Wie Krisenmanager Rüdiger Tibbe Unternehmen mit nachhaltigen Lösungen zur Seite steht
Rüdiger Tibbe
- 07.09.2022

Wie war Ihr bisheriger Werdegang, und wie kamen Sie in die Position als Senior Partner und Managing Director bei der Excelliance Management Partners GmbH?

Im Zuge meiner Karriereentwicklung wurde ich in die USA entsendet, um den Konzern in Nordamerika bei der Effizienzsteigerung zu unterstützen. Es ging hauptsächlich um Projekte zur Fusion und Betreuung nach der Übernahme, die man unter den Fachbegriffen Mergers and Acquisitions (M&A) sowie Post Merger Integration (PMI) zusammenfassen kann. Eine weitere wichtige Aufgabe war die Unterstützung bei der Einführung eines globalen Produktionssystems. Von dort wechselte ich nach drei Jahren auf Topmanagement-Ebene zu einem noch größeren US-Konzern, der mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert war und zudem einen IPO (Börsengang) seiner größten Division plante.
Aus dieser Position heraus bin ich dann schließlich meiner Berufung gefolgt und habe den Weg als selbstständiger Unternehmer eingeschlagen. Im Zuge dessen bringe ich seit der Gründung von Excelliance im Jahr 2001 meine Erfahrung und Kompetenz als (Interim-)CRO, Chief Transformation Officer und Chief Development Officer für produzierende Unternehmen ein.
Was macht Ihrer Ansicht nach einen erfolgreichen Krisenmanager aus?
Rüdiger Tibbe: Ich vergleiche das gern mit dem Trainer einer Fußballmannschaft: Die wichtigste Aufgabe des Headcoaches bei einem Profi-Fußballteam ist es, die Kompetenzen und Kräfte durch sachliche Entscheidungen, transparente Kommunikation und eine nachvollziehbare Strategie zu bündeln. Denn Fußball spielen können die Spieler auf diesem Level ja bereits.Jetzt geht es darum, wieder am absoluten Limit zu performen. Mein Stil ist immer respektvoll und zugleich klar in der Formulierung von Zielen, vor allem auch im Umgang mit Mitarbeitern, dem Management und Stakeholdern. Ich motiviere und stärke das Team darin, stets proaktiv zu handeln, Probleme direkt anzugehen, Entscheidungen durchzusetzen, selbst Verantwortung zu übernehmen und Maßnahmen umzusetzen. Hinzu kommen meine permanente Ansprechbarkeit für alle von der Krise Betroffenen, gepaart mit zupackendem Pragmatismus und schnellen Lösungen. Das ist jedenfalls meine Erfolgsformel.
Was sind Ihre Einsatzschwerpunkte und wie kommt Ihnen dabei Ihre berufliche Erfahrung zugute?
Rüdiger Tibbe: Wenn mit Geldgebern neue Finanzierungsbedingungen vereinbart werden, mit Eigentümern das neue Geschäftsmodell geschmiedet wird, mit Betriebsräten und Gewerkschaften künftige Arbeitsmodelle verhandelt werden, mit dem Management über Karrieren entschieden wird und so weiter, dann kommt meine Patina mit der langen Erfahrung als durchsetzungsfähiger Verhandlungsstratege zum Einsatz.Bei Finanzfragen lediglich zu beraten, die Passivseite der Bilanz zu restrukturieren oder die Refinanzierung von Darlehen zu verhandeln: Das wäre mir persönlich viel zu kurz gesprungen. Denn es löst die eigentlichen Probleme der Krise nicht und führt deshalb – wie man am Beispiel einiger prominenter Unternehmen sehen kann – nur zu Restrukturierungsschleifen. Dies ist ausdrücklich zu vermeiden, da der Unternehmenswert unter Umständen weiter leidet.
Um beim Beispiel Fußball zu bleiben, sind wir Teammanager und Headcoaches – also weit mehr als nur Berater oder Ressourcen- und Wissenslieferanten. Wie der Trainerstab stärken wir durch interdisziplinäre Coaches ganz gezielt die einzelnen Kompetenzen. Mit anderen, gleichdenkenden CRO-Kollegen sehen wir uns als die neue CRO-Generation, die von ihrer Kompetenz her Aufgaben übernehmen kann, die eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführer beim Kunden fallen und aus Alibigründen gerne auch Partnern größerer Managementberatungen übertragen werden.
Der Grund für die Verschiebung der Verantwortung ist leicht auszumachen: Unsere neue CRO-Generation beherrscht Projekte in ingenieurmäßiger Filigranarbeit und hat mit ihrer absoluten Umsetzungsorientierung und der Bereitschaft, durch den Eintritt in die Geschäftsführung auch persönliches Risiko zu übernehmen, die nächste Stufe nach der Topmanagement-Beratung gezündet. Und das trifft genau den Zeitgeist.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich im Transformations- und Turnaround-Management am häufigsten konfrontiert?

Schließlich ist der Schuldenstand auf einem Allzeithoch, was eine potenzielle Bilanzsanierung respektive der Refinanzierung nach sich zieht. Der Cashflow ist teilweise sehr kritisch. Das alles beflügelt nicht gerade die Motivation und Stimmung bei den Mitarbeitern, die unter starkem Druck stehen und denen aufgrund einer häufig ungenügenden internen Kommunikation wichtige Informationen zur Situation des Unternehmens vorenthalten werden. Die resultierende Unsicherheit zieht wiederum andere Problem nach sich, wie Fluktuation, erhöhter Krankenstand et cetera.
Auf der strategischen Seite klopfen ebenfalls immense Herausforderungen an: Es geht häufig um die erforderliche Neupositionierung respektive der Neuausrichtung des Geschäftsmodells, denn die Elektrifizierung schreitet zügig voran, während die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle der Wettbewerber – insbesondere aus China – vorantreibt. Gerade was die Innovation angeht, fehlen Kapazitäten und Know-how für Spezialaufgaben. Der mangelnde Elan wird jedoch von Kunden gewittert und kann zu Umsatzeinbußen in der Zukunft führen.
Kulturell ist es leider in vielen Unternehmen ein Desaster: Das Vertrauen gegenüber dem Management ist verloren gegangen, es fehlen New-Work-Konzepte, da Manager hierdurch eine Organisation ohne Regeln befürchten. Viele Unternehmen haben leider noch immer nicht erkannt, dass der Schlüssel zum zukünftigen Erfolg auch in einer Human Centric Organization, also einer menschenzentrierten Organisation, liegt. Schließlich nehmen Deals respektive M&A-Aktivitäten deutlich zu, dadurch wird PMI zum wichtigen Managementthema.
Welche fünf Eigenschaften sollte man mitbringen, um diese Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können?

• Offenheit/Klarheit gegenüber den Kunden des betroffenen Unternehmens
• eine virtuose Beherrschung des Financial Engineering
• man muss Blockaden im Transformationsprozess erkennen
• und in der Lage sein, die größten Schwachstellen im Produktionssystem schnell zu identifizieren
• außerdem ist es wichtig, effektive Innovations-/Produktentwicklungsprozesse anzustoßen.
Ebenfalls zu nennen sind folgende kritische Erfolgsfaktoren: grundlegende Fähigkeiten als Mediator, ein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Kommunikationsstärke, Überzeugungskraft sowie technische und wirtschaftliche Kompetenz, gepaart mit visionärer Führung.
Um dies einmal zusammenzufassen: Ich helfe dem Management und Mitarbeitern, wieder ihr Bestes zu geben, indem ich meine Vision, Erfahrung und mein Netzwerk mit einer aussagekräftigen Erfolgsbilanz in Familienunternehmen und Großkonzerne einbringe. Durch meine lange Führungserfahrung weiß ich, wie wir das Potenzial der Mitarbeiter freisetzen, sie motivieren können, ihre Leistung zu maximieren – und wieder am absoluten Limit zu performen, denn darum geht es.
Werden Sie in Unternehmen immer mit offenen Armen empfangen oder regt sich manchmal auch Widerstand, wenn es um anstehende Restrukturierungsmaßnahmen geht?
Rüdiger Tibbe: Ein Turnaround ist kein Wohlfühlprogramm, deshalb erwarte ich natürlich auch keine Willkommensparty oder Begeisterungsstürme für die notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen.Gerade zu Beginn eines Projekts kann die Atmosphäre extrem angespannt sein, unvorhergesehene Zwischenfälle können jederzeit eintreten, da Kunden verunsichert, die eigenen Mitarbeiter paralysiert, die Stakeholder misstrauisch und das Management unsicher sind. In dieser frühen, volatilen Situation bin ich mit meinem Team jederzeit bereit, um sofort zu intervenieren.
Ich versuche stets freundlich, zuvorkommend und dennoch bestimmt zu wirken, im Ergebnis immer Win-win-Situationen zu erzielen und gebe meinen Verhandlungspartnern gerne den Raum, um sich intellektuell mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Wie wichtig ist es, den richtigen Ton anzuschlagen, um den ersten Impuls für Veränderungen anstoßen zu können?
Rüdiger Tibbe: Der Grund für meine Anwesenheit ist in der Regel eine Krise, Schieflage oder Notfallsituation. Die Performance des Unternehmens muss auf allen Gebieten hergestellt und harmonisiert werden. Da hilft es, sich auf einen gemeinsamen "Kammerton" zu verständigen.Meine Aufgabe ist es, Entscheidungen konsequent durchzusetzen, den Restrukturierungsprozess resolut zu managen, eine solide Umsetzung zu gewährleisten und den Prozess zu beschleunigen.
Ich glaube an die Kraft der Klarheit. So identifiziere und überwinde ich Umsetzungsbarrieren und definiere gemeinsam neue (Führungs-)Strukturen. Zusammen mit dem Team leiten wir einen kulturellen Paradigmenwechsel ein und treten für den Fortbestand des Unternehmens sowie die Sicherung der Arbeitsplätze durch eine Neupositionierung des Geschäftsmodells ein. Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit steigern, die Rentabilität und die Schuldendienstfähigkeit wiederherstellen. Das sichert den Weg in eine neue, erfolgreiche Zukunft und schafft wieder Vertrauen bei allen Beteiligten. Wenn ich das im Unternehmen erreicht habe, ist meine Arbeit getan.
Was hat es mit dem Ausspruch "Crisis? What crisis?" genau auf sich? Ist dies eine Straightforward-Herangehensweise, um pessimistischen Stakeholdern und Non-Supportern den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Rüdiger Tibbe: Wenn ich ins Spiel komme – sei es durch Großbanken, Private-Equity-Firmen, in bewährter Zusammenarbeit mit führenden Unternehmensberatungen oder proaktiv durch einen vorausschauenden Vorstand –, dann liegen die Gründe dafür meist viele Jahre zurück. Sehr selten ist ein einzelner Vorfall die Ursache für eine Krise, sondern eine komplexe Kette von verschiedenen Umständen. Häufig sollten Glaube und Hoffnung die Krise wieder verdrängen. Doch eine Krise kommt nicht plötzlich von heute auf morgen und verschwindet dann einfach wieder so über Nacht. Was jahrelang versäumt wurde, kann nicht innerhalb von Wochen geheilt werden. Man muss an die wahren Ursachen heran, nicht nur an deren Auswirkungen und Folgen.Die oftmals in der Krise anzufindende paralysierende Unternehmenskultur führt zu toxischen internen Spannungen, die kontraproduktive Machtspiele begünstigt oder gar fördert. Das kostet Geld, Zeit und Nerven und lähmt darüber hinaus den Leistungswillen. "Crisis? What crisis?" soll Betroffenen in der Krise die Augen öffnen, um sich selbstkritisch zu reflektieren. Der Titel entstammt außerdem einem Album der legendären britischen Band "Supertramp".
Wofür brennen Sie persönlich/wie würden Sie Ihre Motivation in wenigen Worten zusammenfassen?
Rüdiger Tibbe: Durch meine Erfahrungen auf dem internationalen Parkett habe ich meine Berufung im Transformations- und Turnaround-Management gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar, denn ich erfahre sehr viel Abwechslung und lerne bei jedem Projekt etwas dazu. Deshalb sind solche Projekte für mich keine Belastung. Ganz im Gegenteil: Spannende Aufgaben laden mich mit positiver Energie auf.Zum Abschluss kommt stets die folgende Frage: Welche Pläne haben Sie für Ihre Zukunft?
Rüdiger Tibbe: Der CEO eines Kunden schrieb in einem Referenzschreiben: "Er spornt sich und die Teams permanent zu Höchstleistungen an, ist immer am Limit! Er verlangt jedoch von anderen nichts, was er nicht auch selbst tun würde."Diese Einstellung symbolisiert selbst mein Handy-Klingelton: "Rock and Roll" von meiner Lieblingsband Led Zeppelin. Viele Unternehmen befinden sich aktuell zwischen Krisenmanagement und Transformationsdruck. Und diese extrem angespannte Situation erfordert jede Menge Geschick, emotionale Distanz und insbesondere Erfahrung – "Rock 'n' Roll" trägt mich noch lange in die Zukunft.