. Eine Kühltruhe kann das durchaus leisten, wichtig ist aber, dass die Eiswürfel groß genug sind. Ich denke, es lohnt sich, gelegentlich professionelles Eis zu kaufen. Das gibt es auch in kleineren Mengen zu einem fairen Preis.

Was muss ich beim Shaken selbst beachten?
Es ist wichtig, ein Gefühl für die richtige Zeit zu entwickeln. So banal das klingt: Nicht zu kurz und nicht zu lang. Ich sehe oft Leute, die wild hin- und herschütteln – das bringt nichts. Die Bewegung muss kreisend sein. Bei einer guten Rezeptur ist wichtig, dass die Mengen genau eingehalten werden. Außerdem sollte man die Gläser vorkühlen und das Eis, das beim Shaken genutzt wird, gehört nicht ins Gäste-Glas – das macht schon einen großen Unterschied.

Sie haben von einem wachsenden Qualitätsbewusstsein gesprochen. Sind die Deutschen bereit, die entsprechenden Preise zu zahlen?
Bei jungen Leuten gibt es zwar großes Interesse, aber es fehlt noch das Geld für die wirklich guten Produkte. Je reifer die Leute werden, desto mehr steigt auch die Bereitschaft, den entsprechenden Preis für einen Drink oder eine Spirituose zu zahlen. Wer einmal etwas wirklich Gutes probiert hat und sich damit auseinandersetzt, dem fällt es schwerer, sich wieder auf das günstige, vielleicht minderwertige Produkt einzulassen. Diese Entwicklung lässt sich sehr gut am Wodka nachvollziehen.

Inwiefern?
Bis vor ein paar Jahren war der Markt für Wodka sehr stark eingeschränkt. Durch den breiten Zuspruch, den der Wodka inzwischen hat, ist auch die Produkt-Palette gewachsen. Heute gibt es viele Sorten, die ich durchaus auch pur trinke, weil sie sehr fein destilliert sind, ein weiches Aroma haben und oft sogar interessante Getreide-Noten vorhanden sind

Meinen Sie, das entwickelt sich zum Massentrend?
Nein, ganz sicher nicht. Auch die sehr feinen Drinks sind auf ein relativ eng umrissenes Publikum festgelegt, aber es gibt durchaus Potential. Das lässt sich vielleicht mit den schottischen Malt-Whiskeys vergleichen. In den 1980er Jahren wuchs in der Szene das Interesse und ist inzwischen ein Massenphänomen geworden.

Sie sprechen viel vom Premium-Segment. Funktioniert das vor allem in einer reichen Stadt wie München?
Auch im Ruhrgebiet und in Berlin gibt es sehr gute Bars, die stärker auf Details achten und in Richtung Qualität gehen. Weltweit gesehen hat Deutschland eine äußerst vitale Cocktail-Szene, da es sehr viele Metropolen gibt, die jeweils spannende Entwicklungen vollziehen und sich zum Teil gegenseitig befruchten.

Wenn sich nun aber mit etwas Übung jeder Normalo einen Cocktail mixen kann, was bleibt noch für die Bars?
Natürlich kann sich ein Gast auch zuhause einen guten Drink mixen. In der Gastronomie gehört aber mehr dazu. Als Barkeeper muss man auch ein guter Gastgeber sein. Dazu gehört, zügig zu arbeiten, um Zeit für kurze Gespräche zu haben und um Aufmerksamkeit schenken zu können.

Der Barkeeper als Tresen-Therapeut?
Nein, die Zeiten sind inzwischen vorbei. Dabei handelte es sich oft auch mehr um Mythenbildung. Es geht viel mehr um Entertainment. Wer sich zu einem relativ hohen Preis einen Cocktail gönnt, kann auch ein bisschen Show erwarten. Das können kleine Zaubertricks oder das Werfen von Flaschen sein.

Derzeit sucht die Branche nach einem neuen Trend. Aperol Spritz oder Hugo haben sich überlebt, oder?
Ein Trend-Drink verschwindet selten ganz von der Bildfläche, aber es wird sehr viel weniger bestellt. Durch viele Beiträge und Reportagen ist bekannt, dass Hugo von manchen Gastronomen deutlich überteuert angeboten wurde. Der Warenwert ist mit Holunderblüten-Sirup, Minze und Prosecco relativ niedrig. Viele Gastronomen haben es teuer verkauft. 2012 waren die Gäste bereit, den Preis zu zahlen – aber die Begeisterung ist erst mal weg.

Was wird der Sommertrend 2014 sein?
Sehr stark gewachsen ist Gin and Tonic. Das heißt, es wird nicht mehr der alt bekannte Gin-Tonic bestellt, sondern ein ganz spezieller Gin, den ich mag und dazu das passende Tonic-Water. Gin and Tonic ist ein guter Drink für den Sommer. Ich halte es auch nicht für unwahrscheinlich, dass durch die Fußball-WM in Brasilien *die Caipirinha zurückkehrt.

Was macht diesen Drink eigentlich so beliebt, dass er auf fast keiner Bar-Karte fehlt?
Es ist ein Klassiker, der aber seine drei Komponenten sehr gut verbindet. Einerseits die kulturelle Belohnung durch die Süße, andererseits die Säure, die wir als Erfrischung wahrnehmen und das gemischt mit einer guten Spirituose – das ergibt einen einfachen, aber äußerst stimmigen Cocktail, der gerade für den Sommer geeignet ist. Außerdem gibt es heute weit bessere Sorten des Cachacas, also dem Zuckerrohrschnaps, der für die Caipirinha genutzt wird.

Matthias Knorr ist Geschäftsführer und Inhaber der Barschule München. Er ist Weltrekordhalter im Speedmixen und steht mit drei Rekorden im Guinness-Buch.

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*Aus dem brasilianischen Portugiesisch heißt Caipirinha frei übersetzt „Mädel vom Land“. So macht es Sinn, die weibliche Form auch im deutschen Sprachgebrauch zu verwenden. Viele Cocktails tragen weibliche Artikel, etwa: die Pina Colada.

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