Bücher: Die zehn besten Wirtschaftsbücher zu Weihnachten

Die DNA des Fortschritts, Lehren aus besseren wirtschaftlichen Zeiten oder die dubiosen Geheimnisse der Luxusgüter-Welt: Das sind nur drei der Themen, die sich in diesem Jahr in Büchern für Wirtschaftsinteressierte wiederfinden. Das ganze Jahr über hat die Handelsblatt-Redaktion immer wieder lesenswerte Bücher rund um ökonomische Themen vorgestellt. Zehn haben es bisher nicht in unsere Empfehlungen geschafft, dabei sind auch sie uneingeschränkt empfehlenswert – und vielleicht sogar als Last-Minute-Weihnachtsgeschenk geeignet. Dabei muss es nicht immer ein Sachbuch sein. Zu Weihnachten präsentieren wir internationale Sachbuch-Bestseller genauso wie Belletristik, die sich für die (hoffentlich) stillen Stunden zwischen den Jahren eignet. Ein Überblick über zehn vielversprechende Neuerscheinungen des Jahres: Harald Jähner erzählt die Geschichte der frühen Bundesrepublik als Geschichte einer mentalen Verwandlung. „Wunderland“ beschreibt die Jahre nach 1945 nicht als linearen Wiederaufbau, sondern als widersprüchliche Übergangszeit, in der Mangel, Improvisation, Schuldverdrängung und Aufbruch nebeneinander existierten. Jähner interessiert weniger die große Politik als der Alltag: Wohnen, Konsum, Freizeit, Moralvorstellungen. Er zeigt, wie sich aus Ruinen neue Lebensstile formten – und wie rasch sich eine Gesellschaft einrichtete, die das Vergangene hinter sich lassen wollte. » Lesen Sie auch: Diese drei Bücher erklären das Kriegsende vor 80 Jahren Wer in diesen Tagen an Deutschlands bräsigem wirtschaftspolitischen Stillstand verzweifelt, findet hier neuen Grund für Zuversicht. Denn der wirtschaftliche Aufschwung erscheint in Jähners Schilderung nicht als Wunder, sondern als Ergebnis sozialer Anpassungsleistungen und kultureller Verschiebungen. Jähners große Stärke liegt in der Verbindung von historischer Genauigkeit und erzählerischer Leichtigkeit. Immer wieder bricht er verbreitete Nachkriegsklischees auf, etwa die Vorstellung einer durchgehend entbehrungsreichen Zeit oder eines kollektiven Neuanfangs ohne innere Brüche. „Wunderland“ ist auch ein Buch über die Ursprünge der westdeutschen Mentalität – über Leistungswillen, Konformismus und die frühe Fixierung auf materiellen Erfolg. Harald Jähner, Journalist und Historiker, wurde mit seinem Buch „Wolfszeit“ bekannt. Auch hier zeigte er seine Fähigkeit, Geschichte als kulturellen Prozess zu erzählen – mit Blick für Ambivalenzen und gesellschaftliche Langzeitfolgen. Die beiden Journalisten sind bereits mehrmals als Bestsellerautoren in Erscheinung getreten. In „Der neue Wohlstand“ untersuchen Ezra Klein und Derek Thompson die Idee des Überflusses in einer Welt, die oft von Knappheit geprägt ist. Sie argumentieren, dass technologische Innovationen und kreative Lösungen die Fähigkeit haben, Ressourcen zu vergrößern und Herausforderungen zu meistern. „Die Autoren zeigen auf, wie der ‚Überfluss‘ vergangener Jahrzehnte zu folgenreichen Irrtümern führte“, sagt Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. Vor allem die progressive Linke habe eine „Überregulierung“ zu verantworten, die das Wachstum in jenen Regionen, die sie regierte, behinderte – sei es in Kalifornien oder Europa. » Lesen Sie auch: Kenneth Rogoff: „Investments in die USA sind nicht mehr sicher“ Auf einer tieferen Ebene zeige „Überfluss“ zudem, dass die US-Progressiven sich weigerten, Handelsabkommen anzuerkennen. Und sie gaben sich der Illusion hin, dass „Haushaltsdefizite und die Schulden, die daraus resultieren, kein Problem seien“. Es ist eines der eindrucksvollsten ökonomischen Bücher des Jahres: Carl Benedikt Frey untersucht die Bedingungen, unter denen technischer Fortschritt gesellschaftlich produktiv wirkt – und warum er ins Stocken geraten kann. „How Progress Ends“ ist eine historische und ökonomische Analyse von Innovationszyklen, Machtkonzentration und politischer Blockade. Frey zeigt, dass technologischer Fortschritt keineswegs automatisch zu Wohlstand führt, sondern institutionelle Voraussetzungen braucht. Er analysiert Parallelen zwischen der heutigen Digitalökonomie und früheren Umbruchphasen. Besonders eindrucksvoll ist seine Warnung vor Monopolisierung und politischer Kurzsichtigkeit. Frey ist schwedisch-deutscher Ökonom an der Universität Oxford und zählt zu den wichtigsten Stimmen der Fortschrittsforschung. Das Buch liegt derzeit nur auf Englisch vor, im Februar erscheint es auch in deutscher Sprache bei Campus. Sasa Stanisic versammelt in diesem schmalen Band Texte, die sich jeder eindeutigen Gattung entziehen. Es sind Erinnerungsstücke, Reflexionen, literarische Miniaturen, die vom Fremdsein, vom Denken in Bildern, vom Widerstand gegen Vereinfachung und manchmal auch einfach nur von Absurdem handeln. Der titelgebende Satz steht programmatisch für eine Weltsicht, die sich nicht mit schematischen Darstellungen zufriedengibt. Stanisic misstraut klaren Linien, eindeutigen Erklärungen, abgeschlossenen Erzählungen. Immer wieder kreist er um die Erfahrung von Migration, um Sprache als Heimat und um die Frage, wie Erinnerungen entstehen und sich verändern. Dabei verbindet er Humor mit Melancholie, Präzision mit spielerischer Abschweifung. Stanisic zeigt, wie sehr Wahrnehmung von Ordnungssystemen geprägt ist – und wie produktiv es sein kann, diese zu unterlaufen. Sasa Stanisic, geboren in Visegrad, kam als Kind nach Deutschland und gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren seiner Generation. Mit diesem Buch unterstreicht er seine Fähigkeit, gesellschaftliche Fragen in literarische Formen zu übersetzen. Tom Hillenbrand verbindet in seinem neuen Roman Kriminalhandlung mit wirtschafts- und kulturgeschichtlicher Recherche. „Verhängnisvoller Champagner“ spielt in der Welt der französischen Luxusgüter, der Markenmythen und der globalen Finanzströme. Im Zentrum dieses neuen Buchs der erfolgreichen Reihe um den Luxemburger Koch und Hobbyermittler Kieffer steht ein Mordfall, der tief in die Geschichte eines traditionsreichen Champagnerhauses führt – und in ein Geflecht aus Macht, Geld und Täuschung. Hillenbrand, der sich als Bestsellerautor sowohl im Science-Fiction- wie auch im Krimi-Genre tummelt, schreibt eine der wenigen deutschsprachigen Krimi-Reihen, die nicht durchweg peinlich sind. Er nutzt das Genre des Krimis, um Fragen nach Authentizität, Wertschöpfung und globaler Ungleichheit zu stellen. Champagner wird hier zum Symbol einer Wirtschaftsordnung, die von Herkunftserzählungen lebt und zugleich von industrieller Skalierung geprägt ist. Der Roman überzeugt durch Tempo, Detailfreude und eine präzise Beobachtung ökonomischer Zusammenhänge. Hillenbrand zeigt, wie eng Genuss, Prestige und Kapital miteinander verwoben sind. Juli Zeh entwirft in diesem Sammelband ein gesellschaftliches Panorama, das zwischen Satire und Ernst changiert. „Good Morning, Boys and Girls“ versammelt vier von Zehs Theaterstücken, die das Bild einer Zukunft entwerfen, in der Leistungsoptimierung, Selbstkontrolle und digitale Bewertungssysteme den Alltag bestimmen. Im Mittelpunkt stehen Figuren, die sich in diesem System eingerichtet haben – und solche, die daran zu zweifeln beginnen. Zeh, die sich in den vergangenen Jahren immer mehr als Stimme einer maximal möglichen Freiheit inszenierte und von der Autorin über die öffentliche Mahnerin bis zur Landesverfassungsrichterin verschiedene Rollen einnimmt, beschreibt hier mit scharfem Blick, wie Freiheit zunehmend als individuelle Verantwortung definiert wird und wie sozialer Druck sich hinter der Rhetorik von Selbstverwirklichung verbirgt. Kaum ein Autor begeistert Handelsblatt-Leserinnen und -Leser so zuverlässig wie Rolf Dobelli. In diesem Buch richtet sich der Schweizer direkt an seine Anhängerschaft: „Jetzt sind Sie gefragt“ ist eine Sammlung von Fragen, die dazu anregen sollen, eigene Überzeugungen zu überprüfen. Das sind einige Fragen, mit denen Dobelli das erreichen will: Gesetzt den Fall, Sie hätten Ihren Mann/Ihre Frau durch einen Vermittler kennengelernt. Rückwirkend betrachtet: Welches wäre eine angemessene Provision gewesen? Oder: Stimmt es Sie traurig, dass Sie Ihren Vielflieger-Status beim Tod verlieren werden? Dobelli knüpft hier an seine Arbeiten zu Denkfehlern und Entscheidungslogik an, geht aber einen Schritt weiter: Er fordert zur aktiven Auseinandersetzung auf. Die Themen reichen von Geld und Karriere über Moral und Verantwortung bis hin zu Lebensentscheidungen. Dobellis Ziel ist es, Urteilskraft zu schärfen – gerade in einer Zeit permanenter Ablenkung. Florian Illies’ Buch ist eine Nahaufnahme des Sommers 1933: Thomas und Katia Mann stranden mit ihren sechs Kindern in Sanary-sur-Mer an der französischen Mittelmeerküste. Während sich in Deutschland die NS-Herrschaft verfestigt, hängt Mann noch der Hoffnung nach, die Heimat entwickele sich in seinem Sinne. Illies erzählt diese Wochen wie in schnellen, filmischen Szenen, gespeist aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen. Dabei kommt er dieser ikonischen deutschen Familie nahe wie kaum jemand – bis hin zur Schilderung des im Hause Mann wohl üblichen, durchaus lebhaften Drogenkonsums. Thomas Mann erscheint „zwischen Weltbedeutung und Entwurzelung“: als Nobelpreisträger und moralische Instanz, der zugleich zögert, wie eindeutig er sich öffentlich gegen Hitler positionieren soll und der im Stress des Exils sogar ins Verstummen geraten kann. Wie schnell bürgerliche Sicherheiten verdampfen, wie Besitz, Sprache und Status plötzlich fragil werden und wie sich in einer berühmten Familie das Politische ins Intimste frisst, schildert Illies hier. Es ist auch der Abschluss einer Illies-Trilogie, die sich von der Gründerzeit über die Weimarer Republik bis nun zu Hitlers Machtübernahme den schicksalhaften drei deutschen Jahrzehnten widmet, zu denen in der Gegenwart immer wieder Parallelen gezogen werden. Anne Brorhilker und Traudl Bünger legen eine eindringliche Analyse des Cum-Ex-Skandals vor, des größten Steuerbetrugs in der deutschen Geschichte. Im Zentrum steht nicht nur die juristische Aufarbeitung, sondern auch die moralische Dimension eines der größten Finanzverbrechen Europas. Die Autorinnen zeigen, wie systematisch Steuerschlupflöcher genutzt wurden – und wie Politik und Aufsicht versagten. Das Buch verbindet investigative Recherche mit persönlicher Perspektive, insbesondere durch Brorhilkers Erfahrung als Staatsanwältin: Die ehemalige Kölner Strafverfolgerin, die heute für die Organisation Finanzwende arbeitet, gilt als hartnäckigste und erfolgreichste Ermittlerin in diesem Skandal, der den deutschen Steuerzahler mehrere Milliarden Euro kostete. Ein Buch wie ein Mahnmal, gerade in diesen Tagen. In denen sich, mal wieder, das Schicksal der von Russland angegriffenen und von den Trump-USA immer mal wieder verratenen Ukraine entscheiden könnte. „Die übersehene Nation“ analysiert die politische und kulturelle Entwicklung der Ukraine und zeigt, warum westliche Wahrnehmungen lange verzerrt waren. Schulze Wessel argumentiert, dass historische Vereinfachungen politische Fehlurteile begünstigt haben. Das Buch verbindet historische Tiefenschärfe mit aktueller Analyse und erklärt die langfristigen Ursachen des russisch-ukrainischen Konflikts. Schulze Wessel ist Osteuropahistoriker und einer der profiliertesten Kenner der Region. Sein Buch ist sachlich, klar und von großer politischer Relevanz. Mehr: „Deutschland hat immer wieder Gelegenheiten zur Erneuerung seiner Industrie verpasst“