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Finanzmarkt Angst vor dem Kreditausfall – US-Banken stecken im Corona-Dilemma

Die Wall-Street-Häuser sollen in der Krise die Wirtschaft stützen. Doch damit sind ihre eigenen Bilanzen in Gefahr. Manche Risikoindikatoren sind schon höher als bei der Deutschen Bank.
30.03.2020 - 12:58 Uhr 1 Kommentar
Wall Street: Die US-Banken stecken in einem Corona-Dilemma Quelle: dpa
Leere Straßen vor Manhattan

Die Coronakrise trifft die USA härter als zunächst erwartet.

(Foto: dpa)

Denver, Frankfurt Der Chef der Bank of America hat eine klare Botschaft an seine Kunden: „Dies ist eine humanitäre Krise. Es geht um Menschen und Familien, und wir müssen ihnen helfen“, betonte Brian Moynihan am Freitag im US-Börsensender CNBC.

Seine Bank biete daher allen von der Coronakrise betroffenen Privatkunden und kleinen Unternehmen an, fällige Zahlungen für Hypotheken, Kreditkarten und Autokredite aufzuschieben. Der Auftritt ist nicht nur gezielte Imagepflege, sondern auch Schadensbegrenzung.

Am Mittwoch hatte der Gouverneur des US-Bundesstaats Kalifornien, Gavin Newsom, sich noch beschwert, dass sich die Bank of America weigere, Hypothekenzahlungen für drei Monate auszusetzen, obwohl sich bereits mehr als 200 Finanzinstitute einer entsprechenden Initiative angeschlossen hatten.

Zu allem Übel hatte der Comedian James Corden einen Tweet eines Journalisten dazu aufgegriffen und an seine knapp elf Millionen Follower weiterverbreitet und die Bank so zu einer Reaktion gezwungen. Man werde künftig erlauben, Hypothekenzahlungen 90 Tage oder noch länger zu verschieben, „bis die Krise vorüber ist“, teilte das Institut mit.

Der Fall zeigt, wie genau die Banken derzeit auf ihr Image achten. Sie betonen in der Öffentlichkeit, dass sie anders als in der Finanzkrise 2008 nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind.

Doch die Coronakrise stellt die Banken vor ein Dilemma. Sie können einerseits von der gestiegenen Nachfrage nach Krediten profitieren und haben eine zentrale Funktion, die Volkswirtschaft am Laufen zu halten. Andererseits wollen sie sich nicht zu viele Risiken aufladen, um später nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten.

Vor gut zwei Wochen hatte US-Präsident Donald Trump die Chefs der größten Finanzinstitute zu sich ins Weiße Haus zitiert. Alle hatten versichert, dass sie ihre Kunden nicht im Stich lassen würden und nach Jahren von Rekordgewinnen gut kapitalisiert seien. „Wir sind hier, um zu helfen“, hatte Citigroup-CEO Michael Corbat damals versichert. Ganz ähnlich haben sich auch alle anderen Teilnehmer geäußert.

Viele Amerikaner bereits in finanziellen Nöten

Das Virus verbreitete sich in den vergangenen Wochen jedoch deutlich schneller, als die US-Regierung zunächst angenommen hatte – mit massiven Konsequenzen für die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Der Leitindex Dow Jones hat seit seinem Allzeithoch bei 29.551 Zählern Mitte Februar rund 27 Prozent verloren, damit ist auch der längste Bullenmarkt aller Zeiten beendet.

Die am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Anträge auf Arbeitslosengeld für die dritte Märzwoche zeigten, wie stark die Effekte bereits bei den Amerikanern angekommen sind: 3,3 Millionen Amerikaner beantragten Arbeitslosengeld in einer einzigen Woche, das war der höchste Wert aller Zeiten und gut doppelt so viel, wie Ökonomen zunächst angenommen hatten.

Da die sozialen Netze in den USA deutlich dünner sind als in Europa, machen sich wirtschaftliche Schocks sofort bemerkbar. Es gibt praktisch keinen Kündigungsschutz. Und obwohl der Arbeitsmarkt seit Jahren boomt, haben viele Haushalte kaum Ersparnisse.

40 Prozent der Amerikaner können außerplanmäßige Ausgaben von 400 Dollar oder mehr nicht schultern, wie eine Analyse der US-Notenbank Federal Reserve aus dem Jahr 2019 zeigt. Wer seinen Job verliert, gerät daher schnell in finanzielle Nöte.

Das gut zwei Billionen Dollar starke Stimulus-Paket, das Trump am vergangenen Freitag nach langem Ringen im Kongress verabschiedet hat, kommt spät, und es wird Finanzminister Mnuchin zufolge noch drei Wochen dauern, bis die vereinbarten Zahlungen an Privathaushalte auch tatsächlich bei den Menschen ankommen. Dass es reicht, wird selbst von Politikern in Washington bereits bezweifelt.

Die Banken trifft das gleich doppelt: Unternehmenskunden haben schon vor Wochen damit begonnen, im großen Stil ihre Kreditlinien zu ziehen, um mit genügend Barmitteln ausgestattet zu sein. Praktisch über alle Branchen hinweg gibt es Probleme durch den plötzlichen wirtschaftlichen Schock, dem die Wirtschaft ausgesetzt wurde. Hinzu kommt ein Ölpreisverfall, der die besonders hoch verschuldeten Ölproduzenten des Landes hart trifft. Zudem drohen im großen Stil Kreditausfälle bei den Verbrauchern.

Um die Probleme abzufedern, haben die Banken bereits reagiert. Moynihan zufolge weitet die Bank of America im März die Kreditvergabe an bestehende Unternehmenskunden um 50 Milliarden Dollar aus. Privatkunden können nicht nur die Zahlungen für die Häuserkredite aufschieben, sondern auch die für ihre Kreditkarten und ihre Autokredite.

Forderungen nach mehr Unterstützung durch Banken

Andere Großbanken haben ähnliche Programme. Zudem haben sie angekündigt, ihre Aktienrückkaufprogramme bis zum Ende des zweiten Quartals einzustellen. Kritiker fordern jedoch, die Institute müssten deutlich mehr tun, um notleidenden Verbrauchern und Unternehmen zu helfen.

Sheila Bair, die frühere Chefin des Einlagensicherungsfonds FDIC, fordert etwa, dass die Banken nicht nur auf die milliardenschweren Aktienrückkäufe verzichten sollten, sondern auch auf Boni und Dividenden, erklärte sie im Interview mit dem Handelsblatt. So sollen die Institute noch mehr Kapital horten, um dies für die Vergabe weiterer Kredite zu nutzen. „Die Banken sind es der Öffentlichkeit schuldig, die Vergabe von Krediten zur Priorität zu machen“, so Bair.

Die Europäische Zentralbank hat die europäischen Banken ebenfalls zu einem Verzicht der Dividende aufgerufen. Auch die US-Notenbank, die gleichzeitig der wichtigste Regulierer der Großbanken ist, glaubt, dass die Institute derzeit zu vorsichtig sind. Fast täglich verschickt sie Mitteilungen an die Finanzindustrie, in denen sie sie dazu „ermutigt“ die Kreditvergabe anzukurbeln, auch wenn sie dafür ihre Kapital- und Liquiditätspuffer anzapfen müssen.

Noch am Donnerstag veröffentlichten alle fünf großen Bankenregulierer eine gemeinsame Erklärung, in der sie betonten, dass die „verantwortliche“ Vergabe von Krediten an Verbraucher und kleine Firmen in Not ausdrücklich gewünscht ist. Zudem forderten sie die Banken auf, Lösungen für Kunden zu finden, die ihre Kredite nicht wie geplant zurückzahlen können. „Wir ermutigen, über Strategien nachzudenken, die den Kreditnehmern helfen, die Kredite zu tilgen, ohne sich neu verschulden zu müssen“, heißt es in der Erklärung.

Analyst erwartet zwei schmerzhafte Quartale

Die Fed ist in den vergangenen Wochen selbst wiederholt und in beispiellosem Ausmaß eingesprungen, um eine ganze Reihe von Problemen an den Kreditmärkten zu lindern. Zudem wird sie im Rahmen eines neuen Programmes erstmals auch Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben.

„Wir sind in einer prekären Lage: Kredite zu vergeben ist riskant für die einzelne Bank. Keine Kredite zu vergeben ist jedoch noch risikoreicher für die Volkswirtschaft“, gibt Markus Brunnermeier, Professor an der Eliteuniversität Princeton, zu bedenken. „Jede Bank hofft, dass die anderen Banken mehr Kredite vergeben.“

Investoren sind besorgt über die Auswirkungen, die das Virus auf die Banken haben wird. Die Aktienkurse haben in den vergangenen Wochen deutlich nachgegeben. Die Papiere von Branchenführer JP Morgan haben seit Ende Februar 22 Prozent verloren, die der Bank of America 24 Prozent. Die Aktie von Goldman Sachs liegt 21 Prozent im Minus.

Analyst Mike Mayo von Wells Fargo rechnet mit zwei schmerzhaften Quartalen für die Banken, in denen sich die Kreditausfallraten mindestens verdoppeln und die Gewinne der Banken um mindestens ein Drittel einbrechen. Die Ratingagentur Fitch hat die gesamte Branche bereits herabgestuft und den Ausblick von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt.

Handelsblatt Morning Briefing - Corona Spezial

Auch die Kosten für Kreditausfallversicherungen, ein wichtiges Stressbarometer, sind zuletzt deutlich ausgeschlagen. Mit sogenannten Credit Default Swaps (CDS) können sich Investoren gegen einen Zahlungsausfall der Banken absichern. Die Kosten für die Ausfallversicherungen amerikanischer Banken lagen bei Goldman Sachs und Morgan Stanley am Freitag sogar knapp über denen der Deutschen Bank, was ungewöhnlich ist, da die US-Institute deutlich besser kapitalisiert sind und seit Jahren Rekordgewinne einfahren.

Die kommenden Wochen werden weiter schwierig werden, so viel ist längst klar. Die Restaurantkette Cheesecake-Factory hat angekündet, ab April keine Miete mehr zu bezahlen. Weitere werden folgen, was auch den Markt für Gewerbeimmobilien hart treffen wird. Auch, weil unklar ist, wie lange die Krise andauern und wie sich das öffentliche Leben danach entwickeln wird.

Mitte April wird es dann Aufschluss über die vorläufigen Auswirkungen des Virus auf die Bankbilanzen geben. Dann legen die Institute ihre Zahlen für das erste Quartal vor.

Mehr: Dax-Unternehmen überdenken ihre Dividende.

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1 Kommentar zu "Finanzmarkt: Angst vor dem Kreditausfall – US-Banken stecken im Corona-Dilemma"

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  • Ich habe da zwar ein ganz schlechtes Gewissen, aber, irgendwie freut mich das auch. Die Amerikaner erhalten nun die Quittung dafür, daß sie einen ignoranten, intellektuell überforderten Immobilienmakler zu ihrem Präsidenten gewählt haben. Die gegenwärtige Situation der amerikanischen Wirtschaft ist nämlich mitnichten nur der Corona-Krise geschuldet.

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