Gastbeitrag: „Das Euro-Abenteuer geht seinem Ende entgegen“

Karl Albrecht Schachtschneider (links), emeretierter Staatsrechtler, und Bundesbank-Chef Jens Weidmann unterhalten sich während der Anhörung zum EZB-Anleiheprogramm vor dem Bundesverfassungsgericht. Schachtschneider klagte gemeinsam mit Starbatty, Nölling und Hankel gegen die Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) die Gelegenheit zu geben, das OMT-Programm der EZB durch restriktive Auslegung dem Vertragswerk der Europäischen Union anzupassen, nimmt dem Programm ökonomisch die Wirksamkeit. Das BVerfG hat klargestellt, dass das Programm, so wie es formuliert ist, ein ausbrechender Rechtsakt ist, also das demokratierechtlich für die europäische Integration wesentliche Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung missachtet.
Es ist zu erwarten, dass der EuGH diese Rechtsfrage anders beurteilt. Dieses „Gericht“ pflegt sich als Motor der Integration zu betätigen. So hat es die Eurorettungspolitik in seinem mehr als fragwürdigen ESM-Urteil auch gegen das Bail-out-Verbot des Vertrages gestützt. Aber das BVerfG wird die Verfassungsidentität damit die Souveränität Deutschlands auch gegen den EuGH zur Geltung bringen und bringen müssen. Es wird für Deutschland ultra-vires-Maßnahmen auch und gerade der allenfalls für die Geldpolitik demokratisch legitimierten EZB unterbinden. Es hat in dem Vorlagebeschluss ausdrücklich den Auslegungsspielraum, den es zu akzeptieren bereit ist, dem Vertrag gemäß eng eingeschränkt.
Maßnahmen der EZB müssen vorrangig die Preisstabilität gewährleisten. Allenfalls nachrangig dürfen sie die Wirtschaftspolitik der Union unterstützen, wenn das „ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist“ (Art. 127 Abs. 1 AEUV). Die Übernahme der Staatsanleihen soll nach dem OMT-Programm (wie auch jetzt schon) selektiv erfolgen und von der Erfüllung der Auflagen abhängen, welche der ESM dem hilfsbedürftigen Staat macht und vor einer gezielten, wenn auch formal mittelbaren, aber dennoch vertragswidrigen (Art. 123 AEUV), Staatsfinanzierung durch die EZB nach deren OMT-Programm gemacht haben muss.
Das BVerfG hat erkannt, dass diese Konditionierung mit dem Demokratieprinzip unvereinbar ist. Es hat klargestellt, dass das Programm so, wie es formuliert ist, die Befugnisse der EZB evident und entgegen dem Kompetenzgefüge verletzt. Ohne ein vertragskonforme und damit restriktive Interpretation des OMT-Programms durch den EuGH wird die Verfassungsbeschwerde gegen dieses „voraussichtlich Erfolg“ haben, sagt das deutsche Gericht. In der Substanz ist die Entscheidung gefallen. Damit fällt das OMT-Programm in sich zusammen. Ein gestutztes Programm kann die Markwirkungen nicht entfalten, welche die unbegrenzte so gut wie kostenlose Finanzierungszusage für Mitgliedstaaten bewirkt. Darüber kann der EuGH nicht hinweghelfen. Das Verfahren dauert jetzt nur länger, so dass noch mehr Zeit für den Euro gewonnen ist. Die Märkte werden schnell reagieren.
Das BVerfG hat sich seiner Verantwortung für die deutsche Verfassungsidentität und die Souveränität Deutschlands nicht entzogen, sondern der Union gewissermaßen wegen des Kooperationsverhältnisses zwischen den Höchstgerichten eine Mitwirkungsmöglichkeit offeriert. Am letzten Wort in Sachen des Rechts in Deutschland, also des Schutzes der Prinzipien, die nicht zur Disposition der Integrationspolitik stehen, wie allem voran der Kern des demokratischen Prinzips, hält das deutsche Gericht fest, mit vollem Recht.
Der Beschluss gibt den Verfassungsbeschwerden gegen das OMT-Programm und die monetäre Staatsfinanzierung in vollem Umfang Recht. Das ist ein großer Erfolg vor allem für die von mir vertretene Beschwerde, weil wir ausführlich die ökonomischen Implikationen vor allem der Maßnahmen der EZB in das Verfahren eingebracht haben. Das Verhältnis von Geldpolitik und monetärer Finanzpolitik war und ist die Kernproblematik dieses jetzt abgetrennten Verfahrens. Die Vorlage beim EuGH habe ich erwartet. Sie irritiert mich nicht. Das Euro-Abenteuer geht unerbittlich seinem Ende entgegen, trotz aller Vorteile der für Deutschland unterbewerteten Währung für die deutsche Exportwirtschaft. Diese ist die eigentliche Verletzung der europäischen Solidarität, weil sie den Ländern mit überbewerteter Währung keine Wettbewerbschance in der Union und auf dem Weltmarkt lässt.





