Gastbeitrag: Luxus lässt sich kaum besteuern, Reichtum schon
Stefan Bach ist Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin.
Foto: PRDie hohe Kunst der Steuerpolitik besteht darin, den Staat zu finanzieren ohne einzelne Gruppen übermäßig zu belasten und die wirtschaftliche Entwicklung zu gefährden. „Optimal taxation“ heißt das auf Neudeutsch. Luxussteuern haben dabei auf den ersten Blick große Vorteile. Sie treffen keine Armen und lösen auch keine große Steuervermeidung aus, soweit mit dem Luxuskonsum Exklusivität, Distinktion und Sozialstatus demonstriert werden. Aber was genau soll belastet werden und kann man mit Luxussteuern ein nennenswertes Aufkommen erzielen?
Wirkliche Luxusgüter lassen sich kaum wirksam besteuern. Jachten am Mittelmeer oder in der Karibik kann das deutsche Finanzamt nur schwer bewerten. Privatflugzeuge werden gerne auch dienstlich genutzt. Schmuck und Edelmetalle kann man leicht im Ausland kaufen. Kunst oder andere wertvolle Sammlungen in Privatwohnungen aufzuspüren und zu bewerten ist auch nicht leicht.
Ein größeres Steueraufkommen lässt sich nur erzielen, wenn man gehobene Konsum-güter breiter belastet. Früher gab es für solche Produkte in vielen Ländern höhere Mehrwertsteuersätze und Sonderverbrauchsteuern. Sie wurden Anfang der 90er Jahre abgeschafft, als mit der Einführung des Europäischen Binnenmarkts die Zollkontrollen wegfielen. Wenn solche Sondersteuern wieder eingeführt werden sollen, müsste dies wohl europaweit koordiniert werden, um Direktkäufe über die Grenzen zu begrenzen. Dazu ist Einstimmigkeit im EU-Ministerrat erforderlich, die sich nur langwierig erreichen lässt.
Größere nationale Handlungsspielräume gibt es bei den Steuern auf Kraftfahrzeuge, von denen die skandinavischen Länder weidlich Gebrauch machen. In Dänemark beträgt die Zulassungsteuer 105 Prozent auf Preise bis 11.000 Euro und 180 Prozent für übersteigende Beträge. Dergestalt alle Autos zum Luxusgut zu machen geht in der Autofahrernation Deutschland natürlich gar nicht.
Zumindest könnte man hierzulande schwere Dienstfahrzeuge und SUVs mit solchen Abgaben belasten. Doch das führt schnell zu skurrilen Abgrenzungsproblemen und Gestaltungen, von denen die Steuergeschichte voll ist. Als in den 70er Jahren in Italien eine empfindliche Sondersteuer auf Autos mit mehr als 2 Liter Hubraum galt, wurden dort prompt Sportwagen mit speziellen Turboladern angeboten, um trotzdem eine standesgemäße Beschleunigung zu erreichten. „Ferrari fiscale“ nannte der Volksmund diese Modelle liebevoll.
Großbritannien
Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer beträgt 50 Prozent und die effektive Gesamtbelastung des Topverdieners ist extrem hoch. Wer als Single 150.000 Euro verdient und 50.000 Euro Zinseinkünfte hat, muss 58.000 Euro Steuern an das Schatzamt Ihrer Majestät überweisen – 38,7 Prozent beträgt laut Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die effektive Belastung seines Gehalts.
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Und auch die Freude über 50.000 Euro Zinseinkünfte wird durch eine Steuer in Höhe von 44,2 Prozent erheblich geschmälert. Insgesamt errechnet sich daraus eine Gesamtlast von 40 Prozent.
Wer 300.000 Euro brutto verdient, muss effektiv gar 45,2 Prozent Steuern und Abgaben zahlen, wer 600.000 Euro verdient 48,3 Prozent. Doch die britische Regierung hat angekündigt, 2013 den Spitzensatz auf 45 Prozent senken zu wollen.
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Das Mutterland des Kapitalismus, die Vereinigten Staaten von Amerika, ist heute alles andere als eine Steueroase – zumindest für Menschen mit Arbeitseinkommen. In der Finanzmetropole New York beträgt der Spitzensteuersatz inklusive aller lokalen Zuschlägen fast 48 Prozent. Er greift ab Einkommen von umgerechnet rund 360.000 Euro. Zinsen werden mit dem persönlichen Steuersatz belastet.
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Ein Angestellter mit einem Einkommen von 150.000 Euro sowie 50.000 Euro Zinseinnahmen muss insgesamt knapp 37 Prozent Steuern und Abgaben zahlen. Damit ist New York 2,5 Prozentpunkte oder gut 5.000 Euro günstiger als Frankfurt. Wer 300.000 Euro verdient, spart in New York dagegen nur noch 2.150 Euro gegenüber Frankfurt. Bei 600.000 Euro Einkommen ist New York sogar 3.760 Euro teurer als Deutschland.
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Hierzulande liegt die effektive Belastung der drei Modell-Spitzenverdiener mit Steuern und Sozialabgaben bei 39,4 Prozent (150.000 Euro Arbeitseinkommen und 50.000 Euro Kapitaleinkommen); 41,9 Prozent (300.000 Euro Arbeitseinkommen und 50.000 Euro Kapitaleinkommen) sowie 44,5 Prozent (600.000 Arbeitseinkommen und 50.000 Euro Kapitaleinkommen).
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Großzügiger zeigt sich der französische Fiskus – bislang zumindest. Denn der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande will im Fall seines Wahlsiegs den Spitzensteuersatz kräftig erhöhen – und würde damit den bislang recht guten Rang der Grande Nation in internationalen Einkommensteuer-Rankings aufs Spiel setzen.
Derzeit beträgt der Spitzensteuersatz in Frankreich lediglich 41 Prozent. Ein leitender Angestellter mit 150.000 Euro Gehalt muss effektiv 36 Prozent Steuern und Sozialabgaben auf sein Einkommen zahlen. Zinsen werden pauschal mit 31,1 Prozent besteuert; die Gesamtbelastung dieses Arbeitnehmers ist mit 34,8 Prozent etwa 4,7 Punkte geringer als die eines vergleichbaren deutschen Kollegen.
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Mit zunehmendem Einkommen verringert sich allerdings der Abstand; bei 600.000 Jahreseinkommen ist in Frankreich die Belastung lediglich noch zwei Punkte geringer als in Deutschland. Der französische Topmanager zahlt also etwa 13.000 Euro weniger Steuern und Abgaben als ein deutscher.
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Noch etwas günstiger ist es in der Schweiz, genau genommen am Standort Zürich. In der Schweiz verlangt nämlich nicht nur der Zentralstaat, sondern auch der Kanton und die Gemeinde einen Anteil am Einkommen. Zudem wird in der Schweiz der persönliche Steuersatz auf Zinsen erhoben; eine Abgeltungsteuer wie in Deutschland kennen die Eidgenossen nicht.
Foto: dpaSchweiz
In Zürich muss ein leitender Angestellter mit 150.000 Euro Jahreseinkommen gut 31 Prozent Steuern und Sozialabgaben zahlen – acht Prozentpunkte oder 16.546 Euro weniger als in Deutschland. Bei einem Einkommen von 300.000 Euro schrumpft der Belastungsunterschied auf 4,5 Prozentpunkte und bei 600.000 Euro Einkommen ist Zürich noch 3,2 Prozentpunkte preiswerter als Frankfurt – das entspricht gut 21.000 Euro.
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Das Paradies für Spitzenverdiener ist Singapur. Alleinstehende Angestellte mit einem Jahresbruttoeinkommen von 150.000, 300.000 beziehungsweise 600.000 Euro sowie Zinseinkünften von 50.000 Euro müssen in dem asiatischen Stadtstaat lediglich 13, 15,5 beziehungsweise 17,6 Prozent an den Fiskus zahlen – inklusive Arbeitnehmeranteil an den Sozialabgaben, der immerhin mit rund 9.000 Euro pro Jahr zu Buche schlägt.
Foto: dapdSingapur
Der Spitzensteuersatz beträgt in Singapur gerade einmal 20 Prozent. Er wird bei Einkommen oberhalb von 163.000 Euro fällig. Zinseinkünfte sind gänzlich steuerfrei – kein Wunder, dass es so viele Führungskräfte nach Singapur zieht.
Foto: dpaWeitgehend in nationaler Hand ist die Immobilienbesteuerung. In Großbritannien schlagen die Liberaldemokraten eine „mansion tax“ in Höhe von 1 Prozent auf Immobilienwerte über 2 Millionen Pfund vor, konnten sich damit aber bisher nicht in der Regierung Ihrer Majestät durchsetzen. Auch hier steckt der Teufel kräftig im Detail. Und Superreiche, die in Deutschland gerne in eher bescheidenen Eigenheimen wohnen, trifft man damit auch nicht.
Statt tatsächlichen oder vermeintlichen Luxuskonsum mit kleinlichen Abgaben zu überziehen, soll man auf die bewährten Steuern zurückgreifen und Mitbürger moderat stärker belasten, die hohe Einkommen erzielen oder über hohe Vermögen verfügen. Angesichts der starken Konzentration der Einkommens- und Vermögensverteilung lässt sich damit selbst bei hohen Freibeträgen ein spürbares Steueraufkommen erzielen.
Natürlich soll man es dabei nicht übertreiben und Ausweichreaktionen sowie wirtschaftliche Kollateralschäden beachten. Bei Steuerhöhungen für Unternehmen ist Vorsicht angezeigt, da hier der internationale Steuersenkungswettlauf anhält. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sollten Liquidität und Selbstfinanzierung geschont werden. Hohe Kapitaleinkommen von Privatanlegern könnte man aber durchaus wieder stärker belasten als mit 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Soli. So könnte man den Abgeltungssteuersatz anheben, die Kapitaleinkünfte wieder progressiv besteuern oder eine moderate Vermögensteuer oder -abgabe einführen.
Ferner sollte man die überzogenen Vergünstigungen für Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer reduzieren. Dank verbesserter internationaler Kooperation der Finanzbehörden und politischem Druck auf die Steueroasen hat auch die internationale Steuerflucht ihre besten Zeiten hinter sich.
Auf jeden Fall sollten wir bei der Luxus- und Reichensteuerdiskussion unproduktive und unangenehme Sozialneiddebatten wie in Frankreich vermeiden. Wer auf ehrliche Weise reich geworden ist, Arbeitsplätze schafft und Steuern zahlt, verdient Respekt und soll auch luxuriösen Konsum unbeschwert genießen dürfen. Wirtschaft und Gesellschaft sind aber kollektive Veranstaltungen, die ein geordnetes Gemeinwesen erfordern. Da könnten die kräftig gestiegenen Spitzeneinkommen einen etwas größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten, vom dem sie besonders profitieren. Das sehen offenbar auch immer mehr Reiche so.
Stefan Bach ist Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Berlin.