Tefaf Maastricht: Messe schließt vorzeitig: Die Kunsthändler breiten ihr Angebot nun online aus
Zur Eröffnung überwiegt noch die Zuversicht.
Foto: TefafMaastricht. Wie Opernhäuser, Kunstpreisverleihungen und die Buchmesse entkommen auch die bildenden Künste nicht der Corona-Epidemie. In Italien sind die Museen schon seit Montag komplett geschlossen. In Deutschland bleiben laut Museumsbund die meisten Häuser noch offen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rät zwar seit dieser Woche zur Absage von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern. Aber nur in den ganz großen Häusern schlendern hierzulande so viele Menschen gleichzeitig durch viele Säle.
Wirklich betroffen wären damit nur Veranstalter von Blockbuster-Ausstellungen. Das Museum Barberini in Potsdam etwa steuerte die Besucher bisher über sein Ticketingsystem. Seit Donnerstag ist die Monet-Ausstellung bis zum 17. März geschlossen.
Bei internationalen Kunstmessen ist das Bild noch uneinheitlich. Die „Miart“ in Mailand, die „Art Paris Fair“, die „artmonte carlo“ und die „PAD Paris“ sind auf spätere Termine verschoben worden. Die „Art Cologne“ und die „Art Brussels“ allerdings wollen noch ihren Termin Ende April halten.
Wie schnell sich Entscheidungen in diesen Tagen ändern können, zeigt ein Blick nach Maastricht. Die „The European Fine Art Fair“, kurz Tefaf, öffnete zwar in der vergangenen Woche wie geplant. Doch an diesem Mittwoch schloss sie dann vorzeitig. Ein italienischer Moderne-Händler war am Montag positiv auf das Coronavirus getestet worden. Seitdem ist das Angebot der Messe, die eigentlich bis Sonntag hätte laufen sollen, nur noch auf den Webseiten der Tefaf und der Händler einzusehen.
Clevere Aussteller haben zudem Videos versandt, die dem Kunstfreund aus sicherer Entfernung Einblick ins Angebot verschaffen. Die Tefaf ist seit ihrer Gründung ein unübertroffener Olymp des Altmeisterhandels. In der aktuellen Ausgabe bietet die Gemäldesektion zwar noch immer Spitzenqualität, aber der Händlerstamm hat sich stark verändert, die Geschmäcker haben sich verschoben. Die Moderne hat mit 59 Ausstellern die 55 Spezialisten Alter Malerei überflügelt.
Jahrzehntelang prägende Galerien sind hier noch immer vertreten, etwa Agnews, Richard Green, Haboldt, De Jonckheere oder Lampronti. Aber eine ganze geschmacksbildende Händlerriege ist meist aus Altersgründen von der Bildfläche verschwunden. Allen voran Johnny van Haeften, Konrad Bernheimer, Richard Feigen und Otto Naumann. Dafür sind jetzt einige Galerien aus Italien und London eingezogen, die eher mittlere Qualität vertreten.
In der Mitte rechts hängt die „Venus und Cupido“ von Bartholomäus Spranger.
Foto: The Weiss GalleryGleichwohl finden sich auf der Messe auch bedeutende Altmeistergemälde, mehr als noch im Vorjahr. Ein Überangebot herrscht an Werken des internationalen Caravaggismus, der mit starken Licht- und Schattenkontrasten arbeitet. Darunter sind museale Beispiele wie das naturalistische „Martyrium des heiligen Bartholomäus“ von Matthias Stomer für 1,1 Millionen Euro bei Agnews.
Ein Museumsbild ist Goyas repräsentatives Halbporträt des Höflings, der die Prachtgewänder von Karl IV. mit Goldfäden bestickte. Es kostet bei der Galerie Caylus 6,2 Millionen Euro. Neben hochbewerteten Gemälden lassen sich aber auch solche zu gemäßigten Preisen finden.
Eines der begehrenswertesten Werke der Goldgrundmalerei ist ein kleiner Flügelaltar mit zentraler Madonna des Florentiner Malers Giovanni Gaddi bei Salamon Old Masters, der mit 750.000 Euro moderat beziffert ist. Der Absatz lief bislang gut. Neun Bilder konnte Bob Haboldt bereits am ersten Messetag verkaufen, darunter die von Bartholomäus Spranger auf Kupfer gemalte Szene des von Engeln getragenen toten Christus, ein Kleinformat, das mit 650.000 Euro beziffert war.
Konkurrenz für Altmeisterhändler
Sprangers „Venus und Amor“ offeriert die Galerie Weiss für fünf Millionen Euro. Eines der schönsten Bilder am Stand von Haboldt: eine strahlend farbige „Heilige Familie“ des Medici-Hofmalers Jacopo Zucchi, die für 700.000 Euro den Besitzer wechselt.
Das Angebot der Tefaf – physisch wie virtuell – ist stets auch ein Spiegel des Marktes. Ambitionierte Altmeisterhändler müssen heute gegen eine Übermacht von Veränderungen ankämpfen. Stärkste Konkurrenten sind die Auktionshäuser. Noch im Januar 2002 schrieb die „New York Times“ über Altmeisterversteigerungen: „Die Käufer sind vorrangig Händler. Die Auktionen sind dominiert von Professionellen.“
Das hat sich grundlegend geändert. Wer sich die Top-Ten-Listen der teuersten versteigerten Altmeisterbilder der letzten zehn Jahre vornimmt, stellt fest, dass rund 70 Prozent dieser Werke an Privatkäufer gegangen sind. Bis kurz nach der Jahrtausendwende waren es Händler, die sich hier Spitzenwerke sichern und sich gegen private Konkurrenten behaupten konnten.
Dieses italienische Renaissance-Besteck aus Bein und Eisen ist in einem Etui in Form einer Forelle untergebracht.
Foto: Kunstkammer Georg LaueDas zweite Problem ist der gravierende Schwund an Spitzenwerken. Er katapultiert Vertreter der zweiten Malerriege und zahlreiche bislang unterbewertete Meister etwa der Leonardo-Schule, des Caravaggismus oder des Rembrandt-Kreises in höhere Preissphären. Ein Selbstporträt des Rembrandt-Schülers Aert de Gelder hing bei Salomon Lilian für zwei Millionen Euro.
Ein absolut fairer Preis sind die 450.000 Euro, die Nicholas Hall für eine brillante „Madonna mit Kind“ des in Leonardos Mailänder Atelier geschulten Giampetrino erwartet.
Der Geschmack wandelt sich
Neubewertungen für unterbewertete Maler hat es immer schon gegeben. Der wissende Händler kann, wie vielfach in Maastricht sichtbar, von eigenen Entdeckungen profitieren. Namhafte Londoner Händler haben sich aus dem Rampenlicht der Messen zurückgezogen, um das diskrete Geschäft im Galerieambiente zu pflegen. „Es ist ein enger Markt mit wenig Transaktionen“ hatte der New Yorker Händler Richard Feigen schon 2007 am Rande einer Auktion bemerkt. Daran hat sich nicht viel geändert, denn die sogenannte Mittelware der Bilder in niedrigeren sechsstelligen Preisregionen lässt sich schwer absetzen. „Die teuren Bilder lassen sich am schnellsten verkaufen“, sagt Händler Haboldt.
Die beiden Tafeln mit Darstellungen der Heiligen Sippe wurden 1513 in Öl auf Holz gemalt.
Foto: Arnoldi Livie GalleryDer dritte entscheidende Faktor ist der Geschmackswandel. Der Markt schrumpft sich gesund, denn jüngere Sammler kaufen bestenfalls einzelne Altmeisterbilder. Dennoch sind Alte Meister nicht aus der Mode. Paradeshows zu Leonardo, Raffael, Mantegna, Caravaggio, Rembrandt und Dürer ziehen immer noch ein Millionenpublikum in die Museen.
Auch Megasammler machen es vor, wie der chilenische Milliardär Alvaro Saieh, der rund 200 Werke italienischer Kunst des 13. bis 17. Jahrhunderts zusammengetragen hat. Oder der amerikanische Investor Thomas S. Kaplan, der in seiner „Leiden Collection“ 175 herausragende Werke des Goldenen Zeitalters niederländischer Malerei, darunter allein 17 Rembrandts, vereinigt.
Neue Strategien werden erprobt
Meist sind es aber die von Geschmacksveränderung unabhängigen Museen, die mit Millionenkäufen nicht geizen. Noch frisch in Erinnerung sind die 160 Millionen Euro, die je zur Hälfte der Louvre und das Amsterdamer Rijksmuseum für zwei frühe Rembrandt-Porträts eines Ehepaars einsetzten, um diese Werke abwechselnd zu zeigen.
Dass seit gut zehn Jahren die zeitgenössische Kunst über die Alten Meister triumphiert, zwingt die Händler zu neuen Strategien. Jeder einzelne Händler muss nicht nur Museumstouren und Dinner organisieren. Er muss seine Kollektion auch in den sozialen Medien präsentieren und mehr Ausstellungen bis hin zu Pop-up-Shows veranstalten.
Die Händler können improvisieren. Das zeigt nicht zuletzt der Umgang mit dem Coronavirus. Ein Cross-over, zu dem sich Händler von Malerei, Skulptur und Kunstgewerbe in Sonderschauen vernetzen, wäre eine Antwort auf den Mainstream der zeitgenössischen Kunst. Der „Frieze Masters“ ist das nur ansatzweise gelungen. Die nächste Tefaf im Jahr 2021 könnte ein Zeichen des Aufbruchs setzen – dann hoffentlich virusfrei.
Mehr: Tefaf in Masstricht: Wie die Königin der Messen den Geschmackswandel bedient