Francesca Habsburg: Nach Zürich oder Venedig?

Bei der Eröffnung der Schau "Your black horizon" im Art Pavilion, Lopud, Kroatien, 2007: v.l.n.r: David Adjaye, Francesca Habsburg und Olafur Eliasson. Quelle: Todd Eberle / Thyssen-Bornemisza Art Contemporary
Wien. Vorvergangenes Wochenende erschien in der der Schweizer Sonntagszeitung (Zürich) ein Interview mit Francesca Habsburg, in dem sich die Tochter des 2002 verstorbenen Barons Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza zu diversen Zukunftsplänen äußerte. Von ihrem Mann Karl Habsburg-Lothringen, dem Enkel des letzten österreichischen Kaisers, lebt sie seit mehr als zehn Jahren getrennt.
Nun ziehe es sie „nach Hause zurück“, wie sie bekennt, und überlegt, mitsamt ihrer Sammlung zeitgenössischer Kunst von Wien nach Zürich zu übersiedeln. Denn, sie habe festgestellt, „Österreich ist doch nicht meins. Ich bin dort nicht zu Hause“. Und im Gegensatz zur zunehmenden Internationalisierung Zürichs sei „Wien sehr statisch“.
In Wien reagierte man von offizieller Seite her vorerst verhalten. Die auf Medienanfragen erteilten Wortspenden zur etwaigen Abwanderung rangierten zwischen „extrem schade“ (Kulturministerium) bzw. würde man dies „sehr bedauern“ (Wiener Kulturamt). Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny kündigte Gespräche an, „die Sammlung wäre für Wien wesentlich und gut“, die Chance für einen Verbleib sehe er bei 50:50.
Projekt „Berliner Kunsthalle“
Diese Zurückhaltung erklärt sich wohl aus der bisherigen Genese. Die 2002 gegründete Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Privatstiftung ist zwar eine „österreichische“, ihr praktizierter Anspruch jedoch ein internationaler, der bislang lokale Präsenz lediglich beinhaltete. 2004 eröffnete man einen Showroom in der Himmelpfortgasse in der Wiener Innenstadt. Eine räumliche Dimension, die mit der stetig wachsenden Kollektion an Kunstwerken, die die Milliardenerbin hauptsächlich beauftragt, nicht Schritt halten konnte.
2010 erwarb sie für kolportierte 1,5 Millionen Euro die „Temporäre Kunsthalle Berlin“ (Architekt Adolf Krischanitz). Sie hätte dort abgebaut und nach Wien transportiert werden sollen, um im Umfeld des Belvedere in der Nähe des „21er Hauses“ als temporäres Quartier zu dienen. Ein Jahr später war der Plan Geschichte, da das Projekt – inklusive künstlerischer Begrünung – sukzessive finanzielle Ausmaße angenommen hatte, die das Stadtbudget schlichtweg sprengten.
Mangelnde Wertschätzung
Stattdessen fand sich in Zusammenarbeit mit dem Belvedere eine Alternative. 2012 bezog TBA21 (Thyssen-Bornemisza Art 21. Jahrhundert) ein ehemaliges Bildhauer-Atelier, die so genannte Augarten-Expositur. Allerdings mangelte es an Besuchern, ein Umstand, der sich trotz kostenfreien Eintritts nicht änderte. Der Nutzungsvertrag für die Augarten-Expositur läuft 2017 aus; die Verlängerung scheint derzeit kein Thema zu sein.

Cerith Wyn Evans: "A Community Predicated on the Basic Fact Nothing Really Matters" von 2013. Das aus Neon und Stahlkabeln zusammengesetzte Werk misst in der Länge über sechs Meter. Quelle: Jens Ziehe / TBA21
Aktuelle Interviewanfragen lehnt Habsburg derzeit kategorisch ab. Dabei wäre interessant zu wissen, wie umfangreich die Sammlung tatsächlich ist, die der Öffentlichkeit bislang nur häppchenweise über Ausstellungen präsentiert wurde. 2013 sollen es etwa 600 Kunstwerke gewesen sein, darunter „große, raumgreifende Installationen“, die teils in Österreich und dem Vernehmen nach auch in einem Zollfreilager in Zürich lagern.
Nie Förderung beantragt
Um wie viel Nutzfläche soll es künftig überhaupt gehen? Bedarf es 1.000 Quadratmeter oder einer Palastdimension? Die an ihre Pressestelle übermittelten Fragenkataloge bleiben unbeantwortet. Man solle sich inhaltlich an Publiziertem bedienen, dazu gehört auch ein dreiminütiger TV-Beitrag, da einzig dem ORF eine kurze Audienz gewährt worden war. Darin beklagte sich Francesca Habsburg etwa überaus deutlich über die mangelnde Wertschätzung und jahrelange Hinhaltetaktik der Wiener Kulturpolitik. Ebenso moniert sie, „kaum bzw. nicht von der öffentlichen Hand unterstützt zu werden“. Auf explizite Anfrage, erklärt das Kulturministerium jedoch, TBA21 habe nie Förderungen beantragt.
Während Wien in den vergangenen Jahren kein Engagement „für eine langfristige Planung für die Zukunft“ ihres Projektes signalisierte, so von Habsburg, hätten nun eben Venedig und Zürich Interesse bekundet. Von der Stadt Zürich sei sie sogar explizit „zu Gesprächen über eine Übersiedlung“ eingeladen worden.

Eine Zukunft, die kostet
Eine Einladung? Auf Anfrage reagiert das zuständige Präsidialamt zurückhaltend: Man freue sich über von Habsburgs grundsätzliches Interesse an der Stadt, ein erstes Gespräch habe stattgefunden. Insgesamt sei aber alles noch sehr im Anfangsstadium, nichts konkret, Optionen würden geprüft, lautet die diplomatische Antwort.
Zusammengefasst wünscht sich die Milliardenerbin „eine optimale Lösung für die Sammlung und die Zukunft der Stiftung“. Und derzeit werfe die mangelnde Anerkennung in Wien „die Frage auf: Bedeutet Thyssen-Bornemisza den Schweizern mehr als den Österreichern?“ Die Antwort darauf könnte eindeutiger ausfallen, als es Francesca von Habsburg lieb sein wird. Denn um Anstandsbesuche eines Kulturstadtrates oder des Ministers bei künftigen Ausstellungen wird es vermutlich nicht gehen, sondern um eine Zukunft, die Geldmittel erfordert. Allerdings hat sich das öffentliche Budget noch nie an den Wünschen von Privatsammlern orientiert. Das wird in Berlin, Venedig oder Zürich nicht anders sein als in Wien.





