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EU-Binnenmarkt Deutsche Großbanken dringen auf mehr Fortschritte beim europäischen Finanzmarkt

Die EU kommt bei der Kapitalmarktunion seit Jahren nicht voran. Die Vorstandschefs von Deutscher Bank und Commerzbank mahnen zu mehr Eile.
28.06.2021 Update: 28.06.2021 - 18:22 Uhr Kommentieren
Der Chef der Deutschen Bank hat auf dem „Frankfurt Euro Finance Summit 2021“ gesprochen. Quelle: dpa
Christian Sewing

Der Chef der Deutschen Bank hat auf dem „Frankfurt Euro Finance Summit 2021“ gesprochen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Die deutschen Großbanken fordern mehr Fortschritte bei der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion. „Auf der europäischen Ebene muss mehr passieren“, sagte Commerzbank-Chef Manfred Knof am Montag bei der Branchenkonferenz „Euro Finance Summit“ in Frankfurt. Nationale Interessen und Egoismen müssten dabei zurückstehen. „Nur gemeinsam werden wir als Europa eine Chance haben, in der Welt zwischen China und den USA zu bestehen.“

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing monierte, die Europäische Union bestehe aktuell aus 27 Teilmärkten mit unterschiedlichen Insolvenz-, Wertpapier- und Verbraucherregeln. „Niemand kann eine gute Antwort auf die Frage geben, warum das noch so ist.“

Laut Sewing ließen sich durch einen vollständig integrierten Finanzbinnenmarkt Milliarden einsparen. „Außerdem ist ein gemeinsamer europäischer Kapitalmarkt die Voraussetzung dafür, dass uns die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelingt.“ Das dafür notwendige Kapital von privaten Investoren lasse sich nur in einem integrierten europäischen Kapitalmarkt mobilisieren.

Unternehmen in Europa finanzieren sich – im Gegensatz zu den USA – hauptsächlich durch Bankkredite. Um die Abhängigkeit von den Geldhäusern zu reduzieren, hat die EU-Kommission bereits 2015 Pläne für eine europäische Kapitalmarktunion vorgelegt, doch die Umsetzung stockt.

Sewing setzt sich im Rahmen der Bankenunion auch für eine einheitliche europäische Einlagensicherung ein – ein Vorhaben, das bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie bei vielen deutschen Politikern auf erbitterten Widerstand trifft.

Zu den „essenziellen Schritten für einen stärkeren Kapitalmarkt“ gehört für Sewing darüber hinaus eine Wiederbelebung des europäischen Verbriefungsmarktes. „Es geht schlicht darum, solide Kredite in Wertpapiere umzuwandeln. Das würde die Bilanzen der Banken entlasten, die hohe Kapitalanforderungen zu erfüllen haben, und damit weitere Kredite an die Wirtschaft ermöglichen.“

Die Bündelung von Forderungen war in der Finanzkrise 2008 in Verruf geraten, weil Ratingagenturen Pakete von ausfallgefährdeten Immobilienkrediten für Hauskäufer in den USA mit Bestnoten zu lukrativen Wertpapieren geadelt hatten.

Wettbewerbsverluste durch Regulierung

Ein Problem ist aus Sewings Sicht auch die zu strikte Regulierung der europäischen Finanzbranche: „Wir sind an einem Punkt in Europa, wo wir den Bogen überspannen“, sagte der Deutsche-Bank-Chef. „Wir müssen aufpassen, dass wir wettbewerbsfähig bleiben.“ Banken in der Euro-Zone entfernten sich langsam, aber sicher immer weiter von anderen Regionen.

In den USA seien die Vorschriften bei nachhaltigen Finanzierungen nicht so streng. Außerdem gebe es dort keinen Abwicklungsfonds wie in Europa, klagte Sewing, der bald das Präsidentenamt beim Privatbankenverband BdB übernimmt. 2021 müssten die Institute mehr als zehn Milliarden Euro an Beiträgen für den europäischen Bankenabwicklungsfonds aufbringen, das sei eine Steigerung von über 60 Prozent gegenüber 2016.

„Das liegt aber nicht daran, dass die Risiken im europäischen Bankensystem gestiegen wären – sondern in erster Linie daran, dass die lockere Geldpolitik die Bilanzen immer weiter aufbläht“, sagte Sewing. Dadurch werde das Zielvolumen des Fonds auf 78 Milliarden Euro taxiert, gut 20 Milliarden mehr als ursprünglich angepeilt. „Wir müssen uns fragen, warum diese Milliarden in einer solchen Phase ungenutzt in einem Fonds liegen sollen.“

Corona als Digitalisierungs-Beschleuniger

Neben der Zukunft der europäischen Regulierung dominierten das Abflauen der Corona-Pandemie und die Zukunftsthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit die Debatte auf der Branchenkonferenz. Lutz Diederichs, Deutschlandchef der französischen Großbank BNP Paribas, sieht die Banken im Euro-Raum trotz einer anziehenden Wirtschaftsleistung weiterhin in einer schwachen Verfassung.

Zwar seien die jüngsten Wachstumsschätzungen erfreulich, sagte Diederichs. Für Deutschland rechnet der Sachverständigenrat für 2021 mit einem Anstieg des Sozialprodukts von 3,1 Prozent, für den Euro-Raum sogar mit 4,0 Prozent. „Es ist aber noch nicht absehbar, wie sich der Anstieg der Insolvenzen nach Auslaufen der Corona-Hilfspakete auswirken wird.“ Die Eigenkapitalrenditen der Banken dürften angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen und der bevorstehenden höheren Kreditausfälle drastisch sinken.

Daher gehe es nun darum, den Digitalisierungsschwung durch die Corona-Pandemie produktiv zu nutzen: Es bestehe die Chance, Neues zu schaffen. „Lassen Sie uns an der Transformation arbeiten, nicht an der Wiederherstellung des Status quo ante.“ Verzichtbar seien etwa Filialen: „Wir betreuen sechs Millionen Kunden – ohne Filialen“, sagte Diederichs mit Blick auf die BNP-Tochter Consors.

ING-Deutschlandchef Nick Jue stimmte zu, sah seine Bank jedoch schon vor der Corona-Pandemie gut aufgestellt bei der digitalen Transformation. „Wir haben unsere Business-Modelle schon lange digital angepasst und neu aufgesetzt.“ Im Rahmen einer neuen Betriebsvereinbarung könnten ING-Mitarbeiter etwa frei wählen, ob sie von zu Hause aus arbeiten wollten oder im Büro.

Nachhaltigkeit als Zukunftsthema

Aber nicht nur die Banken würden nach der Viruspandemie anders aussehen als zuvor, auch die Kundennachfrage ändere sich, berichtete Jue. „Immer mehr Kunden fragen ESG-Produkte nach“, also ökologisch und sozial nachhaltige Anlagen, meinte der ING-Chef. „Ihnen müssen wir ein Angebot machen.“

Zustimmung kam von Christl Novakovic, Europachefin der Schweizer Großbank UBS. „Wir sehen eine klare Verhaltensänderung unserer Kunden.“ Die UBS befrage jedes Quartal zigtausend Kunden weltweit. „Da sehen wir klar: Viele wollen etwas in ihrem Leben ändern.“ So wollten viele Investoren früher in Rente gehen oder mehr Zeit fürs Privatleben, außerdem explizit nachhaltiger investieren. „Das sehen wir in Europa und teilweise auch weltweit“, schilderte Novakovic ihre Beobachtung.

BNP-Chef Diederichs verwies auf den weltweiten Markt für grüne Bonds, dieser sei bereits 2020 auf knapp 300 Milliarden Euro gestiegen. Auch Banken würden von den Megatrends Energiewende und Bekämpfung des Klimawandels erfasst. „Wer als Bank nachhaltiges Business weiter nur als Trend oder Mode sieht, ist von gestern.“

Deutsche-Bank-Chef Sewing verwies auf die höheren Renditen für nachhaltige Anlagen. Diese machten schon bald 30 Prozent des Geschäfts aus. Wichtig sei beim Thema ESG aber nicht nur das „E“, also der Umweltschutz. Auch das „S“, die soziale Nachhaltigkeit, müsse beachtet werden, sagte Sewing. „Wir haben eine soziale Verantwortung auch für die Industrie in Deutschland, für die wir bereitstehen beim nachhaltigen Umbau.“

DZ-Bank-Co-Chef Uwe Fröhlich mahnte, die Banken dürften nicht nur auf „tiefgrüne Investments“ setzen. „Es hilft dem Klima und dem Thema Nachhaltigkeit mehr, wenn wir die Breite der Wirtschaft mitnehmen und aus einem heute noch eher braunen Unternehmen ein deutlich besseres, nachhaltiges Unternehmen machen“, sagte er. „Wer ich nicht sein möchte, ist eine verlängerte Werkbank von NGOs oder gar ein Polizist, der versucht, Dinge durchzusetzen, die faktisch so in Gesetze nicht reingepackt worden sind.“

Mehr: Die EU schlägt nachhaltige Finanzregeln vor – doch diese stoßen auf Kritik

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