Experten für Legal and Compliance: Alexandre Moreau im Interview mit Dr. Michael Henning
Legal and Compliance
- 19.12.2024
Alexandre Moreau: Michael, seit 2011 leitest du das diruj und kennst inzwischen (fast) jede Führungskraft im Bereich Legal and Compliance. Was hat sich in den letzten 14 Jahren verändert?

In den letzten 14 Jahren gab es einen Generationenwechsel auf den Führungsetagen der Rechtsabteilungen, der einherging mit der großen digitalen Transformation und einem Wandel in Rolle und Verantwortung, vor allem auch in der eigenen Positionierung der Rechtsabteilung im Unternehmen und darüber hinaus. Auch wurde das berufsrechtliche Thema der Rentenbefreiung für die Unternehmensjuristen, ausgelöst durch ein Urteil des Bundessozialgerichts, mit der Änderung der BRAO und der Einführung des Syndikusrechtsanwalts, im Jahr 2016 abschließend gelöst.
Legal-Technology hält seit 2016/2017 Einzug in die deutschen Rechtsabteilungen und begleitet seitdem die digitale Transformation in den Rechtsbereichen. Zuletzt hat hier auch künstliche Intelligenz für eine erneute Beschleunigung gesorgt. Durch die fortschreitende strenge Regulierung nahezu aller Wirtschaftsbereiche in Verbindung mit sehr hohen Bußgeldern bei Verstößen, ist das Thema Recht- und Compliance mittlerweile eine strategische Kernkompetenz. Dadurch wird die Position und die Rolle des General Counsel im Unternehmen immer wichtiger. Dieser wird so vom Rechtsberater und Business-Partner zum Chief-Legal-Risk-Officer. Angesichts der großen Herausforderungen geraten die Rechtsabteilungen aber auch immer mehr unter Zugzwang.
AM: Die Anzahl an Mitarbeitern im Bereich Compliance wächst stetig, vorrangig besetzt durch Juristen. Ist Compliance das neue Eldorado für Juristen?

In der Tat wird die Regulierung global in allen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Lebensbereichen weiter fortschreiten. Das muss verstanden, für die verantwortlichen Manager im Unternehmen übersetzt und dann im Unternehmen umgesetzt werden. Im Anschluss ist eine Kontrolle der Umsetzung und Einhaltung erforderlich. Dafür brauchen die Unternehmen die rechtliche Kompetenz der Inhouse-Juristen und diese dann auch die der externen Kanzleien.
Um auf deine Frage zurückzukommen: Ja und weiter steigend.
AM: Modern, innovativ, vielfältig, zukunftsorientiert, ist euer Motto – was kommt als nächstes "heißes" Thema?
Inhaltlich gibt unsere regelmäßige Mitgliederbefragung von Unternehmensjuristen Aufschluss: Compliance(-Management) und Regulierung, allen voran LkSG und ESG/CSRD, dann IT-Recht nebst den Rechtsfolgen der Digitalisierung und neben dem AI-Act der EU auch Datenschutz und -sicherheit.
Bei den nicht-rechtlichen sind es: Legal Operations, Legal Tech sowie die brennenden HR-Themen und Leadership-Aspekte, dabei insbesondere der "War for Talents" und "New Work".
AM: Flex Suisse – vormals Perconex – vermittelt inzwischen seit zwanzig Jahren Projektjuristen auf Zeitarbeitsbasis. Welches Potenzial siehst du bei Arbeitslösungen für Juristen?
MH: Auf dieses Angebot musste der Rechtsmarkt lange warten. Ihr wart mit Perconex Vorreiter und Innovator in Deutschland. Und dass zu einer Zeit, als viele Marktkenner noch nicht an solche Lösungen gedacht haben. Obwohl es auf der Hand liegt: Die Nachfrage nach juristischem Rat schwankt im Unternehmen sehr stark im Jahresverlauf, abhängig beispielsweise von großen Projekten oder auch Litigation-Verfahren.Das alles, was die personellen Kapazitäten der Rechtsabteilungen übersteigt nur durch externe Kanzleien zu bearbeiten ist, musste irgendwann hinterfragt werden. Heute ist das eine große Industrie: Die Vermittlung zeitlich befristeter Projektjuristen. Das wird in Zeiten, in denen der Fachkräftemangel stetig zunimmt, die Absolventenzahlen auch demographisch bedingt weiter rückläufig bleiben, ein stark wachsender Bereich bleiben. Ihr seid also nicht nur die Ersten gewesen, die dieses Angebot in Deutschland erfolgreich eingeführt haben, sondern auch für euch gilt: Eure Zukunft sieht ebenfalls "rosig" aus.