Der Transformer: Schnelles Internet, oder: Autobahnschild am Feldweg
Nico Lumma ist freier Berater und gehört zu den wichtigsten Internetköpfen in Deutschland.
Foto: HandelsblattEs ist lange her, dass Boris Becker die epische Frage stellte: „Bin ich schon drin?“ Aber drin sein, das reicht im Zeitalter des allgegenwärtigen Internets nicht mehr – auf die Geschwindigkeit kommt es an. Auch allen Internetministern der Großen Koalition ist das mittlerweile klar geworden. Daher wird kein Anlass ausgelassen, auf die Wichtigkeit des Breitbandausbaus innerhalb der Digitalen Agenda hinzuweisen. Schade nur, dass nichts passieren wird.
Verkehrsminister Dobrindt soll den Breitbandausbau voranbringen. Doch selbst das höchstens mittelmäßige Ziel von flächendeckend 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) bis 2018 wird er nicht schaffen. Wie denn auch? Dobrindt kann vielleicht zu Netzallianz einladen und nochmals alle Provider ganz lieb bitten, den Ausbau zu forcieren. Geld allerdings hat er keins, wenn man mal davon absieht, dass der Verkauf von Mobilfunk-Frequenzen noch einige Milliarden Euro in die Kassen spülen soll.
Selbst wenn Dobrindt dieses Ziel erreichen sollte: Es ist lächerlich, dass eine führende Wirtschaftsnation das für eine große Leistung hält.
In diesem Land hat es, wie anderswo auch, in mehreren großen Anstrengungen immense Sprünge bei der Grundversorgung gegeben. Zuerst die Kanalisation, dann Elektrizität, dann Telefon und Kabelfernsehen, später ISDN. Aber beim breitbandigen Internet, dem Treiber für Wachstum und Beschäftigung, da versagen die Politik und der Markt.
Die Telekom hat gerade verkündet, wie sie die Breitband-Versorgung angehen will: Sie wird weiterhin versuchen, mit Kupferdrähten als Basis VDSL noch effizienter zu gestalten, so dass 100 Mbit/s möglich sein werden. Vectoring – so der Name des Verfahrens – bringt zwar mehr Tempo. Aber eigentlich wissen alle Beteiligten, dass Deutschland eine bundesweite Verkabelung mit Glasfaser benötigt. Derzeit sind weniger als drei Prozent der Haushalte mit einem Glasfaser-Anschluss versorgt, denn Kupfer ist praktischer: Es liegt schon überall. Nur leider hat Kupfer Limitierungen, die Glasfaser nicht hat.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat letztes Jahr errechnen lassen, was der Breitbandausbau in Deutschland kosten würde. Die minimale Variante würde 20 Milliarden Euro kosten, der große, zukunftssichere Wurf würde mindestens 85 Milliarden Euro kosten. Dobrindt hat in dieser Legislaturperiode, den geplanten Verkauf der Frequenzen miteingerechnet, noch nicht einmal eine Milliarde für den Breitbandausbau zur Verfügung.
Während also das Datenaufkommen kontinuierlich ansteigt, das Internet der Dinge Realität wird und das Netz von immer mehr Geräten genutzt wird, gibt die Bundesregierung peinlich schmale Ziele vor, die sie noch nicht einmal umsetzen können wird.
Wenn dieses Land wirklich von der Digitalisierung profitieren soll, dann muss das Ziel von moderner Internetpolitik sein, das gesamte Land flächendeckend mit Glasfaser auszustatten – mit einem Anschluss für jeden Haushalt und jeden Betrieb. Wenn Provider hierfür nicht ihren Beitrag leisten wollen, dann muss man darüber nachdenken, ob eine Verstaatlichung der Netze zu mehr Handlungsspielraum seitens der Politik führen kann, ebenso zu gleichen Rahmenbedingungen für alle wirtschaftlichen Anbieter.
Derzeit liegt Deutschland beim Breitband-Ausbau im europäischen Vergleich noch hinter Rumänien. Das kann nicht der Anspruch sein, zeigt aber deutlich, wie wenig in den vergangenen zehn Jahren in diesem Bereich getan wurde.
Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung sich in Sachen Breitband ambitionierte Ziele steckt und die Provider verpflichtet, den Glasfaser-Ausbau zügigst voranzutreiben, damit Bandbreiten weit jenseits der derzeit geplanten 50 Mbit/s erreicht werden können. Digitale Teilhabe ohne Bandbreite ist schwer möglich, das gilt für Arbeit und Wirtschaft genauso wie Kunst, Kultur und Kommerz. Dobrindts geplanter Ausbau der Datenautobahn erinnert eher das Befestigen eines Autobahnschildes an einem Feldweg.
Nico Lumma ist einer führenden Internet-Köpfe in Deutschland. Er arbeitet als selbstständiger Berater und Autor in Hamburg, ist Co-Vorsitzender von „D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt“ und Mitglied in der medien- und netzpolitischen Kommission des SPD Parteivorstandes. Er bloggt auf lumma.de.