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Morning BriefingWo liegt die Zukunft? Offenbar nicht in Deutschland

Teresa Stiens 22.12.2025 - 06:09 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Start-ups: Gründer zieht es in die USA / Sicherheit: Dobrindt will neues Konzept

vor 1 Std.
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Liebe Leserinnen und Leser,

wo befindet sich eigentlich die Zukunft? Und wie kommt man ihr am nächsten? Fragen, die sich Menschen stellen, die vorhaben, ein Technologieunternehmen zu gründen. Die traurige Antwort lautet: Für viele von ihnen liegt die Zukunft an einem Ort weit weg von deutschen Leitz-Ordnern. Vor allem erfahrene Entrepreneure etablieren ihre neuen Start-ups immer häufiger direkt in den USA und nicht in Europa.

Die Deutsche Leonie Freisinger, ehemalige Porsche-Entwicklerin und Gründerin einer KI-Firma, beispielsweise hat nie auch nur in Erwägung gezogen, ihr erstes Start-up in ihrem Heimatland aufzubauen. Ihre Mitgründerin, die frühere Skirennfahrerin Anna-Julia Storch schwärmt von den USA:

Hier ist man der Zukunft näher.

Während sich 2016 lediglich jeder zehnte europäische Gründer dafür entschied, direkt in den USA zu starten, waren es neun Jahre später schon 18 Prozent – fast jeder Fünfte. Das geht aus dem State of European Tech Report des internationalen Risikokapitalgebers Atomico hervor. Experten sind von dem Trend wenig überrascht. Simon Schmincke, Partner beim schwedischen Investor Creandum, beschreibt die Stimmung in Deutschland als „vernichtend“.

Wenn die Gründer davon sprechen, der Zukunft in den USA näher zu sein, geht es vor allem um die erfolgreichsten Start-ups der Welt wie OpenAI oder Anthropic. Die Welle künstlicher Intelligenz (KI) verhilft dem Silicon Valley derzeit zu neuem Glanz. Und nicht nur der Zukunft scheinen Gründer in den USA näher, sondern auch dem großen Geld.

Dryft-Gründerinnen Anna-Julia Storch (l.) und Leonie Freisinger: Eine Gründung in der Heimat kam nicht infrage. Foto: Dryft, Getty Images

So flossen in den ersten neun Monaten dieses Jahres in den USA 177 Milliarden Dollar Risikokapital in Technologie-Start-ups. Das ist fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In Europa hingegen stagnierten die Investitionen bei gut 33 Milliarden Dollar.

Gesichtserkennung: „Dafür stärken wir unsere Sicherheitsbehörden mit klaren Befugnissen.“ Foto: imago images / Jochen Tack

Der Innenminister und das Jahr der Sicherheit

Künstliche Intelligenz verleiht nicht nur dem Silicon Valley neuen Schwung. Auch die deutschen Sicherheitsbehörden wollen von ihr profitieren. Mein Berliner Kollege Dietmar Neuerer hat herausgefunden, dass künftig auch bei der Gesichtserkennung der Einsatz von KI erlaubt werden soll. Damit könnte das Foto einer Überwachungskamera nach einer Tat mithilfe von KI mit Polizei-Datenbanken oder mit öffentlich zugänglichen Internetdaten abgeglichen werden.

Das Vorhaben ist Teil eines größeren Konzeptes, mit dem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dafür sorgen will, dass sich die Menschen sicher fühlen – „im Alltag wie zu Hause“. Dafür werde er die Sicherheitsbehörden mit klaren Befugnissen ausstatten, sagte Dobrindt dem Handelsblatt. Das Jahr 2026 stehe für „Sicherheit, Stabilität und Schutz“.

Auch ein neues Gesetz für den Inlandsgeheimdienst könnte Teil dieses Konzeptes sein, ebenso wie ein sogenannter „Cyber-Dome“, also eine automatisierte Abwehr von Angriffen im Netz. Der Bundesinnenminister will dabei von den Erfahrungen Israels profitieren und eng mit dem Land zusammenarbeiten.

Russlands Präsident Wladimir Putin (l) und der französische Präsident Emmanuel Macron (Aufnahme im Schloss Versailles 2017): Treffen geplant. Foto: AFP

Wladimir möchte bitte mit Emmanuel sprechen

Der russische Präsident Wladimir Putin möchte mit den Europäern über einen Frieden in der Ukraine verhandeln. Allerdings nicht mit allen Europäern, sondern ausdrücklich nur mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. In den nächsten Tagen werde die „beste Vorgehensweise“ ausgearbeitet, teilte das Präsidialamt in Paris gestern mit. Es könnte sich bei dieser neuen Volte Moskaus um eine Strategie handeln, um Zeit zu gewinnen und die Europäer gleichzeitig weiter zu spalten.

Europas Triumvirat: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (l.), Bundeskanzler Friedrich Merz (M.) und der britische Premierminister Keir Starmer. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die ewige Leier vom Exit aus dem Brexit

In Beziehungsfragen gibt es den oft zitierten Leitsatz: „Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch“. Soll heißen: Wer einmal eine Beziehung beendet hat, sollte tunlichst vermeiden, sie danach wieder aufzuwärmen. Den Briten fällt es offensichtlich schwer, sich an diesen Leitsatz zu halten. Bald zehn Jahre ist es her, dass sich das Königreich Großbritannien entschieden hat, die EU zu verlassen – doch verheilt ist die Brexit-Wunde noch lange nicht.

Kein Wunder, schließlich wird den Briten bei jeder Gelegenheit vorgerechnet, was durch das Ende der Beziehung über den Ärmelkanal verloren gegangen ist. Nach einer neuen Studie des National Bureau of Economic Research in den USA ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Großbritannien heute sechs bis acht Prozent niedriger, als es bei einem Verbleib in der EU hätte sein können.

Eine Mehrheit der Inselbewohner hält den Brexit zwar für einen Fehler und die Regierung wärmt die Beziehungen zur EU gerade Schritt für Schritt wieder auf. Doch Premierminister Keir Starmer traut sich trotzdem bisher nicht, sich an die Spitze einer Comeback-Bewegung zu setzen.

Schachspiel: Isolation ist der erste Schritt zum Sturz auf der Spitzenposition. Foto: Getty Images [M]

Die teuren Fehler der Topmanager

Wer hoch fliegt, der fällt auch tief – das gilt vor allem für Topmanager. Denn viel kann schiefgehen, wenn man als CEO die Verantwortung für das Gelingen eines Unternehmens und die Zukunft der gesamten Belegschaft trägt. Und auch für das Unternehmen selbst kann eine Fehlbesetzung an der Spitze teuer werden: „Abfindungen, Suchkosten, Produktivitätsverlust und Reputationsschäden treiben die Rechnung schnell auf ein Vielfaches des Jahresgehalts“, rechnet Boris Albers, Partner bei der Personalberatung Russell Reynolds, vor.

Wie können Manager sich selbst und ihr Unternehmen vor dem Absturz schützen? Dieser Frage hat sich meine Kollegin Claudia Obmann aus dem Handelsblatt-Managementressort gewidmet. Ein Fehler, den sie identifiziert hat, liegt kurz gesagt darin, zu verwalten, statt zu managen. Denn viele neue Vorstandschefs sind Mitte 50 – und sehen den Aufstieg als Krönung ihrer Karriere. Aber: „Wer als Führungskraft einfach weitermacht wie bisher, wird scheitern“, warnt Karriereexpertin Dorothee Echter. Es gelte, Zukunftsarchitekt zu werden – und nicht bloß Problemlöser zu bleiben.

Pinterest-Chef Bill Ready: Eine deutliche Zunahme von sogenanntem „AI Slot“ trifft das Netzwerk hart. Foto: picture alliance / Sipa USA, Getty [M]

Pinterest verabschiedet sich von der Realität

Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf die Auswüchse KI-generierter Fantasie. Dass die KI in der Lage ist, einen riesigen Haufen Quatsch zu produzieren, dürfte all jene nicht überraschen, die ChatGPT schon einmal gebeten haben, ein Bild von sich selbst als Hund oder Huhn oder Hummer zu erstellen.

Die Plattform Pinterest, die vor allem durch Inspirationen für „Do-it yourself“-Projekte berühmt geworden ist, wird jetzt von einer großen Welle KI-Quatsch geflutet. Möbel, die der Statik widersprechen, Kuchen, die sich nicht backen lassen, und Räume, die physikalisch nicht existieren, treiben jeden Heimwerker in den Wahnsinn.

Ich finde, Pinterest ist trotz oder gerade wegen der KI-Inhalte einen Besuch wert. Schließlich muss ich mich in der Realität schon mit nervigen Beschränkungen wie der Schwerkraft auseinandersetzen. Da flüchte ich mich lieber in eine Welt, in der alles möglich ist.

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, an dem Sie sich nicht von der Realität stoppen lassen.

Es grüßt Sie herzlich Ihre

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Teresa Stiens

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