Ankauf: Eine Fotobibliothek für Washington
Bonn. Der 12. November 2018 dürfte wohl der schwierigste Tag im Leben des Fotografie- und Fotobuchsammlers Manfred Heiting gewesen sein. 36.000 Bände fielen der Feuerwalze zum Opfer, die durch den kalifornischen Küstenort Malibu tobte. Über sechs Jahre später meldet Washingtons National Gallery of Art nun den Ankauf der „exzeptionellen“ Fotobibliothek Heitings mit mehr als 4500 illustrierten Büchern, Alben und Fotobüchern.
Abgedeckt ist ein gewaltiger Zeitrahmen vom 16. bis 20. Jahrhundert. „Seit circa zehn Jahren sammle ich und konzentriere mich auf Bücher und Alben zur Geschichte des gedruckten Bildes, von Johannes Gutenberg bis in die 1980er-Jahre“, erklärt Heiting die Erwerbsgeschichte dieses Konvoluts auf Nachfrage. Der Schwerpunkt liege jedoch ab 1839 auf der Fotografie und allen Formen des gedruckten Fotos. Diese Bücher und Alben seien vom Feuer verschont geblieben, da sie mit anderen wichtigen Titeln immer schon in der Stadtwohnung in Los Angeles aufbewahrt gewesen seien, auch die Neuerwerbungen.
Dass Washington zum Zuge kam und nicht das Museum of Fine Arts in Houston (MFAH), wo sich 10.000 Bände aus der ursprünglichen Buchkollektion befinden, ist nachvollziehbar. Die an eine Universität gekoppelte texanische Institution hatte 2002 und 2004 bereits Heitings Fotosammlung für einen mittelhohen einstelligen Millionenbetrag erworben. Die Bibliothek sollte laut Vertrag von 2013 in mehreren Teilschritten übernommen werden, zu einem beträchtlichen Teil als Schenkung.
Nur auf den ersten Blick erstaunt der weite Bogen, den die Buchsammlung zurück in die Neuzeit schlägt. Heiting ist gelernter Schriftsetzer, der parallel zu seiner Ausbildung an der Peter-Behrens-Werkkunstschule in Düsseldorf und der Hochschule für Gestaltung Ulm studierte. Er hat in seinem Leben unzählige Bücher mit Kunstanspruch gestaltet und selbst publiziert, darunter die beiden 2012 und 2015 bei Steidl erschienenen kiloschweren Bände „Autopsie“ über Ausstattungsmerkmale, Auflagen und Vermarktung des deutschsprachigen Fotobuchs der Zwischenkriegszeit.
Wer einen Blick in dieses akribisch zusammengestellte Standardwerk wirft, wundert sich nicht, mit welcher Konsequenz Heiting alle „Erstbeispiele“ und wichtigen illustrierten Bücher akquirierte, in denen Reproduktionsverfahren vor und nach der Erfindung der Fotografie zum Einsatz kommen: vom Holzschnitt über die Kupferplatte, Stahlplatte, Lithografie und Chromo-Lithografie bis hin zu allen Fotoverfahren und Erfindungen wie dem fotochemischen Reproduktionsverfahren Autotypie durch Georg Meisenbach oder die von Ottomar Anschütz entwickelte Serienfotografie mit schneller Optik.
Dazu gesellt sich eine umfassende Kollektion japanischer Fotobücher sowie signierte Erstausgaben, etwa von Mucha, Matisse oder Duchamp, und natürlich alle wichtigen Publikationen zum Bauhaus, den 1920er- und 1930er-Jahren. „Viele einmalig, in Topqualität, Sonder- und Luxusausgaben und mit Sondereinbänden“, ergänzt Heiting. Alles Dinge, die in Amerika an unterschiedlichen Orten durchaus auch vorhanden seien, „aber nicht so gut erhalten und nicht in einem Museum“.
Über den Ankaufspreis bewahrt Heiting Stillschweigen. Es sei in den USA üblich, einen Teil des akzeptierten Werts mit detaillierten Beschreibungen und Bewertungen aller Objekte zu schenken, wobei mehrere vereidigte Experten zum Einsatz kommen würden. So versucht man sich in Amerika vor unseriösen Bewertungen käuflicher Experten zu schützen.