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Pädophilie-Debatte„Ich bin entsetzt“

Handelsblatt-Online-Kolumnist Marek Dutschke ist überzeugter Grüner. Jürgen Trittins Fehler in der Pädophilie-Debatte hält er für unverzeihlich. Nach der Wahl, so fordert Dutschke, sollte Trittin in die zweite Reihe.Marek Dutschke 18.09.2013 - 06:39 Uhr Artikel anhören

Marek Dutschke: „Nichtsdestotrotz werde ich am Sonntag grün wählen und werbe für grüne Politik.“

Foto: Handelsblatt

Ich bin seit mehr als zehn Jahren Parteimitglied und habe bei fast jeder Wahl die Grünen - zumindest mit der Zweitstimme - gewählt. Soll ich mich für diese Wahlentscheidungen jetzt schämen, soll ich sie bedauern oder gar bereuen? Oder ist das alles Schnee von gestern?

Die Vermutung liegt nahe, dass einige Bürger ihre Stimmen deswegen den Grünen verwehren werden. Ich bin selbst zweifacher Vater und kann diese Entscheidung nachvollziehen. Dass meine eigene Partei in ihren Anfängen pädophilen Gruppen eine Plattform ermöglicht hat, kotzt mich an. Nachmittags auf dem Spielplatz muss ich mich schon als Grüner rechtfertigen und es fällt mir eigentlich nichts ein.

Es ist hinlänglich bekannt, dass die frühen Grünen ein Sammelsurium verschiedener politischer Strömungen waren, aber die Verbindung zu pädophilen Gruppen kann nicht mit dem Hinweis auf die verrückten Anfangsjahre oder einem vorgeblichen damaligen Zeitgeist verteidigt werden. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin hat damals einen schwerwiegenden Fehler begangen.

Jürgen Trittin: Absichtlich hat er pädophiles Gedankengut wohl nicht geduldet, wahrscheinlich hat er wirklich nicht so genau gewusst, was da alles im Programm stand.

Foto: dpa

Ich glaube zwar nicht, dass er absichtlich pädophiles Gedankengut geduldet hat, wahrscheinlich hat er wirklich nicht so genau gewusst, was da alles im Programm stand. Doch als Politiker ist und war er verantwortlich. Hier wurde eine rote Linie überschritten. Der Protest gegen die damalige Gesellschaft und ihre krustigen Strukturen war das Leitmotiv der Alternativen, es beinhaltete natürlich auch ein neues Familienbild, das die Jüngeren mehr in den Vordergrund rückte und sich vom autoritären Patriarchen und den rigiden Erziehungsmethoden distanzierte.

Doch genau hier wurden diese Ideen von jenen Kräften infiltriert, die unter der mündigen Behandlung von Kindern ganz andere Dinge verstanden. Dass dies in seiner ganzen Entsetzlichkeit nicht erkannt und gebannt wurde, ist nun zu einem Riesenproblem für die Grünen geworden. Urgrüne wie Jürgen Trittin, die für sich in Anspruch nehmen, damals erkämpft zu haben, was heute Mainstream ist und propagieren, immer ihrem Gewissen und nie der vorherrschenden Meinung gefolgt zu sein, sind stark beschädigt. Ist er auch damals seiner Überzeugung gefolgt?

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Die Parteigeschichte der Grünen ist bunt und wild, aber auch dunkel. Grüne sind keine besseren Menschen. Der Versuch, die eigene Geschichte auszusitzen, ging nach hinten los. Die Beauftragung der Aufarbeitung kam viel zu spät. Die Grünen werden es am Wahlergebnis merken. Ich habe bereits vor Monaten kundgetan, dass ich mir einen anderen Spitzenkandidaten gewünscht hätte, weil ich mir beim Spitzenpersonal mehr Erneuerung erhoffte.

Jetzt ist Trittin zur Belastung geworden und wird den Grünen am Sonntag Stimmen kosten. Nach der Wahl sollte sich die Fraktion genau überlegen, in welcher Funktion sie an ihm festhalten möchte. Nichtsdestotrotz werde ich am Sonntag grün wählen und werbe für grüne Politik.

Ich bin entsetzt über die Vergangenheit meiner Partei, aber wichtiger ist es mir, die verfehlte Politik der schwarz-gelben Koalition abzuwählen. Die Grünen haben ein überzeugendes Wahlprogramm vorgelegt, und bei der Abwägung am Wahltag sollten die Grünen auf diese Grundlage bewertet werden.

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