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  4. Die Pandemie zwingt die Kunstmessen zur Verschiebung. Es drohen Überangebot und Pleiten.

Folgen der CoronakriseWohin mit den ganzen Kunstmessen?

Wegen der Pandemie verschieben sich alle Veranstaltungen in den Herbst. Es droht ein Überangebot. Nicht alle Marktteilnehmer dürften die Turbulenzen überstehen.Stefan Kobel 19.03.2020 - 16:29 Uhr

Das Werk wird von Mitchell-Innes & Nash im Viewing Room der Art Basel gezeigt.

Foto: Jacolby Satterwhite/Mitchell-Innes & Nash

Berlin. Das Coronavirus wirbelt den Kunstmarktkalender kräftig durcheinander. Es ist bereits jetzt sehr wahrscheinlich, dass die Turbulenzen nach ihrem Abklingen eine dauerhaft veränderte Messelandschaft hinterlassen werden. Während die für Anfang Mai geplante „Frieze New York“ gleich ganz ausfällt wird, scheint es bei den rheinischen Kontrahenten „Art Cologne“ und „Art Düsseldorf“ auf eine Termin-Rochade hinauszulaufen.

Die für November avisierte Art Düsseldorf dürfte ihrerseits in den April ausweichen, nachdem die Art Cologne vergangene Woche bekannt gegeben hatte, ihre aktuelle Ausgabe statt im April erst Ende November zeitgleich mit der „Cologne Fine Art and Design“ abzuhalten.

„Unter der aktuellen ‚Lockdown‘ Situation ist ein Erfolg der Art Düsseldorf im Herbst nicht kalkulierbar. Wir prüfen daher eingehend Alternativszenarien, um für die Art Düsseldorf Zeit zu gewinnen,“ erklärt Walter Gehlen, Gründer und Mitinhaber der Art Düsseldorf, gegenüber dem Handelsblatt. „Eine Verschiebung der Art Düsseldorf in das Jahr 2021 erscheint unter den gegebenen Umständen ratsam.“ Eine Mitteilung über den gegebenenfalls neuen Termin der nächsten Art Düsseldorf werde in Kürze folgen.

Da bietet sich im Grunde nur der April 2021 an, weil ein Termin früher im Jahr mit der „Art Karlsruhe“, der „Arco“ in Madrid oder der „Tefaf“ in Maastricht kollidieren würde. Zumal das Gallery Weekend in Berlin gerade eine zweite Ausgabe für September im Rahmen der Berlin Art Week (9. bis 13.9.) angekündigt hatte.

Im Mai ist dann die „Frieze New York“ die letzte international wichtige Veranstaltung, bevor die „Art Basel“ im Juni alle Aufmerksamkeit und Kaufkraft auf sich zieht.

Der rheinische Termintausch könnte sogar von Dauer sein. Denn der im Jahr 2005 verordnete Umzug der Art Cologne ins Frühjahr ist bei vielen Betroffenen unbeliebt. Die dauernde Kollision mit der „Art Brussels“ – die dieses Jahr optimistisch auf Ende Juni verschoben ist – und dem Berliner Galerienwochenende beschränkt die Attraktivität der Kölner für viele internationale Sammler. Die Cologne Fine Art and Design ringt seit Jahren ums Überleben und ließe sich auf diese Art elegant in die größere Schwester integrieren.

Daniel Hug, seit letztem Jahr Direktor nicht nur der Art Cologne, sondern beider Veranstaltungen, möchte sich jedoch noch nicht festlegen: „Wir planen gerade, wie wir zwei unterschiedliche Messen zum gleichen Zeitpunkt veranstalten. Mit dem Art Cologne-Termin 2021 müssen wir zuerst sehen, wie die beiden Messen im November überhaupt funktionieren.“

Eine Rückkehr zu den alten Daten dürfte jedoch nicht so leicht zu bewerkstelligen sein. „Ich hab das Gefühl, dass sich einiges im Kunstmesse-Kalender noch ändern wird“, erklärt Hug.

„Es ist auch die Frage, ob es realistisch ist, eine Art Cologne dann nur sechs Monate später im April 2021 zu veranstalten. Das betrifft ja auch die anderen Kunstmessen, die sich in den Herbst verschoben haben“, ergänzt Kölns Messemacher.

Die Brüsseler Art Fair ist zeitlich gut gelegen. Sie findet erst im Januar statt.

Foto: Stefan Kobel

Durch die CoVid-19-bedingte Verschiebung droht ein Überangebot im Herbst, das sich negativ auf die gesamte Szene auswirken dürfte. Zumal das Gallery Weekend in Berlin gerade eine zweite Ausgabe für September im Rahmen der Berlin Art Week (9. bis 13.9.) angekündigt hat.

Diese Dopplung ist aus gleichfalls doppelter Not geboren: Selbst wenn die Frühjahrsausgabe stattfinden sollte, dürfte in diesem Jahr wohl kaum jemand aus Übersee nach Deutschland kommen. Doch gerade die auswärtigen Sammler sind für den Berliner Kunstmarkt essenziell.

Hinzu kommt die Einstellung der Messe „Art Berlin“ als Schaufenster des Marktplatzes. Der Haken bei der Sache: Die „Armory Show“ in New York zieht ebenfalls dauerhaft um, just auf dieses Datum. Grund hierfür dürfte allerdings der Wechsel in eine attraktivere Immobilie sein. Die maroden Navy Piers werden gegen das einige Blocks weiter südlich am Hudson gelegene Kongresshaus Javits Center eingetauscht.

Zögern bei der Tefaf Spring

Als gäbe es derzeit nicht genug Schwierigkeiten, droht bei der Tefaf die zweite Katastrophe innerhalb weniger Wochen: Die Lernkurve der Verantwortlichen scheint so flach zu sein, wie die der Infiziertenzahlen steil ist: Das Debakel der vorzeitig abgebrochenen Maastrichter Ausgabe ist den Machern nicht etwa Anlass, die für den 8. bis 11. Mai geplante „Tefaf Spring“ in New York frühzeitig abzusagen. „Wir sind gerade dabei, verschiedene Szenarien zu evaluieren und können derzeit leider keine detaillierte Auskunft geben,“ lassen sie auf Anfrage des Handelsblatts verlautbaren.

Und auch in Basel ist die Lage alles andere als rosig. Denn die Art Basel ist möglicherweise von allen großen Kunstmessen in der heikelsten Situation. Die Tochter in Hongkong musste bereits abgesagt werden. Sie findet diese Woche online statt. Zuerst dürfen die VIP das Bildschirmangebot studieren, danach die Interessierten.

Nun aber wackelt auch die wichtigste Veranstaltung der Kunstwelt, die Basler Veranstaltung im Juni. Auf Anfrage erklärt eine Sprecherin: „Zurzeit hoffen wir, dass die Messe wie geplant im Juni stattfinden kann. Gleichzeitig prüfen wir die Möglichkeit, die Messe in den Herbst zu verschieben.“

Konzern in Schieflage

Für die Muttergesellschaft MCH Group kommt die Pandemie wahrlich zur Unzeit. Die Uhrenmesse Baselworld ist bereist abgesagt und der Konzern in Schieflage. Die Unternehmensgruppe versucht sich in Schadensbegrenzung: „Die Absage oder Verschiebung der betroffenen Veranstaltungen haben zwar wirtschaftliche Folgen für die MCH Group, die Stabilität des Unternehmens ist aber angesichts ihrer starken Liquidität nicht gefährdet.“ Die strategische Neuausrichtung sei auf gutem Weg: „Dazu gehört auch die Evaluation verschiedener Optionen zur Finanzierung der notwendigen Investitionen zur Strategieumsetzung.“

Für die ehemals erfolgsverwöhnten Schweizer klingen die Pläne radikal: „Eine der mehreren Optionen ist die Prüfung eines Einstiegs neuer Investoren, was mit einer Kapitalerhöhung und damit verbunden auch strukturellen Veränderungen bei den Aktionären verbunden sein kann. Der Evaluationsprozess der verschiedenen Optionen ist im Gange.“

Fast schon erschütternd wirkt der Schlusssatz: „Die aktuelle Situation auf Grund der Coronavirus-Verbreitung hat darauf keinen Einfluss.“ Die Situation muss vorher schon dramatisch gewesen sein, wenn die Auswirkungen der Pandemie, die für viele Unternehmen ohnehin schon bedrohlich sind, unerheblich sein sollen.

Online Viewing Rooms als Rettung

Die Art Basel hatte zum Glück – wenn auch unwissentlich – vorgesorgt: Die App zur Messe wurde im Zuge der Neueinführung des Global Guide ausgebaut und bietet jetzt virtuelle Viewing Rooms mit hochauflösenden Abbildungen der Werke in einer fiktiven Koje zusammen mit Detailangaben zum Werk und der Möglichkeit zum Chat mit Galeriemitarbeitern.

Damit haben die Schweizer einen Trend vorweggenommen, der sich gerade massiv Bahn bricht: Online Viewing Rooms entwickeln sich zum Mittel der Wahl von zwangsweise geschlossenen Galerien und abgesagten Messen, um dem Publikum dennoch Offerten näher zu bringen.

Frühere Versuche, im Internet funktionierende Marktplätze aufzubauen, sind größtenteils kläglich bis spektakulär gescheitert. Die „VIP Art Fair“ wollte mit ziemlich genau dem gleichen Modell wie heute die Art Basel reüssieren. Die Premiere ging wegen Serverüberlastung und Softwarefehlern völlig daneben. Die zweite Ausgabe geriet zum Misserfolg. Der damalige Direktor Noah Horowitz ist heute als Direktor bei der Art Basel für Nord-, Mittel- und Südamerika zuständig. Die Expertise ist also im Haus.

Der Kunstmarkt wandert ins Internet

Was mehrere Unternehmen mit viel Aufwand nicht geschafft haben, könnte jetzt eine Krankheit Realität werden lassen: Der Kunstmarkt wandert ins Internet. Ob und in welchem Ausmaß er auch dahin abwandern wird, muss sich erst noch mittelfristig erweisen.

Bis dahin wird sich der internationale Kunstmarkt wohl neu sortiert haben. So manche Galerie wie auch die eine oder andere Kunstmesse dürfte den Umsatzausfall wirtschaftlich nicht überstehen.

Vieles hängt am Schicksal der Art Basel. Zusammen mit den großen Auktionshäusern ist sie dafür verantwortlich, das aus dem mittelständisch und nicht immer nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführten Geschäftsmodell Galerie eine Maschinerie aus größeren und kleineren Global Playern geworden ist.

Kunst hat sich den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Investitionsgut und Spekulationsobjekt entwickelt. Wer in diesem System mithalten will, musste sich professionalisieren und internationalisieren.

Erfolgreiche Galeristen sind weltweite Handelsreisende in Sachen Kunst. Jetzt steht der Apparat still. Ihn wieder ans Laufen zu bringen, nachdem der Motor ins Stocken geraten oder gar ausgefallen ist, wird allen Beteiligten einiges abverlangen.

Mehr: Kunstmesse: Die Art Cologne wird in den Herbst verschoben

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