Jürgens Weinlese: „Größere Werte im Keller als die meisten Banken“

Vor 23 Jahren haben die Brüder Wulf (l.) und Michael Unger das Unternehmen Unger Weine gegründet, das zu führenden Händlern von feinen, investmentfähigen Weinen in Deutschland zählt.
Sie verfügen über kein Ladengeschäft mit Öffnungszeiten und einen gedruckten Prospekt bieten die Gebrüder Unger schon seit mehreren Jahren nicht mehr an. Dennoch zählen Michael und Wulf Unger mit ihrem Unternehmen zu den Top-Händlern von Spitzenweinen. Die beiden Seiteneinsteiger aus der Automobil- und der Finanzbranche haben Unger Weine 1993 gegründet und in der bayerischen Gemeinde Frasdorf kontinuierlich ausgebaut. Ihre Veranstaltungen sind ungewöhnlich - wie zum Beispiel 2008 die erste „Penfolds Wine Clinic“ auf dem europäischen Festland ein, bei der Kunden ihren australischen Spitzenwein neu verkorken lassen konnten. Und sie bieten ihren Kunden den persönlichen Zugang zu den Top-Produzenten weltweit. Ihr neuester Coup: Der Bau eines 1000 Quadratmeter großen Kellers, in dem Weinliebhaber ihre edlen Tropfen lagern können. Das Interview entstand während eines Besuchs bei Michael Unger in Frasdorf.
Hallo Herr Unger, wie sind Sie auf die Idee gekommen, solch einen großen Weinkeller zu bauen?
Weil Kundenbindung für uns ein wichtiges Thema ist. Kunden wollten oftmals Wein nur dann bei uns kaufen, wenn wir diesen gleichzeitig hätten einlagern können. Das konnten wir bislang nicht, unter anderem auch aus versicherungsrechtlichen Gründen. Wir hatten uns dann zunächst für den Bau eines Weinlagers nur für Kunden entschieden. Später sind wir zum Entschluss gekommen, auch anderen Weinliebhabern, also Nichtkunden, eine optimale Lagermöglichkeit zu bieten.
Lagern Sie auch die Weine ihres Unternehmens dort?
Nein, die Keller für Unger-Flaschen sind separat. In dem neu gebauten Keller ist Platz für 60.000 Kisten, derzeit lagern wir rund 1000. Wenn man die Werte in beiden Lagerstätten sieht, dann lagern dort wohl größere Werte als in den meisten Banken.

Temperatur von zwölf Grad, 75 Prozent Luftfeuchtigkeit und minimale Luftbewegungen: Das zeichnet den Unger Keller zur Lagerung von Weine aus. Ingesamt ist dort Platz für 60.000 Kisten.
Sie werben in ihrem Prospekt damit, dass die Lagerung in ihrem Keller kostengünstiger als in einem Kundenkeller sei. Wie würden Sie das einem Weinliebhaber angesichts einer Mindestlagergebühr von 50 Euro für sechs Monate plus Versicherung und Bearbeitungsgebühr erklären?
Das hängt mit der Art der Lagerung zusammen. Wein soll man langfristig nicht über 15-17 Grad lagern. Wenn uns beispielsweise Sammlungen von privaten Weinliebhabern angeboten werden, fragen wir zuerst grundsätzlich nach der Qualität der Lagerung. Die Antwort lautet dann fast immer: „perfekte Lagerung“. Wir fahren dann mit unseren Messgeräten zum Weinliebhaber und stellen meist fest, dass das nicht stimmt. Es gibt keinen privaten, nicht klimatisierten Keller, der so etwas bieten kann. In einem normalen Haushaltskeller haben Sie im Sommer immer 20 Grad und mehr. Und einen speziellen Keller bauen und betreiben kostet sehr viel mehr Geld, als bei uns zu lagern.
Und wenn man entsprechende Lagermöglichkeiten außerhalb des Hauses oder innerhalb des Kellers schafft?
Da haben Sie zusätzlich das Problem, dass der Platz limitiert ist. Die Erfahrung zeigt: Man lagert langfristig immer mehr Wein als eigentlich geplant war. Und wohin dann mit den Weinen?
Das Problem kenne ich aus eigener Erfahrung….
Es ist ein Standardthema bei jeder Familie. Bei uns ist es so, je mehr sie lagern, desto günstiger wird es. Weinliebhaber sollten vor allem das Thema Sicherheit nicht vergessen. Da sind wir auf extrem hohem Niveau. Niemand verfügt zu Hause über solch einen Sicherheitslevel wie wir. Stellen Sie sich vor, Sie fahren in den Urlaub und jemand räumt den Weinkeller leer.
Aber den kann man doch versichern…
Wenn Sie ihren Weinkeller über eine Hausratversicherung absichern wollen, kostet das deutlich mehr als bei uns. Meiner Einschätzung nach sind die meisten deutlich unterversichert. Und man realisiert doch letztendlich gar nicht, wieviel Weine man über die Jahre gekauft hat. Zudem verlieren Sie Weine, an denen Ihr Herz hängt, die durch Geld alleine nicht wiederzubeschaffen sind. Da hilft Ihnen die beste Versicherung nichts.
Das Problem kenne ich auch, dass man zuviele Weine kauft...
In der Summe ist das Handling einfacher. Ein weiterer Vorteil: Wenn man sein Hobby von heute auf morgen beenden will oder muss, ist das mit der Lagerung bei uns kein Problem. Anders wenn man einen tollen Weinkeller zuhause gebaut hat.
So etwas gibt es, dass Leute plötzlich von Wein nichts mehr wissen wollen?
Ja, es gibt kurioserweise Weinliebhaber, die von heute auf morgen ihr Hobby aufgeben. Das erleben wir immer wieder. Manchmal spielen auch gesundheitliche oder andere Gründe eine Rolle. Was wir ganz oft erleben: Kunden schichten um. Die wollen keine Weine mehr aus Bordeaux und Italien, sondern nur noch aus Burgund trinken oder nur noch Weißweine anstatt Rotweine. Der Anteil beispielsweise von Weißweinen und Champagner steigt kontinuierlich.
Wenn ich mir den Prospekt für Ihren Keller anschaue: Bankgleicher Sicherheitsstandard, kein Name auf den fälschungssicheren Etiketten, anonymes Be- und Entladen usw. Da kommt sofort der Gedanke an ein Schweizer Nummernkonto auf…
Wir haben Liebhaber, da sollen es die Kinder oder die Ehefrau nicht wissen, dass er so viele teure Weine gekauft hat. Auch andere Lagerkunden, die den Keller besichtigen, oder dort einlagern, müssen nicht wissen, wer was in welchem Umfang lagert.
Die Lagerung geht ohne jede Nachfrage über die Bühne?
Wir lassen uns vertraglich explizit zusichern, dass der Kunde rechtmäßiger Eigentümer der Weine ist. Es könnte ja auch gestohlene Ware sein. Wir wissen aber generell, welche Weine der Kunde exakt bei uns liegen hat. Und wenn uns der Kunde legitimiert und interessiert ist, arbeiten wir mit den Weinen.
Was meinen Sie mit „arbeiten“?
Wenn zum Beispiel eine Nachfrage aus Amerika oder Asien nach einer Kiste 2010er Chateau Margaux kommt, dann wissen wir: Fünf Kunden von uns haben diesen Wein eingelagert und sprechen diese an. Wir nehmen eine kleine Marge, die Höhe wissen wir noch nicht genau, und verkaufen dann den Wein für den Kunden. Das wird seit langem schon so in England praktiziert.
Bestehen Ihre Kunden eigentlich auf dieser Anonymität, die Sie ihnen auch in Ihrem Keller-Prospekt zusichern?
Wir treten werblich kaum nach außen auf. Das schätzen unsere Kunden. Ich kann mich noch an eine Jahrgangsverkostung von 25 Jahrgängen Petrus im Jahr 2008 erinnern, kurz nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman. Die Veranstaltung kostete einige Tausend Euro. Da haben uns Kunden gesagt: Wenn ein Bild von dieser Verkostung mit mir veröffentlicht wird, wäre das ein erhebliches Problem.
Nimmt die Nachfrage nach Wein als Investments zu?
Ja, die Nachfrage steigt deutlich. Die Kunden fragen natürlich gleich konkret. Welche Weine soll ich kaufen? Welche Rendite kann ich erzielen?
Und was antworten Sie?
Was ist dabei das „Worst-Case“-Szenario? Sie bleiben auf dem Wein sitzen und müssen ihn selber trinken. Deswegen geben wir auch nur folgende Empfehlung: Kaufe nur den Wein, den Du später auch trinken möchtest. Einen Totalausfall wie bei Hoch-Risikoanlagen gibt es beim Wein-Investment nicht.
Sie äußern sich nicht zur möglichen Rendite?
Wir sprechen gegenüber unserem Kunden von einem Werterhalt. Wenn er sein Geld zur Bank bringt, muss er mittlerweile in einigen Fällen schon dafür Geld zahlen. Wir empfehlen unseren Kunden, das Thema trotzdem vernünftig und besonnen anzugehen.
Das hieße…
Beispielsweise Weine vom aktuellen Jahrgang 2015 zu subskribieren, also jetzt zu kaufen und zwei Jahre später einzulagern. Dieses Vorgehen ist bei Bordeaux-Weinen üblich. Wenn Sie Weine aus diesem Jahrgang bestellen, machen Sie bei vielen Weinen nichts falsch. Für uns war das 2015er-Subskriptionsgeschäft sensationell, der beste Primeur-Jahrgang in unserer 25-jährigen Geschichte überhaupt.
Besser noch als die legendären Jahrgänge 2009 und 2010, als die Preise für manche Weine aus dem Bordeaux regelrecht explodiert sind?
Der Umsatz war 2010 etwas höher, weil einige Weine auch überteuert waren. Das war leider nicht nachhaltig. Vom Jahrgang 2015 haben wir bei der Subskription deutlich mehr Flaschenvolumen verkauft.
Aber lohnt sich denn Wein als Investment – angesichts der Kosten für Lagerung und der Gebühren bei einem anschließenden Wiederverkauf?
Wein ist nicht etwas, was man in diesem Jahr kaufen und ein Jahr später verkaufen kann. Wein muss man längerfristig halten, nur dann macht es Sinn. Ich stelle mir vor: Jemand hat ein Investmentportfolio und entscheidet, einen gewissen Prozentsatz in Wein anzulegen. Nur und ausschließlich in Wein zu investieren würde ich nicht empfehlen.
Warum sollen denn die Preise überhaupt steigen?
Wein ist ein Konsumgut. Weil es getrunken wird, wird die Zahl der Flaschen ständig geringer. Die Nachfrage nach Weinen aus den klassischen Anbaugebieten ist nach wie vor hoch, Bordeaux steht da mit Abstand an erster Stelle.
Warum sind zuletzt die Preise für Bordeaux-Weine wieder angezogen?
Die Weinbranche wurde zuletzt durch das Brexit-Votum hart getroffen. In Großbritannien lagern sehr hohe Volumina edler Weine. Durch den Verfall des Pfundes konnten die Briten diese Tropfen deutlich günstiger anbieten, da konnten die Euro-Länder nicht mehr mithalten. Diese Situation dauert aber nur so lange, bis die Briten wieder nachkaufen müssen. Und irgendwann müssen sie nachkaufen. Das wird spätestens mit dem Bordeaux-Jahrgang 2016 der Fall sein. Dann haben die Briten den Nachteil des schwachen Pfundkurses gegenüber dem Euro.

Sind denn solche Schwankungen üblich?
Die Entwicklung der Weinpreise verläuft wellenförmig, im Sommer sind die Preise tendenziell tiefer als im Winter. Und die Preise sind natürlich auch immer konjunkturabhängig. Ich kann mich noch an das 9/11-Attentat erinnern, nach dem Anschlag in New York war der Weinmarkt wochenlang tot. Oder wie nach dem Konkurs von Lehman Brothers. Russland zum Beispiel war früher ein starker Markt für Premium-Champagner, auch das hat sich extrem relativiert.
Existiert denn der Markt in Asien noch?
Ja, aber in anderer Form. Noch unter der Vorgängerregierung in China konnte man Lafite-Weine aus dem Bordeaux zu jedem Preis verkaufen, jeden Jahrgang, egal wie die Qualität war. Diesen Markt gibt es in dieser Form nicht mehr. Zum einen hat sich auch dort eine Kennerschaft entwickelt, die nach Preis/Leistung kauft, zum anderen wurde Weine häufig als Geschenk für Geschäftspartner benutzt. Das ist so nicht mehr der Fall. Der Weinmarkt ist genauso anfällig wie jeder andere Markt auch und sehr volatil.





